30. Juli 2999
Als ich die Augen aufschlage, spüre ich das Eis noch, das mich umfangen hält. Eis, hell und schmerzhaft kalt, schirmt mich vor der roten Wüste ab.
Doch Hitze und Licht sind so weit verschwunden, dass ich aufwachen kann.
Das erste, was ich sehe, ist Mingan. Er lächelt. Es war seine Hand, die mich sanft aus dem Land der Träume gezogen hatte.
„Wie geht es dir, Schneekönigin?“, fragt er.
Ich lächele schief: „Besser.“
„Du hattest recht. Die rote Wüste war eine schlechte Idee.“
„Warum hörst du auch nicht auf mich?“, ich bin müde. Selbst die kleinen Sticheleien zehren an meinen Kräften. Ich möchte nicht streiten, nicht einmal im Spaß.
Mingan scheint das zu spüren. Er lächelt und zieht vorsichtig seine Hand aus meinen Fingern. Habe ich ihn im Schlaf festgehalten?
„Wie viel Zeit ist vergangen?“
„Du warst drei Tage bewusstlos“, erklärt Mingan ruhig: „Geht es dir gut?“
„Ich bin müde“, sage ich ehrlich: „Erschöpft. Aber ansonsten fühle ich mich gut.“
Mingan atmet erleichtert auf: „Demetia meinte schon, dass du dich nur in dein Unterbewusstsein zurückgezogen hättest und keine bleibenden Schäden erlitten hast. Ich bin froh, dass sie Recht hatte.“
„Demetia?“, frage ich verwirrt.
„Stimmt ja“, sagt Mingan: „Du hast die anderen noch nicht kennengelernt. Wir haben sie erreicht, die anderen Kinder der Elemente.“
Ich versuche, mich aufzusetzen: „Sind sie hier?“
Mingan stützt mich eilig und hilft mir, eine aufrechte Position zu erreichen. Ich bin wirklich zu schwach, um das alleine zu schaffen.
„Sie warten draußen. Wenn du dich stark genug fühlst, rufe ich sie.“
Mingan sieht mich fragend an. Ich muss lachen, weil er so besorgt aussieht: „Alles gut, Ming. Ich bin nur müde, nicht krank oder verletzt. Ruf sie schon, ich möchte sie kennenlernen!“
Sie betreten das Zimmer einer nach dem anderen. Mingan sitzt mit besorgten Blick auf dem Bett meinem gegenüber. Die vier Personen, die jetzt den Raum fluten, finden kaum Platz in den winzigen Zimmer.
Als erstes kommt eine junge Frau. Sie hat braungebrannte Haut, goldblonde Haare und lebendige, helle Augen. Sie reicht mir eine Hand und schüttelt meine, ohne Druck aufzubauen. Ihre Haut ist warm, wärmer als die von normalen Menschen. Ich sehe in ihre goldenen Augen.
„Ich bin Fenia. Ich freue mich, dass du wach bist, Soyala.“
Ich nicke und lächele zurück: „Danke, Fenia.“
Fenia setzt sich neben Mingan auf das Bett. Während Mingan noch die gleichen, alten Sachen trägt, den grauen Mantel, verblichene Jeans und T-Shirt hat Fenia ganz normale Kleidung, ein kurzes Sommerkleid mit einer Strickjacke darüber.
Als nächstes kommen zwei Kinder in weiten Roben aus Leinenstoff oder etwas ähnlich natürlichem. Sie sind jung, gerade mal 11 oder 12 Jahre alt. Sie haben beide kupferfarbene Haut, ein wenig heller als die von Fenia, dazu kurz gelockte, braune Haare und haselnussbraune Augen. Sie gleichen einander wie ein Ei dem anderen. Nur anhand der Roben kann man sie unterscheiden: Diese sind einmal grau und einmal grün.
„Ich bin Demetia“, sagt das Mädchen in grün.
„Und ich bin Dimitri“, erwidert das Kind daneben. Es ist die Stimme eines Jungen, also noch eine Möglichkeit, die beiden zu unterscheiden.
„Schön, dass es dir gut geht“, sagt Demetia freundlich.
Ich nicke: „Schön, euch kennenzulernen.“
Als letztes schlurft ein junger Mann barfuß in den Raum. Seine Haare – ebenso hell wie Fenias – hängen ihm ins Gesicht, dass ich seine dunklen Augen fast nicht erkennen kann. Er lässt die Hände in den Hosentaschen vergraben. Dimitri und Demetia nehmen ein bisschen Abstand vor ihm.
„Hi“, sagt der Mann gedehnt: „Ich bin Aiden.“
Er atmet einmal tief durch, bevor er hinzufügt: „Schön, dass du hier bist.“