Zu viert standen sie da; Blickrichtung Trauerweide und besahen das Schauspiel, welches sich ihnen bot. Zweige und Äste, jene an sonnigen Tagen willkommenen Schatten spendeten, tanzten aufwühlend wie dünne Ähren. Wütend peitschten diese wie in einem Sturm zu allen Seiten.
Einzig die Bauarbeiter scheinen dieses Spektakel nicht mitzubekommen. Unbeirrt liefen sie hin und her.
»Er ist nicht stark genug. Sie können es weder sehen noch spüren.«
»Wer?«
»Sch Mädchen. Stell keine Fragen, derer Antwort du bereits kennst.«
Anstatt einer Erwiderung stand Kathrin da und schluckte schwer. Ein bitterer Geschmack belegte ihre Zunge. Der alte Indianer, sofern er denn einer war, hatte verdammt nochmal recht. Sie wusste, nein sie alle wussten, wen er meinte.
»Recht so. Behalte den Gedanken für dich, wenn du befürchtest, mit seinem Anrufen Unheil zu verkünden. Eben dass ist seine Gestalt. Angst, Chaos, Zerstörung, Zerfleischung und all jene Grausamkeiten, die für euer Erblicken nicht bestimmt sein sollen ... noch nicht.«
Nun war es an Jona, der sich von seiner Freundin löste, obgleich sie nach wie vor wie angewurzelt dastand und einen fiktiven Punkt der Weide stetig im Auge behielt. Tränen schimmerten darin und er glaubte etwas entdeckt zu haben, was er mit dem, was er sah, nicht übereinbrachte.
Er räusperte sich, um seiner Aufmerksamkeit gewiss zu sein. »Darf ich freiheraus reden?«
Der vermeintliche Ureinwohner sah ihn amüsiert an. Er wusste, dass es ansonsten nicht seiner Art entsprach, so zu sprechen. »So förmlich, Junge?« Sein Schmunzeln geriet ihm über beide Wangen und schien ihm, als glitzere etwas in dessen Augenwinkel. »Aber ja. Natürlich. Wer nicht fragt, der keine Auskünfte erfährt.«
Noch bevor Jona in der Lage war Töne über seine Lippen zu bringen, sprach der Mann bereits weiter. »Weil ihr die euren zunächst verdienen müsst. Wandelt man so lange wie ich, gewöhnt man sich daran, Dinge erst zu benennen, wenn es an der Zeit ist.«
Verduzt sahen Kathrin und Jona auf. »Das war doch deine Frage? Wieso ich euch nachdem anspreche, was die Natur euch vorgab?« Einzeln tippte er den Kindern auf die Schulter. »Junge, Mädchen, Mädchen.«
Jona nickte. Mit weit geöffneten Augen suchte er Kontakt zu seiner Freundin, die offenbar verstand.
»Ich bin älter als ihr vermuten würdet und nein, ich bin kein Ureinwohner dieses Winkels und kein Verdrängter aus irgendeinem Reservat. Meine Wurzeln liegen fernab dieses Landes, doch blieb ich, um zu wachen«, erklärte der offensichtlich Allwissende lachend, was die Zwei nur noch mehr verunsicherte.
»Lassen wir es dabei beruhen - Subalterne.« Mahnend hob er den Zeigefinger seiner linken Hand; seine Rechte umschloss einen marodiert aussehenden Schlüssel. Nicht größer als die Ausgestreckte eines Erwachsenden. »Es ist so weit, die Hörende aus ihrer Befangenheit zu befreien. Die Zeit ist nah und ihr müsst zuvor noch einiges Wissen ...«