Der schmuddelige altmodische, aber doch gemütliche Pub war wie immer gut besucht. Hinter dem Tresen stand wie immer die alte rundliche Mrs. Wolf die unermüdlich Butterbier zapfte und Kesselkuchen servierte.
In einer der hinteren Ecken des ‚Zum heulenden Wolfs‘ saßen nur zwei Gäste, eine junge Frau und ein junger Mann. Zwischen den beiden standen auf dem gebleichten Holztisch zwei Krüge Butterbier.
Die junge Frau umklammerte ihren Krug mit beiden Händen und betrachtete unbeeindruckt das Gesicht des jungen Mannes, der sie unverhohlen anfunkelte.
„Das war dumm, Haylee“ stellte der junge Mann nüchtern fest. Er saß mit verschreckten Armen auf dem Stuhl. Sein Butterbier war unberührt.
Die junge Frau namens Haylee, zuckte nur mit den Schultern. Ihre schwarzen ungebändigten Locken streiften dabei ihre Schultern. Mit einem schiefen Lächeln beobachtete sie wie sich die Miene ihres Gegenübers veränderte. Eine der schwarzen leicht gewölbten Augenbrauen wanderte nach oben als könnte der junge Mann es nicht glauben was er da sah.
„Es war über aus blöd, das leuchtet dir doch wohl ein? Du hättest das Geheimnis unserer Welt fast Preis gegeben! Das ist nicht… hör auf mit den Schultern zu zucken“ fauchte er aufgebracht.
„Reg dich ab, Hunter“ seufzte die Frau und nahm einen Schluck von ihrem Butterbier. „Du bist ein richtiger Paragrafenreiter“
„Ich bin kein… Und du bist zu unvorsichtig“ schimpfte Hunter und rang seine Arme. „Du nimmst es zu locker“
„Und du nimmst es zu verbissen“ zischte seine Partnerin und rekelte sich auf ihrem Stuhl. Die hälfte ihres Butterbiers war fertig. „Wir haben den Werwolf Fall so gut wie gelöst. Dank mir“
Diesmal wanderten beide Augenbrauen nach oben.
Dieses Mienenspiel ist das Beste an der ganzen Sache. Ein Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht. Hunters Gesicht verdunkelte sich augenblicklich. Das allerdings ist nicht gut! Überhaupt nicht gut!
„Du willst mich wohl auf den Arm nehmen? Dank dir? Zum Glück sind wir nicht aufgeflogen“ fauchte er wutentbrannt wobei seine Stirn mehr Falten aufwies als ein Chinesischer Faltenhund.
„Ich habe dir gesagt das der Mann von einem Werwolf gebissen wurde und habe vorgeschlagen, dass wir ihm folgen“ erinnerte Haylee ihn. „Nimm doch einmal den Besen aus deinem…“
„Ich werde dich gleich mit einem Besen jagen, wenn du nicht augenblicklich deinen Mund hältst“ knurrte Hunter als sich eine Gruppe Jugendlicher näherte. „Wegen dir landen wir noch in Askaban“
„Spießer“ murmelte Haylee, rollte mit ihren Haselnussbraunen Augen und trank den letzten Schluck ihres Butterbiers aus. „Vergiss nicht das ich immer noch dein Boss bin“
Hunters braune Augen verengten sich, doch er sagte nichts. Er winkte nur einen Kellner zu sich und bezahlte die Getränke.
Zusammen verließen sie die Wärme des Pubs und traten in die Eiseskälte der Dezembernacht. Es war schon spät und die einzigen Lichtquellen der sichelförmige Mond, die funkelnden Sterne am schwarzen Firmament und die spärlichen Straßenlampen entlang der Straße. Im Licht der Lampen erkannte Haylee einzelne Schneeflocken. Still gingen sie neben einander her. Niemand sagte ein Wort. Einzig das Geräusch ihrer Schuhabsätze auf den Pflastersteinen hallte durch die Stille.
