Keiner der drei Jugendlichen war sich der fortgeschrittenen Uhrzeit bewusst. Ihnen musste zweifelsfrei aufgefallen sein, dass es draußen bereits dunkel wurde, denn nebst der Schreibtischlampe, schaltete Jona unlängst die große Zimmerbeleuchtung ein.
Seine Mundwinkel zuckten Schuld eingestehend, als er klein beigab, dass er sich im Augenblick sicherer fühle, wenn das Licht an sei.
Abwechselnd saßen sie wie gebannt vor dem Monitor des Laptops oder Ausdrucken und lasen einen Artikel nach dem nächsten. Studierten Bildaufnahmen wie Zeichnungen und recherchierten ihnen unbekannte Symbole. So manche waren ihrem Typus nach verständlich erklärt, andere wiederum nicht.
Abermals brummte es in Kathrins Schultasche, die sie bisweilen gekonnt ignorierten. »Nun geh schon endlich nachsehen, wer da so penetrant nervt.«
»Nicht jetzt.« Mit verzogener Stirn zeichnete sie einige Symbole auf einen bogen Papier ab. Aus welchem Grund sie nach Bleistift und Block griff, konnte sie nicht erklären. Irgendetwas in ihr war der Ansicht, es könne von Belang sein oder werden.
»Nun mach schon Kath. Mira hat nicht ganz unrecht. Vielleicht ist es ja wichtig.« Er sah dabei mit vorgeschobener Lippe zu seiner Armbanduhr und schluckte. »Scheiße. Schon so spät?«
»Mmh? Oje«, raunte nunmehr auch Mira.
Kathrin schnaufte genervt, als sie das immer noch vibrierende Handy in Händen hielt.
»Und?«
Sie verzog die Mundwinkel und verdrehte die Augen. »Ist nur Pa'.«
»Dann geh endlich ran, verflucht«, schimpfte ihre Freundin.
Ihre Stimme klang bereits vorab mehr als genervt und dies gab sie dem Anrufenden deutlich zu verstehen. »Was?!«
»Kathrin?«
Ihre Gesichtszüge veränderten sich. Die Angriffslust entwich ihren Zügen und machte Platz für Neugierde oder war es etwas anderes?
Im Hintergrund waren deutlich Klänge und Geräusche zu hören, die so gar nicht zu ihrem Vater passten - nicht einmal wenn er sich auf einer der Baustellen befand.
Lautstarkes klopfen, als würde mit einem Hammer gearbeitet. Hecktisch geführte Gespräche. Piepen und klicken, so als nutze jemand ein Mikrofon oder Walkitalki.
»Pa'? Pa', was ist da los?« Kathrin, eben noch die Genervte, klang hörbar besorgt. »Pa', wo bist Du, wo ist Mom?«
»Kathrin? Meine Güte warte eine Sekunde, ich versteh kaum etwas.«
Die Geräuschkulisse im Hintergrund nahm vernehmlich ab und nun war ein keuchen zu hören. War ihr Vater etwa gelaufen?
»So, nun müsste es besser sein. Kathrin, wo bist du?«
»Pa', was ist da bei dir los? Ich bin mit Mira bei Jona, warum?«
»Gut. Kath, pass auf.«
»Pa'?« Ihre Hand fing an zu zittern und ihre Lippen bibberten.
»Mach dir keine Sorgen. Mom und mir geht es Gut. Wir haben gerade mit Jonas Eltern gesprochen. Du wirst bei ihnen die Nacht verbringen, okay?«
Es war Mira, die stutzend die Brauen verzog und fragend zu ihrem Freund hinübersah. Ihr Mund formte dieselbe Frage, welche Jona im Kopf hatte. Warum ausgerechnet bei ... ihm?
»Übernachten? Bei Jona? Aber ...«
»Kath, bitte. Bei uns wurde eingebrochen ...«
»Pa'! Ich komme sofort nachhause«, beschloss Kathrin und sah flehend zu ihren Freunden auf.
»Nein!«, erklang die Stimme ihres Vaters ernergischer als notwendig. Wieder für ihn typischer und ruhiger fuhr er fort. »Das wirst du nicht. Die Polizei ist da, Spurensicherung und irgendwelche Gutachter. Sei so gut und bleib da, ja? Du kannst hier nicht helfen.«
»Was ist mit Mom?«
»Sie ist fertig und weint. Ein Arzt hat ihr ein Beruhigungsmittel gegeben. Es ist so weit alles in Ordnung.«
»Mit wem telefonieren sie«, erkundigt sich jemand grobschlächtig. Diese Person scheint keinerlei Einfühlungsvermögen zu besitzen und spricht sehr gelassen, so als würde jeden Tag eingebrochen. Vermutlich einer der Polizisten.
»Mit meiner Tochter. Worum geht's?«
»Sehen sie zu, dass sie zumindest für heute Nacht anderweitig unterkommt. Hier hat kein Kind etwas zu suchen.«
»Was glauben sie wohl, was ich gerade tue. Machen sie ihren Job, ich den Meinen.«
»Wir haben da was, dass sie sich anschauen sollten.«
»Kath, wir reden Morgen nochmal.«
Ohne weitere Erklärung und das Angesprochene Zeit bekam zu antworten, wurde das Telefonat beendet. Sie sah auf das Display und zwang einen bitteren Geschmack den Hals hinab.
»Süße, was war das?«
»Nun, wenn das nun schon beschlossene Sache ist, sollten wir die Pause nutzen und Bettzeug raussuchen.«
»Ich werde ...« Weiter kam Mira nicht, als die Drei einen Windhauch spürten und die hölzerne treppe, hinauf zu ihnen, knarzte.«
»Was haben sie gefunden?«
»Das sehen sie sich besser selber an. Ich geh recht der Annahme, dass sie nicht weiter im Haus waren, als sie den Einbruch realisierten?«
Angesprochener schüttelte bestätigend den Kopf. »Nein. Es sah erst alles wie immer aus. Meine Frau war es, die etwas bemerkte, das anders war.«
»Können sie das näher umschreiben?«
Er schnaubte belustigt, als er sich an ihre Marotte erinnerte. »Sie schaut stets zu allererst seitlich am Haus vorbei.«
Der Polizist blieb stehen und sah dem Hausbesitzer fragend in die Augen. Das Heben seiner Schultern verriet Kathrins Vater, dass er nicht verstand. »Das Zimmerfenster unserer Tochter befindet sich dort.«
»Ah, verstehe.«
Der Mann wies an ihm zu folgen und so betraten sie den Hausflur. Auf dem Korridor waren weitere in Overall gekleidete Personen, die Spuren auflisteten und fotografierten. Überall lagen nebst Glas- auch nicht vom Haus stammende Holzsplitter verteilt.
»Haben sie Kinder?«
Sie gingen an den Kollegen der Spurensicherung vorbei und hielten auf den hinteren seitlichen Gebäudeteil zu, welchen Kathrin ihr Refugium nannte. Würde man diesen Bereich mit einer Tür versehen, käme dies beinahe einer eigenen Wohnung gleich.
»Nein aber vielleicht können sie mir erklären, ob sich Kinder in der heutigen Zeit mit so etwas beschäftigen. Wen dem so ist, bin ich froh keine zu haben.«
Sie hielten und der Polizist deutete mit dem Daumen über seine Schulter hinweg. »Irgendjemand hat offensichtlich etwas gegen ihre Tochter oder ihrem treiben.«