»Jona, was war gestern Abend los?«
Verunsichert zuckte sein linker Mundwinkel. Lediglich Kath, die nun einmal auf seinem Bett hockte, bekam diese Gebärde mit. Sie sah auf und versuchte in dessen Augen nach etwas ganz bestimmten zu suchen.
Angesprochener druckste und es war mehr als offensichtlich, dass er nach Ausflüchten suchte. »Ihm ging es auch in der Schule nicht sonderlich, weswegen wir mit ihm nachhause geschickt wurden«, versuchte Mira die Situation zu retten. Jona hingegen nickte nur beipflichtend.
»Nicht gut? Junge, du hast deiner Ma' einen gehörigen Schrecken eingejagt. Sie glaubte bereits, du hättest dich von Mira getrennt und deswegen volllaufen lassen.«
»Pa', das ist absurd. Warum sollten ...«, er griff nach Miras Hand und drückte diese. »... wir uns trennen?«
»Wie auch immer Jona. Du lagst im Bad wie ein häufchen Elend und ich musste dich ins Bett tragen. Deine Ma' war kurz davor den Notarzt zu rufen.«
»Was hat sie abgehalten«, hauchte Mira kleinlaut, sichtlich erschreckt, wie ernst die Situation tatsächlich schien.
Jonas Vater nahm alle Drei in Augenschein, die Betrübtheit stand den Kindern ins Gesicht geschrieben und so nickte er zufrieden. Was auch immer es war, was auch immer sie womöglich ausprobiert haben, sie würden es nicht wieder tun.
»Er hat gemurmelt, wir sollen ihn gefälligst in ruhe schlafen lassen. Ich habe es als schlichte Erschöpfung abgetan, wodurch ...« Sein Kopf wippe von der einen zur anderen Seite und seine Atempause klang tadelnd. »... lassen wir dahingestellt ... okay?« Seine gehobenen Brauen sprachen Bände und duldeten keinerlei Widerstand.
Seine Rechte hob sich zeigend auf den Laptop und den wirr daliegenden Blättern. »Was habt ihr euch denn da für ein Projekt aufgehalst?«
»Was? Ach das«, winkte Kathrin ab. »Hausaufgaben.«
Der Blick von Jonas Vater huschte von dem Durcheinander abermals zu einem jeden dasitzenden. »Hausaufgaben oder Strafbüffeln?« Er neigte den Kopf und schülpte die Lippen. »Hm, das sieht auf seltsame Weise heidnisch aus.«
»Meinst du?«
»Klar. Diese Symbole. Würdest du ab und an ein paar Dokus schauen oder dich mit der Geschichte des Landes befassen ... wie dem auch sei, was ist die Aufgabenstellung?«
»Na, wir haben uns bereiterklärt eben etwas darüber auszuarbeiten«, begann Kathrin und Jona führte fort. »Pa', wir erkunden immer wieder das Umfeld und haben solche und ähnliche Kerben, in großen Findlingen gefunden. Mittlerweile finde ich das ... sozusagen spannend.«
Der einzig Erwachsene im Raum hob die linke Braue und sah hinüber zu Kathrin. »Mensch Kath, du hast einen bemerkenswerten Einfluss auf die Zwei. Schön zu sehen, dennoch ... es ist bereits spät. Macht nicht mehr so lange.«
Sie warteten und schauten gebannt auf den sich entfernenden. Erst als die hölzerne Stufe erneut knarzte, entwich Miras angehaltener Atem.
Jona sah auf. »Was ist?«, flüsterte dieser mit gerunzelter Stirn und erhoffte sich Unterstützung von Kath, die eigenartig besorgt zum Fenster stierte.
»Leute, in was für ein Schlamassel stecken wir da?«
»Was meinst du?«
»Überlegt doch mal. Heidnische Symbole und dieser gesamte kultische Kram, den wir seit Stunden lesen. Druidenzirkel, Opfergaben, Dämonen ... all dieses Zeugs macht mir Angst«, gestand sie ein und stand vermutlich nicht allein damit.
»Na, mir erst. Ich bin derjenige, der diesen Albtraum sieht. Du hörst gruseliges Gewimmer und Kath ...«, begann er, bemerkte sodann, das seine Freundin gedanklich nicht an Ort und Stelle verweilte. Seine Augen verrieten ihn.
Es war Mira, die vorsichtig ihre Hand auf eines ihrer Knie ablegte und sachte rüttelte. »Kath?« Ihre Stimme zitterte, als sie den Namen aussprach. Eine einzelne Träne rann dem Mädchen der Wange hinab und schimmerte verloren im Lichtschein der Schreibtischlampe. Sie sog die Nase hoch und sah beide an. »Was«, begann sie zu stottern. »Was, wenn es uns holen kommt?«
Bittere Galle sammelte sich unter Jonas Zunge, welche er schwermütig herabzwängte. Er deutete mit dem Kinn in Richtung der umliegenden Ausdrucke. Seine Stimme klang nicht im Ansatz so begeistert, wie er hoffte zu klingen. »Was auch immer es ist. Irgendjemand hat es schon einmal bezwungen.«
Miras Mundwinkel zuckten, ganz so, als wolle ihr Mund Worte formen, die ihr Kopf hingegen für sich behalten wollte und somit der Aussprache verweigerte.
»Vermutlich konnten diese Leute die Runen lesen und verstehen. Wir wissen doch überhaupt nicht, was sie bedeuten«, gestand Kathrin besorgt.
»Wir gehen morgen nach der Schule hin. Irgendetwas Wichtiges scheinen wir zu übersehen.«
»Du meinst zu diesem Brunnen. Bist du ...«
Er nickte und unterbrach seine Freundin. »Mmh, genau dorthin.« Abermals zeigte er auf die Papiere und dem Bericht. »Wenn wir etwas finden, dann vermutlich dort.«
Mira schnaubte, drückte Jonas Hand und senkte den Blick. »Kath, ich denke, Jona hat Recht. Wir müssen an den Ort, wo wir glauben, dass dieser ganze Mist seinen Ursprung hat. Wie auf diesem einen Bild da. Schau, es ähnelt dem Brunnen, findet ihr nicht.«