Kentin lächelte in den milden Wind und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen. Der Frühling hielt Einzug und die ersten singenden Vögel zwitscherten in den Bäumen.
Ein halbes Jahr war vergangen, seit sie von dem verrückten Nathaniel in einem alten Herrenhaus gefangen gehalten worden waren und nacheinander sterben sollten.
Die Polizei war wenige Minuten, nachdem sie alarmiert worden war, am Ort des Geschehens eingetroffen und die Sanitäter hatten die Leichen aus dem Haus getragen. Leo klammerte sich völlig erschöpft und weinend an Kentin und konnte den Blick nicht heben, als der leitende Kommissar nach den Identitäten der jungen Leute fragte. Kentin nahm es ihm ab, den leblosen und kreidebleichen Kazuya zu identifizieren. Sie waren verhört worden und es wurde stundenlanges Videomaterial sichergestellt, das die Geschichte der beiden bestätigen konnte. Nachdem sie im Krankenhaus untersucht worden waren, ließ man sie wieder nach Hause.
Doch wie sollten sie je so weiter machen wie vorher?
Leo hatte seinen besten Freund in diesem Haus verloren und Kentin seinen Ängsten gegenüber gestanden. Sie hatten versucht, jeder für sich, ihr Leben weiterzuleben, um nach wenigen Wochen zu spüren, dass es nicht ging.
Und so kam es, dass sie sich nach Anbruch des neuen Jahres wiedergetroffen und beschlossen hatten, in Zukunft zusammenzuleben.
Beide besuchten eine Therapie, um das Erlebte zu verarbeiten und lebten mittlerweile zusammen in einem kleinen Haus am Stadtrand, mit einem blühenden Garten und einem weißen Lattenzaun.
Kentin war inzwischen aus dem Militärdienst ausgeschieden, nachdem er für sich entschieden hatte, niemals wieder einen Menschen zu gefährden oder gar zu töten. Er absolvierte eine Weiterbildung zum Sporttherapeuten. Leo studierte noch immer und kellnerte nebenbei, um das Geld aufzubessern.
Kentin stand am Zaun und blickte in die Sonne, als das zarte Bimmeln einer Fahrradklingel in sein Ohr drang.
»Kentin. Wartest du schon?« Leo lächelte und stieg vom Rad. Mit einem verliebten Grinsen drückte er dem ehemaligen Soldaten die Lippen auf den Mund.
»Ja, ich warte auf dich. Ich habe schon einen Strauß vorbereitet. Wollen wir?«
Leo nickte und nahm die Blumen entgegen, die Kentin ihm hin hielt. Sein Lächeln war traurig.
»Lilien. Das waren Kazuyas Lieblingsblumen.«
»Ich weiß. Deswegen habe ich sie gepflückt. Gehen wir.«
Arm in Arm spazierten die beiden jungen Männer in die Nachmittagssonne, auf dem Weg, ihren Freund an seiner Ruhestätte zu besuchen.
Sie schwiegen. Es war nicht nötig, zu reden, denn ihre Herzen fühlten das Gleiche.
Das Erlebte hatte ihnen etwas Liebes genommen, aber es hatte sie auch zusammengeführt.
~~~ ENDE ~~~