Er blickte sich nach Hanania um und ihre Augen begegneten sich. Liebe und Freude strömte dabei in sein Herz und er fühlte sich erst jetzt wieder richtig ganz. Endlich, war seine geliebte Frau wieder bei ihm! Sie lächelte ihm liebevoll zu und er umarmte sie nochmals innig. Er roch ihren Duft, ihre langen, schwarzen, lockigen Haare, umschmiegten sein Gesicht, als sie sich an ihn kuschelte. „Endlich bist du wieder bei mir Geliebte!“ flüsterte er ihr zu. „Jetzt glaube ich wieder alles meistern zu können. Wir müssen uns jetzt um unsere Völker kümmern und wir werden zu den Pfeilern des Licht gehen, vielleicht werden uns dort wirklich neue Erkenntnisse zuteilwerden.“ Hananias Augen leuchteten voller Freude und immer mehr kehrte das Leben in ihre bleichen Wangen zurück. „Du glaubst also an meine Vision?“ „Ja, ich habe stets an deine Visionen geglaubt und darum folge ich dir überall hin, egal wo uns unsere Lebenspfade auch hinführen mögen.“
Dinael wandte sich nun auch wieder zu den beiden um und neue Hoffnung, glomm in seinen Augen auf. „Ihr kommt also mit?“ „Ja, das tun wir. Aber zuerst müssen wir all unsere Völker besuchen und ihnen zeigen, dass wir nicht ganz vom Erdboden verschwunden sind, “ gab Hanael zurück. „Danach, machen wir uns auf die Suche nach den Pfeilern des Lichts. Diese liegen im Zentrum unserer Welt, verborgen von einem Nebelschleier, so dass man sie gar nicht so einfach findet. Wenn man, wie Hanania und ich, jedoch schon mal dort war, ist es leichter.
„Kennst du denn den Weg?“ „Ich erinnere mich nur schwach, doch ich glaube schon, dass ich die Pfeiler finden werde.“ „Nun bin ich soweit herumgereist und doch nie an ein Ziel gekommen.“ „Zusammen werden wir es schaffen, da bin ich sicher!“ sprach Hanania zuversichtlich. Sie war nun wieder voller Kraft und Enthusiasmus, ihre Schwermut schien auf einmal wie weggeblasen und schon das war für Hanael Grund genug, diese Reise anzutreten.
4. Kapitel
Der Indigene Orphiel, ein schlanker, hochgewachsener, junger Mann, mit langem, dunklen Haar und bronzefarbenem Gesicht, lebte zusammen mit seinem Volk in einem dicht bewachsenen Waldgebiet, im Westen der Welt. Dieses bestand vor allem aus besonders schönen, grossen Laubbäumen, deren Blätter in allen Farb- Schattierungen leuchteten.
Es gab hier Wasser in Hülle und Fülle, welches meist von klaren Quellen gewonnen wurde, die es überall gab. Viele dieser Quellen, speisten Teiche und Bäche. Ab und zu wurde der Wald von weiten Grasflächen abgelöst und überall schwirrte es vor Leben. Orphiel war, zusammen mit seiner Frau der Anführer der Indigenes. Sie gehörten zu einem der hohen Fürstenpaare, welche einst auch in der himmlischen Welt, eine wichtige Rolle gespielt hatten. Mittlerweile hatten sich die Indigenes auch hier in Eden, gut organisiert. Sie lebten ganz im Einklang mit der Natur und den Tieren, die es hier gab. Die meisten von ihnen, konnten noch immer mit den Tieren kommunizieren, nur jene welche schon zu verbittert waren, oder schon zu viel vergessen hatten, konnten das nicht mehr. Doch Orphiel hatte damit noch keine Probleme, obwohl auch an ihm oft der Kummer nagte. Da er mit den Tieren noch immer in engem Kontakt stand, konnte er seine Erinnerungen an seine himmlische Heimat aber auch immer wieder auffrischen, denn die Tiere erinnerten sich oft an mehr als er. Besonders die hochentwickelten Erstlingstiere.