„Es tut mir leid“ brach Haylee schließlich die Stille und blieb unter einer Straßenlampe stehen. Das Licht flackerte und ließ groteske Schatten auf die Pflastersteine fallen. Die ersten Schneeflocken verfingen sich in ihren schwarzen Locken. Hunter drehte sich verwirrt in die Richtung seiner Partnerin. Sein Gesicht war in Dunkelheit gehüllt so dass sie nichts erkennen konnte.
„Was tut dir leid?“ wollte er wissen.
„Das ich dir so eine schlechte Partnerin bin“ brach es aus ihr heraus. „Ich weiß das ich dir ein wandelndes Übel bin. Chaotisch, unordentlich und viel zu sehr Gefühlsmensch. Aber ich arbeite gern mit dir“ Hunter sah sie überrascht an. „Nein wirklich: Ich mag dich, du bist lustig und ich finde wir sind ein wirklich gutes Team“ Haylees Stimme brach ab. Wenn sich jetzt doch nur ein tiefes Loch öffnen würde wo ich versinken könnte. Ich bin aber auch wirklich dumm. Wieso werfe ich mich ihm nicht gleich an den Hals? Dumme Haylee!
„Ich weiß das dir die ‚Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe‘ nicht gefällt. Der Wechsel war sicher schwer für dich, aber du wirst sehen, auch bei uns gibt es spannende Fälle.“
Hunter hatte inzwischen den Blick abgewandt und starrte nachdenklich in die Dunkelheit. Haylee wusste das seine Versätzung von der Aurorenzentrale, wo er bis vor kurzem ein gefeierter Auror gewesen war den alle fürchteten, in die Abteilung zur Führung und Aufsicht magischer Geschöpfe, ein heikles Thema für ihn war. Wegen einem kleinen verheerenden Fehler hatte man ihn zur Strafe in die meistgehasste und belächelte Abteilung des gesamten Zaubereiministeriums versetzt. Tierwesen zu fangen war nicht gerade ein beliebter Job. Haylee hatte bis heute nicht erfahren was es für ein Fehler gewesen war. Wie kann ein so pingeliger Mann überhaupt einen Fehler machen? Fragte sie sich. Irgendetwas muss passiert sein. Es kann unmöglich nur ein kleiner Fehler gewesen sein. Es muss etwas passiert sein! Die Frage war nur was?
„Hunter?“ Zögerlich trat Haylee näher an. Er stand immer noch von ihr abgewandt im Halbdunkeln. Es schneite inzwischen stärker und auf den Pflastersteinen bildete sich eine zarte weiße Schicht. „Sag doch bitte was“ flüsterte sie. „Komm schon so schlimm kann es nicht sein mit mir zu arbeiten. Wir haben doch Spaß“
Vorsichtig legte sie eine Hand auf seine Schulter. Die Schneekristalle, die sich auf seinem Mantel gesammelt hatten, knisterten leise unter ihrer Hand.
„Sag bitte etwas“ bat sie leise.
Seine Schulter entglitt ihrem Griff als er sich von ihr losriss. „Lass uns gehen“ murmelte er.
„Aber…“ begann Haylee, doch Hunter unterbrach sie wirsch.
„Du weißt gar nichts“ knurrte er. „Lass uns einfach gehen“ Abrupt wandte er sich um und verschwand in der Dunkelheit.
Einen langen Moment blieb Haylee im Licht der Straßenlampe stehen, zu aufgewühlt zum apparieren. Was war er doch für ein Mistkerl! Was hatte sie ihm getan? Ja, vielleicht war es ein Fehler gewesen ihn daran zu erinnern das er seinen Posten als Auror verloren hatte, aber trotzdem: Was hatte sie bloß gesagt das ihn so wütend machte? Die Antwort wird sie wohl nie erfahren. Als sie sich gefangen hatte trat auch sie in die Dunkelheit und verschwand im Nichts.