»Jetzt mach doch mal hin, du Trantute!« Leo sprang auf dem Gleis herum wie ein Frosch und feuerte seinen besten Freund Kazuya an, der sich mit dem Koffer auf der Treppe abmühte.
»Wenn ich nicht dein Gepäck schleppen müsste, wäre ich schon da ...«, grummelte der junge Mann mit den roten Haaren und stellte das Corpus Delicti, einen violetten Koffer, neben den anderen Mann, der schelmisch grinste und sich eine Haarsträhne um den Finger wickelte.
»Aber das machst du doch gerne für mich, oder Kazu?«
Dieser Idiot!
Leo wusste ganz genau, dass er mit Kazuya alles machen konnte. Er hatte ihn voll in der Hand. Und das nicht wegen irgendeiner Form von Erpressung, sondern weil Kazuya der Ältere war und das Bedürfnis hatte, den Jüngeren zu beschützen. Denn Leo hatte ein Talent dafür, sich in Schwierigkeiten zu bringen, das war unnachahmlich.
Ob es Prügel war oder eine drohende Vergewaltigung, Kazuya hatte ihn überall herausgeboxt. Und er forderte nichts dafür. Er wollte nur in Leos Nähe sein, nahm die paar Brotkrumen, die der ihm hin und wieder hinwarf, nahm dessen Leidenschaft in einsamen Stunden und forderte dabei nichts für sich.
Denn er, Kazuya, war ein Masochist. Er blühte auf in dem emotionalen Leid, das Leo ihm bewusst oder unbewusst antat. Er liebte und hasste den Jüngeren und wusste, würden sie beide nicht jeder einen Menschen finden, der den Platz des anderen einnahm, würden sie in diesem Abhängigkeitsverhältnis weitermachen bis einer von ihnen starb.
»Oh schau, da ist schon der Zug. Komm ...« Leo packte seinen Koffer und eilte an den Gleisrand.
Im Zug herrschte Schweigen zwischen den beiden Männern und während Leo seine Stupsnase an der Scheibe plattdrückte, sah Kazuya sich um. Die Blicke der Mitreisenden waren eindeutig. ‚Oh Gott, wir sitzen im gleichen Waggon wie zwei Schwuchteln.‘
Er konnte die Worte förmlich hören, die in die fremden Gesichter geschrieben schienen.
Leo ließ sich nicht stören. Der war so einig mit seiner Sexualität, dass niemand auch nur eine Sekunde daran zweifeln konnte, obwohl er es eigentlich nicht an die große Glocke hing und jedem sagte, dass er andersrum war. Er hatte diese Ausstrahlung, die es die Leute einfach wissen ließ. Außerdem war er der schamloseste Mensch, den er, Kazuya kannte. Wenn ihm ein Typ auf der Straße gefiel, ging er hin und sagte ihm das.
Frei nach der Devise: »Ich find dich geil, wollen wir Nummern tauschen, ich bin gut zu vögeln!« Leo kannte keine Scham und keine Angst vor Zurückweisung. Kazuya mochte das. Obwohl es ihm manchmal auch peinlich war.
»Kazu?«
»Hm?«
»Ich bin müde. Weckst du mich, wenn wir da sind?«
»Nein, ich lass dich liegen und gehe ohne dich auf die Party. Trottelchen.« Zärtlich strich Kazuya dem Jüngeren die schwarzen Haare aus der Stirn. Dieser machte sich lang und legte seinen Kopf in den Schoß seines Freundes. Es dauerte nicht lange, bis er schlief und seinen rothaarigen Freund mit seinen Gedanken und der Aussicht allein ließ.