Ganz tief im Wald, lebten die meisten seines Volkes. In einem Dorf, das hauptsächlich aus Baumhäusern bestand. Diese wurden von den Indigenes mit Vorliebe bunt bemalt. Bei diesem Volke, kam grundsätzlich kein Fleisch, oder Fisch auf den Tisch. Denn zu eng war noch ihre Verbindung zu den Tieren, welche sie als ihre Brüder und Schwestern anschauten. Die meisten der Indigenes, hatten sogar einen eigenen Tierbegleiter. Viele selbiger, waren sogar Erstlingstiere, die mit ihnen aus den Hohen Himmeln hierhergekommen waren. Bei Orphiel war es ein weisser Wolf, ebenfalls eins der einzigartigen Erstlingstiere, der ihm viel an Weisheit vermittelte. Der Tierbegleiter wurde bereits sehr früh im Leben eines Indigenes auserwählt. Oder vielmehr, die Tiere erwählten sich ihre „Menschen“. Je nachdem, welchen Charakter ein Indigenes besass, begleitete ihn auch ein entsprechendes Tier. Der Auftrag von Orphiel und Orphiala- Aglasis, seiner Gefährtin, war es einst gewesen, sich um die Tiere im Reich des Lichts, zu kümmern. Das hatten sie bisher nicht vergessen und darum besassen sie auch noch einen besonderen Draht zu ihren tierischen Freunden.
Allerdings hatten auch sie mit vielem zu kämpfen. Der junge Orphiel hatte viele seiner engsten Vertrauten, durch das Verlassen der himmlischen Welt verloren. Ihr Weinen und Wehklagen verfolgte ihn noch immer in seinen Träumen. Er sah auch noch immer die Gesichter jener vor sich, die sogar ins Reich der finsteren Lande hinab fielen, für sie gab es noch weniger Hoffnung, als für jene, die sich hier aufhielten. Das war etwas, an dem er am meisten zu nagen hatte. Seine Gefährtin war auch oft sehr unglücklich, denn sie vermisste schrecklich die wundervolle Zeit, als noch alles miteinander in Einklang gelebt und gewirkt hatte. Einige ihres Volkes, besonders die Spätgeborenen, waren gar nicht mehr richtig verbunden, mit ihrer ursprüngliche Aufgabe. Das schmerzte Orphiel und Orphiala sehr, auch wenn sie selbst bereits vieles, nicht mehr so in Erinnerung hatten. So hatten sich die beiden, ähnlich wie die grossen Führer, immer mehr in ihre eigene kleine Welt zurückgezogen, wo sie vor allem mit den Tieren zusammenlebten und sich nur noch wenig um die anderen Mitglieder ihres Volkes kümmerten.
Ihr Baumhaus lag deshalb auch ein Stück weit entfernt, vom Hauptdorf. Es befand sich auf einem gewaltigen, azurblauen Baum, inmitten einer Lichtung, die mit bunten Blumen bewachsen und umgeben war, von weiteren mächtigen Bäumen, die in allen Farben leuchteten. Der Blick auf diese Bäume, spendete Orphiel immer besonderen Trost, denn sie erinnerten ihn irgendwie an den Regenbogen, der das Zeichen des Bundes mit dem Göttlichen war. Wie lange würden sie die Verbindung zu ihrem Ursprung noch erhalten können? Alles war schon so verblasst, nicht mal mehr die Erstlingstiere, erinnerten sich mittlerweile noch an alles. Doch was war, wenn sie ganz vergassen? Wenn sogar die Tiere irgendwann ganz vergassen? Orphiel schaute von seinem Baumhaus nachdenklich auf den umliegenden Wald und dann auf seinen treuen Begleiter, einen riesiger Wolf mit einem Fell, welches glänzend und weiss, wie leuchtendes Mondlicht, war.
