Zu jung
Nein, ich verstehe schon, was du sagst,
Dass du meine Erfahrung nicht anerkennen magst.
Es wäre Blasphemie deiner selbst gegenüber,
Dir einzugestehen, dass ich abseits von jenem, was
Du meinst zu wissen, viel mehr sehe als das.
Denn du lebtest bis jetzt nur tagsüber.
Mein Leben und mein Sein,
Trägt eine viel düstere Geschichte
Und blickst du einmal tiefer in meine Gedichte,
Dann erhaschst du einen Spiegel, der zeigt hinein
In rote Dunkelheit und ferne Gefilde;
Es zeigt ein neues, ein anderes Bilde.
Diese Durchleuchtung erlaube ich mir,
Was in mir steckt, das zeige ich dir.
Als hervorgekrochen, aus unschuld'ger Schwärze,
Da schwand die Wärme, stattdessen kam Härte.
Listiges Licht suchte den Weg zu meinem Herze;
Ich nahm es an, naiv, solch fälschliche Werte.
Man hätt' sie leben können, andre Menschen sind Beweis,
Sind noch im Tode wunderweiß;
Doch was Ideale und Werte und Normen wirklich tun,
Zeigte sich, es trug sich inmitten des sichersten Ortes zu.
Sie sind, was den Menschen letztlich zerstört,
Was ihn frisst, unter Maske lebt es hoch empört.
Die Maske kann's nicht halten,
Der Krug zerbricht,
Was austritt ist Licht, es tritt vors Gericht,
Und will auch Äuß'res rot gestalten.
Was tut ein unwissend klein Knecht,
An dem sich das Leid andrer rächt?
Wie kann ein Sog nur den ertragen,
Der hässlich ist, er gibt seine Plagen
Alles Unrecht dem Unschuldigen,
Lässt Klage fallen gegenüber seiner selbst;
Gibt den Weg frei, dem Böswilligen.
Und wenn du sie dem Kasus stellst,
Erkennst du Blut vom Blute nicht mehr,
Was bleibt, ist eine Hülle, von Liebe leer.
Die Liebe, ein schöner Mythos,
Es war einst mein Brunnen,
In den meine Hoffnung und so viel mehr floss,
Doch auch all dies kann verstummen.
Nein, ich verstehe schon, was du sagst,
Dass du meine Erfahrung nicht anerkennen magst.
Ich bin zu jung, als was von der Welt zu verstehen,
Und muss, denkst du, den Musterweg gehen;
Doch eins, dass ist mir nun klar;
Wer sich verstellt, um andrer Willen,
Der ist stets sein eigener Narr,
Denn dies kann nicht den Durst in dir stillen;
Nur was lange im Käfig wächst,
Wird groß genug um aus ihm zu brechen,
Sodass du andre Leben in ihn steckst.
Sag, wen willst du als nächstes erstechen?
Zu jung zu sterben, zu alt zu leben,
Kann sich nicht empor des Denkens Schwäche heben.
Ein Leben, dass dort im Innern des Andren war,
Besser als sich, sein Hässlichstes kennt,
Das kann nie wieder selbst sein, ganz und gar
Von doppelter Schwäche überschwemmt,
Sieht man zwei Kinder, und trauert;
Sie sitzen allein im Dunkeln, zusammengekauert.
Recht gibt es nicht, Liebe hat Rücken gekehrt,
Gefühle und Wissen haben sie verzehrt.
Wenn der andere sich auch alleine meint;
Selbst wenn er's ist, aus dem das Böseste scheint,
Ist's der Schmerz, aus dem die Menschlichkeit keimt;
Weil man auch für den Anderen weint.
Um das Leben, unsere Unschuld und laute Einigkeit.
Um unser Streben, Menschenhuld und Ehrlichkeit.
Unvergessen, welcher Größe sie auch ist,
Die Zeit bestimmen wir nicht, noch bestimmt sie uns,
Sie ist bloß Zeugin unsres trauerschönen Bunds.
Und offenbart, was unsre Seele vermisst.
Ja, ich verstehe schon, was du dir sagst,
Dass du jahrelang satt Tagfinsternis erlagst,
Folge deinem Schatten, ich halte die Hand
Bis du dich erneut in unsern Lichterreigen wagst.
-
E.A.G.