Kentin packte seine Handtücher zu seiner Unterwäsche. Brauchte er noch etwas?
Es waren nur zwei Nächte, er brauchte nicht seinen ganzen Schrank. Dennoch ging er akribisch den Stapel mit Kleidung durch, so wie er es beim Militär gelernt hatte. Er freute sich auf ein paar dienstfreie Tage jenseits der Kaserne, in der man immer dieselben dummen Gesichter sah, immer dasselbe machte und abends mit den Kameraden Bier trank und Karten kloppte.
Trotzdem war es aber nicht die schlechteste Idee gewesen, in die Armee einzutreten. Er hatte viel gelernt. Über Ordnung, über Disziplin und vor allem über sich selbst - den kleinen Außenseiter, den alle herumgeschubst hatten in der Oberschule, den gab es nicht mehr. Der Mann, der ihm aus dem Spiegel entgegen lachte, war groß, vielleicht nicht mega gutaussehend, aber ansehnlich und muskulös. Er gefiel sich so.
Und das wiederum gefiel den Damen. Ein Umstand, an den er sich noch nicht gewöhnt hatte und der ihm etwas suspekt war. Denn mit den Jahren hatte er mehr und mehr das Gefühl bekommen, dass sein Interesse mehr am anderen Ufer lag. Aber ausprobiert hatte er das noch nie.
Er war Soldat! Er konnte sich nicht erlauben, dass Gerüchte über homoerotische Neigungen oder Beziehungen seinerseits bekannt wurden. Die Armee war leider nach wie vor ein äußerst homophober Lebensbereich und Schwulenwitze waren an der Tagesordnung. Kentin wollte nicht riskieren, für den Rest seiner Zeit das Gespött seiner Kameraden zu sein. Er hatte noch drei Jahre Dienstzeit vor sich, dann war er 25, dann konnte er machen, was er wollte.
Mit einem Schmunzeln warf er einen Blick auf den Laptop und das geöffnete Chatfenster. Der Typ, der sich Äpfelchen nannte, schien Interesse an ihm zu haben. Er hatte sich geradezu überschlagen, als er gehört hatte, dass er, Kentin, Soldat war.
Denn dann war er doch sicher auch durchtrainiert und stark. Diese Unterhaltung hatte Kentin und auch den anderen im Chat großen Spaß gemacht. Bis auf dem Typen namens Kirshi vielleicht.
Kentin hatte das Gefühl gehabt und auch immer noch, dass da etwas zwischen den beiden war, denn sie waren die Einzigen aus der Gruppe, die sich persönlich kannten. Aber im Grunde ging es ihn nichts an.
Er hatte nicht vor, eine Liebschaft zu beginnen, die ein Wochenende lief oder sich in bestehende Freundschaften zu drängen. Er wollte die Leute, mit denen er seit einem Jahr regelmäßig chattete und die er mochte, einfach einmal persönlich kennenlernen.
Mit seiner Auswahl zufrieden packte er die Klamotten in seinen Armeesack und machte sich bettfertig. Morgen früh um Fünf würde er die Kaserne verlassen und in sein Wochenende starten. Freitag, Samstag, Sonntag.
In dem Link hatte gestanden, dass am Freitagabend jemand in dem alten Gasthaus zugegen sein und dass die Leute als erstes ein gutes Essen erwarten würde.
Kentin war gespannt.