Ich sitze in dem schwarzen Rolls-Royce, der mich zur Hochzeit bringen soll. Hinter dem Steuer sitzt ein steifer Chauffeur, das Gesicht hinter einer großen schwarzen Sonnenbrille versteckt. Bis auf das Nötigste haben wir noch kein Wort miteinander gewechselt. Das Radio ist eingeschaltet, gerade wechselt der Song und es kommt ein neues Lied. Ein Liebeslied. Nein nicht nur irgendeins, sondern das Liebeslied. Zu dem ich mit dir einst an einem warmen Sommerabend eng umschlungen getanzt habe.
Ich erinnere mich noch gut an diesen Abend, es war der Anfang unserer Liebesgeschichte, nach einer Party draußen auf der Terrasse im warmen Licht der Lampions. Fast rieche ich noch deinen süßen Duft, vermischt mit den Gerüchen des Sommers. Deine Hände lagen mit sanftem Druck auf meinen Schultern und ich kann noch deine glänzenden braunen Augen vor mir sehen, spüre fast deinen warmen Atem an meinem Hals und deine zarten Lippen gepresst gegen meine. Damals hast du das rote Kleid getragen und sahst so schön aus wie noch nie. Ich dagegen trug nur einfache Shorts und T-Shirt, trotzdem flüstertest du mir ins Ohr, dass du keinen anderen Mann als mich willst.
Heute trage ich einen maßgeschneiderten neuen Anzug, um nicht komplett neben deiner Schönheit zu verblassen. Die Sommernacht ist mittlerweile 5 Jahre her und heute ist der Tag, an dem die Hochzeit stattfinden soll…
Das Auto in dem ich sitze rast langsam die Serpentinen den Berg hoch, auf dem die kleine Kirche steht. Es ist ein schlichtes aber schönes weißes Backsteingebäude mit bunten Fenstergläsern, links und rechts daneben weite Wiesen voller Wildblumen. So, wie ich es mir immer für unsere Hochzeit gewünscht habe. Auf dem Schotterplatz vor der Kirche stehen schon viele Gäste, einige gehen bereits rein ins dunkle Kühl der Kirche. Ich steige aus dem Auto und blicke mich kurz um. Deine Eltern haben mich schon entdeckt und kommen auf mich zu, um mich in eine herzliche Umarmung zu schließen. Ich gehe weiter und begrüße meine Freunde und einige andere bekannte Gesichter. Viel Zeit bleibt nicht, bald soll die Trauung beginnen und ich beeile mich in die Kirche zu kommen. Ich schreite die langen festlich geschmückten Bankreihen entlang bis nach vorne und stelle mich auf meinen Platz. Langsam ergreift mich etwas die Nervosität, meine Hände sind verschwitzt und zittern leicht. Ich falte sie vor mir zusammen und versuche gelassen zu Atmen und wieder ruhiger zu werden.
Nach einigen Minuten, die sich wie Kaugummi ziehen, setzt endlich die Musik mit kräftigen Orgelschlägen ein, die durch meinen ganzen Körper dringen. Ich warte ungeduldig und aufgeregt auf dich. Dein Kleid habe ich noch nicht gesehen und kann es kaum erwarten, dich als Braut gekleidet zu sehen. Egal was du trägst, ich weiß jetzt schon, dass du wie immer umwerfend schön aussehen wirst.
