»Ich liebe dich«, murmelte Noe und küsste Kyo sanft. Die Augen des Asiaten wurden heller und schmolzen zu einem leuchtenden Gold.
»Ich liebe dich«, erwiderte dieser.
Es war Kyos 17. Geburtstag und die beiden lagen in Noes Zimmer auf dem Bett und genossen es, dass sie das Haus für sich alleine hatten.
»Ich hab’ was für dich.« Mit einem Grinsen setzte der Blonde sich auf und griff nach dem Päckchen auf seinem Nachttisch.
»Mach es auf«, forderte Noe seinen Freund und reichte ihm das verpackte Geschenk.
»Oh mein Gott. Ich bin sprachlos...Ich...weiss nicht, was ich sagen soll«, stotterte der sonst so selbstbewusste Asiate.
»Wie wär’s mit Danke«, erwiderte Noe grinsend.
»Das ist...Wie viel hast du dafür hingeblättert?« Kyo schaute ihn ungläubig an.
»Das spielt keine Rolle.« Die Stimme des Blonden war sanft und beruhigend.
»Oh doch! So ein Ticket kostet über 80 Pfund.«
Noe schüttelte den Kopf und legte seinem Freund beruhigend zwei Hände auf die Schultern. »Du hast dir so sehr gewünscht an ein Konzert zu gehen und wir werden da zusammen hingehen. Alles klar?«
Kyo hatte den Mund offen stehen und nickte benebelt. »Danke.« Seine karamellfarbenen Augen wurden von schlechten Gefühlen überschattet und das gefiel Noe überhaupt nicht. Er wollte, dass sein Freund seinen Geburtstag geniessen konnte.
»Für dich immer.« Er beugte sich vor und küsste Kyo zärtlich auf die Lippen. Dieser seufzte auf und Noe wurde kalt und heiss zugleich. Der Dunkelhaarige intensivierte den Kuss und drängte seinen Freund nach hinten auf die Kissen.
Ihre Zungen berührten sich und Erregung durchschoss ihn wie einen elektrischen Schlag. Der Blonde zog seinem Freund das Shirt über den Kopf und fuhr begierig mit seinen Händen an dessen nackten Oberkörper entlang, währen dieser seine Lippen von den seines Freundes löste und sich von seinem Mund abwärts zum Schlüsselbein küsste.
Innerhalb weniger Sekunden lagen sie beide nur noch in Unterwäsche aufeinander und schauten sich keuchend an.
»Willst du das?« Kyos Augen glühten und sein Blick brannte sich in den von Noe.
»Ja«, antwortete der Jüngere und fuhr mit den Händen durch die dunklen Haare seines Freundes.
Der Rest der Kleider verschwand innerhalb weniger Sekunden und Kyo griff in seine Hosentasche und holte ein Kondom hervor. Er zog es sich mit zitternden Finger über und seine Nervosität stieg mit jeder Sekunde. Noe schaute über die Schulter zu seinem Freund und gab ihm mit einem Blick zu verstehen, dass er das wollte.
Als sein Freund in ihn eindrang, schoss ein leichter Schmerz durch sein Körper und er keuchte auf.
»Alles in Ordnung?«, fragte Kyo den Blonden besorgt. »Versuch dich zu entspannen.« Er versuchte sich den Rat zu Herzen zu nehmen, während der Ältere sich langsam zu bewegen begann. Seine Muskeln lockerten sich und schnell erhöhte der Dunkelhaarige den Rhythmus.
Ein Stöhnen drang über Noes Lippen und er spürte, wie er dem Höhepunkt immer näher kam. Er konnte hören, wie Kyos Atemzüge, genau wie seine Bewegungen, schneller und schneller wurden.
Mit einem lauten Schrei kamen sie beide gleichzeitig. Sie liessen sich zurück auf die Kissen sinken und genossen die letzten Momente ihres Orgasmus.
Noe drehte sich auf die Seite und schaute seinen Freund mit geröteten Wangen an.
»Das...das war wundervoll«, flüsterte er und seine Wangen wurden noch eine Spur dunkler.
»Ja das war es.« Kyo strich ihm eine Locke aus der Stirn und hauchte einen Kuss auf seine Lippen. »Das ist der allerschönste Geburtstag, den ich je hatte.«
»Schon?« Er hob verunsichert den Kopf.
»Es ist perfekt.« Der Dunkelhaarige verschränkte die Finger mit seinen und drückte seine Hand sanft. Er erwiderte den Druck und verlor sich in den karamellfarbenen Augen seines Freundes.
»Gute Nacht«, wisperte er Kyo zu und legte den Kopf auf seine Brust.
»Schlaf gut mein Engel«, erwiderte dieser und streichelte die blonden Locken seines Freundes.
Noe blinzelte um die Erinnerung verblassen zu lassen und um die aufsteigenden Tränen in seinen Augen zu verdrängen. Ständig wurde er von diesen wundervollen Momenten mit Kyo eingeholt, ohne etwas dagegen tun zu können.
Er war überall.