Der Wolf lag neben ihm und schaute ihn mit seinen liebevollen, hellblauen Augen an. Der junge Indigenes, streichelte ihn traurig. „Was wenn ihr vergesst, irgendwann vergessen die nachfolgenden Generationen.“ sprach er in Gedanken zu ihm. Die Antwort kam still und weise „Ja, es kann sein, dass die kommenden Generationen vergessen, nur wir dürfen nicht vergessen.“ „Ja, das weiss ich und doch… erinnerst du dich noch so gut wie einst, an das was mal war Sunkma?“ Der Wolf erwiderte: „Ich gebe mir Mühe, aber… es ist tatsächlich nicht so einfach. Es ist schon so lange her, schon so lange, das alles…“ „Du hättest mir damals nicht folgen müssen!“ „Nein, aber ich wollte. Du weisst, es ist bei uns ähnlich, wie mit der Verbindung zu deiner Frau Orphiala, wir sind in gewisser Weise Eins.“ „Ich habe dich mit in dieses Elend gezogen Sunkma, es tut mir leid.“ „Es muss dir nicht leidtun, es war meine eigene Entscheidung. So wie sie auch andere der Erstlingstiere, getroffen haben.“ „Aber ihr seid unschuldig gewesen, ihr habt nicht versagt… so wie wir.“ „Das spielt keine Rolle, wir sind an euch gebunden. Du und die andern Indigenes, haben sich um uns gekümmert, als wir dort oben waren, nun kümmern wir uns um euch. Irgendjemand muss das alte Wissen doch noch bewahren und an euch vermitteln, falls ihr doch mal ganz vergesst.“ „Was, wenn du einst auch ganz vergisst?“ „Das weiss ich nicht, habe bisher noch nicht näher darüber nachgedacht. Ich denke nicht so viel nach wie du, zu viel nachdenken macht nur krank. Es ist, wie es ist und so wie es ist, akzeptiere ich es.“ „Das ist eben die Stärke der Tiere, eine Stärke, die uns wohl einfach oft fehlt.“ „Dafür habt ihr andere Fähigkeiten.“ „Was, wenn wir einst auch getrennt werden, vielleicht, wenn ich noch weiter stürze?“ „Das glaube ich nicht und wenn doch, dann werde ich dir als Schutzgeist zur Seite stehen mein Freund.“ „Als Schutzgeist?“ „Ja, ich werde dein Schutzgeist sein und dich wieder zurück ins Licht führen, sollte es mal so weit kommen. Aber ich glaube, wie gesagt, nicht daran. Ich denke, du wirst bestehen.“ „Das bezweifle ich manchmal ernsthaft. Das alles hier… es ist irgendwie doch eine Farce. Was soll das noch bringen? Die göttlichen Eltern, haben schon lange nicht mehr zu uns gesprochen. Auch unsere grossen Führer, Hanael und seine Gefährtin, haben uns verlassen. Sie waren noch die einzigen, die mit dem Göttlichen in direkter Verbindung standen. Doch sie haben auch aufgegeben und uns allein gelassen.“ Der Wolf sprach; „So ist das, manchmal scheitern auch die grössten Führer, damit gilt es zu leben. Du solltest dich niemals abhängig machen von einem Führer, du bist der Führer deiner eigenen Seele, niemand sonst. Die göttlichen Eltern, haben uns die Verantwortung für unser eigenes Leben, einst übergeben. Wir haben sie einfach immer gespürt, damals… ihr Licht war immer gegenwärtig. Seit wir hier sind, spüren wir sie viel weniger. Das macht es schwieriger… in Verbindung zu bleiben.“ „Geht es dir auch so?“ „Manchmal, doch ich habe die Hoffnung nie ganz verloren. Irgendwann kehren wir dorthin zurück. Davon bin ich überzeugt.“ „Das kann ich von mir leider nicht behaupten. So viele unseres Volkes sind krank geworden, viele leben ganz ohne Tierbegleiter, einige sogar ohne ihr Dual, dass entweder tiefer gefallen, oder droben geblieben ist. Nicht alle sind jenen gefolgt, die gestürzt sind. Nicht alle haben so viel Glück wie ich, noch immer das Dual an meiner Seite zu haben und sogar meinen Tiergefährten.“
„Darum ist es an dir, den anderen Trost zu spenden Orphiel! Willst du nicht wieder einmal ins Dorf gehen und nach dem Rechten sehen?“ Der junge Mann blickte nachdenklich über die Wipfel der hohen Bäume, als würden seine Augen das Dorf dahinter erblicken. Dann schaute er den Wolf an und erwiderte: „Ja, vielleicht sollte ich das wirklich mal wieder tun…“