Endlich öffnen sich die schweren Kirchentüren, Licht flutet herein und in dem Licht stehst du. Alle Gäste drehen sich zu dir um und mir stockt der Atem, Tränen treten in meine Augen. verschwommen sehe ich dich langsam den Gang herunterkommen und versuche, meine Tränen wegzublinzeln. Wie eine Prinzessin strahlst du in einem Traum aus weißem Tüll und Glitzer, die Haare halb hochgesteckt und mit einem langen Schleier geschmückt. Dein Vater neben dir macht aber auch eine gute Figur in seinem Anzug und dem sorgsam gekämmten silbergrauen Haar. Ich sehe, wie auch er versucht, sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel zu wischen. Man kann sehen, wie stolz dein Vater auf dich, seine wunderschöne Tochter ist. Langsam kommt ihr beide auf mich zu, ich sehe nur dich und es ist, als würde die Zeit kurz langsamer vergehen. Endlich findet dein Blick meinen in der Menschenmenge, unsere Augen sprechen lautlose Worte. Du Lächelst mich an und dieser Moment gehört nur mir, dein Lächeln gehört nur mir. Leider ist dieser kurze Moment schon wieder viel zu schnell vorbei, dein Blick streift weiter und richtet sich schließlich nach vorne, du gehst an mir vorbei zum Altar
Ich sehe weiter dein strahlendes Lächeln, dass deine Augen zum Blitzen bringt. Es gilt aber nicht mehr mir, sondern deinem zukünftigen Ehemann. Der Rest der Trauung zieht wie in Trance an mir vorbei. Ich sehe, wie ihr euch das Jawort gebt, er den goldenen Ring über deinen Finger streift und zärtlich deine weichen Lippen küsst. Alle jubeln um mich herum und ich kann nur versteinert dastehen und meinen Blick nicht abwenden, mein Herz schlägt laut und schmerzhaft in meiner Brust. Ich sehe dich an, eine wunderschöne Braut, die aber nicht meine ist.
Nach der Trauung kommst du zu mir, drückst mich kurz und erklärst mit leuchtenden Augen, dass du nicht ausdrücken kannst, wie glücklich du seist, dies wäre der schönste Tag in deinem Leben. ich wünsche dir alles Gute, zwinge mich zu einem Lächeln und drücke auch deinem Mann kurz die Hand und gratuliere ihm. Ich möchte alleine sein und mich vergraben in dem Schmerz, aber jetzt kann ich noch nicht gehen. Dein Mann hat jetzt alles, was ich je haben wollte, er hat mein Mädchen und macht es glücklich. Ich kann ihn trotzdem nicht hassen, obwohl ich es gerne tun würde. Ich frage mich, warum ich nicht an seiner Stelle stehen kann, mit dir als Ehefrau an meiner Seite. Stattdessen steh ich daneben und beobachte euch beide wie in einer Schneekugel.
Bist du wirklich glücklicher mit ihm? Ich sehe dein breites Lächeln und beantworte mir die Frage im Stillen selbst. Nach unserer Trennung hattest du mir damals gesagt, dass du dir für mich eine genauso glückliche Liebe wünscht, wie du sie mit deinem neuen Freund erfährst. Ich habe gelächelt um die Wahrheit zu verbergen, denn ich war am glücklichsten mit dir, damals an dem Sommerabend mit dem roten Kleid. Ich konnte mir zu der Zeit keine andere Frau an meiner Seite vorstellen und kann es auch jetzt noch nicht.
Wie sehr ich mir doch wünsche, nicht mehr ständig an dich denken zu müssen, dass du mir egal wärst. In anderen Momenten will ich dich wieder anrufen und reden, so wie früher. Ich habe mich noch immer nicht an das halbleere Bett gewöhnt, dass ich auch nicht durch andere Mädchen aufzufüllen vermochte. Es fühlt sich so seltsam an, wenn ich auf mein Handy schaue und keine Nachricht von dir auf dem Display auftaucht. Manchmal wenn ich morgens aufwache habe ich für einen kurzen Augenblick vergessen, dass du nicht mehr bei mir bist. Ich weiß, dass du mich irgendwann vergessen wirst, genauso wie du dich jetzt schon nicht mehr genau an unsere gemeinsame Zeit erinnerst. manchmal denke ich, es ist so am besten für dich und ich sollte einfach froh für dich sein. Aber ich kann es einfach nicht.
Ich frage mich, ob es anders gelaufen wäre, wenn ich damals um dich gekämpft und nicht einfach gehen lassen hätte. Aber damals hatte ich keine Kraft zum Kämpfen und jetzt ist es schon lange zu spät. Jedes Mal wenn ich dich sehe, wird mir wieder bewusst, dass ich die wichtigste Person meines Lebens verloren habe. Für immer.