Wenn er in der Schule war, dachte er an ihre heimliche Küsse hinter der Turnhalle.
Im Zug dachte er an die Fahrt ans »The Script« Konzert, das er ihm zum Geburtstag geschenkt hatte.
In seinem Zimmer musste er an ihr erstes Mal denken. Wie wundervoll es mit ihm gewesen war und das unbeschreibliche Lächeln auf Kyos Gesicht, als er die Konzertkarten in den Händen gehalten hatte.
Kyo war überall und doch nicht hier.
Egal wie viele Therapiestunden er hinter sich gebracht hatte, es half nicht. An jedem Ort tauchten seine leuchtenden Augen und sein verschmitztes Lächeln auf. Sein Psychologe, Dr. Brick, hatte gemeint, dass er sich Zeit lassen müsse. Immer ein Schritt vor den anderen, wie ein kleines Kind, das laufen lernte.
Aber es hatte nicht funktioniert. Kyo wollte nicht verschwinden und nach drei Monaten hatte Dr. Brick einen Schluss gezogen.
Mit mitleidigem Blick hatte er ihn angesehen und gesagt: »Du musst ihn loslassen wollen. Ich weiss, dass das schwierig ist, aber ansonsten wirst du ihn nicht loslassen können.«
Da war Wut in ihm hoch gekocht. das war das erste Mal seit Kyos Tod, dass er durchdrehte. Vorher war er immer ruhig geblieben, hatte alles in sich hineingefressen, aber in diesem Moment brannte ihm eine Sicherung durch.
»Einen Scheissdreck wissen Sie. Haben Sie eine Ahnung, wie man sich fühlt, wenn man den Menschen verliert, der einem mehr bedeutet als alles andere? Na, wissen Sie das? Es fühlt sich beschiessen an. Es fühlt sich an, als ob die Welt über einem zusammenbricht. Du kriegst keine Luft mehr und du willst nicht mehr. Du weißt nicht mehr was du tun sollst. Dein Halt ist weg. Und Sie wollen mir sagen, dass Sie wissen wie das ist?« Er hatte fast schon geschrien und Dr. Brick war erschrocken auf seinem Stuhl zurückgewichen.
Der Psychologe hatte versucht ihn zu beruhigen, aber er war einfach aus dem Raum gestürmt und hatte das Gebäude verlassen.
Danach war er nie mehr zu Dr. Brick gegangen. Er hatte seinen Eltern erklärt, dass er das nicht mehr wollte und sie hatten ihn angeschaut, zum Telefon gegriffen und den Psychologen angerufen um ihm zu sagen, dass er nicht mehr kommen würde.
Aber tief im Inneren hatte er gewusst, dass Doktor Brick Recht hatte.
Er wollte Kyo nicht loslassen.
Aus Angst, dass, wenn er ihn losliess, er für immer verschwinden würde.
Er hatte Angst, dass die Erinnerungen, Gefühle und sein Freund für immer verschwinden würden, wenn er sich James zuwendete.
Sein Handy vibrierte und er checkte seine Nachrichten. Nuriel hatte ihn wieder mal vollgetextet.
»Lust auf Filmabend bei mir?«
Eigentlich war er nicht wirklich in Stimmung sich mit anderen Menschen zu umgeben. Seit dem Streit gestern mit seinen Geschwistern hatte er miese Laune.
»Komm schon! Nico und Katy kommen auch«, lautete ihre nächste Nachricht.
Immer noch zögerte er.
»Biiiiiiiiitteeeeeeee. Du kannst nicht wie der Grinch vor dich hin grummeln«, bettelte seine beste Freundin weiter.
Er wusste, dass sie keine Ruhe geben würde, bis er zusagte also schrieb er ihr, dass er um Sechs da sein würde.
»Du bist der beste Grinch der Welt.«
Noe liess sich kopfschüttelnd in sein Kissen zurücksinken und fragte sich, wie genau Nuriel und er beste Freunde werden konnte. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein.
Sie mit ihrem wilden Temperament, ihrer aufgestellten und fröhlichen Art. Er dagegen mit seinem sachlichen Verstand, seiner ruhigen und zurückhaltenden Art.
Mit einem Seufzer stand er auf und wälzte sich aus dem Bett. Er hatte sein Zimmer seit gestern Abend nicht mehr verlassen und stank wahrscheinlich zur Hölle.
Mittlerweile war es bereits zwei Uhr nachmittags und er vegetierte noch immer im Pyjama vor sich hin, weshalb er beschloss duschen zu gehen.
Nach der Dusche schaute er nach, ob James ihm etwas geschrieben hatte. Zwei neue Nachrichten von ihm.
»Hast du den neuen »Phantastische Tierwesen« Film schon gesehen?«
»Ps. Cliffhanger des Jahrtausends am Schluss.«
Noe grinste und tippte bereits seine Antwort, als er die Nachricht noch am Lesen war.
»Ja hab’ den Film im Kino geschaut. Es muss einfach einen Dritten Teil geben. Aber das ist einfach eine Wendung, die ich nie erwartet hätte.«
James antwortete innerhalb weniger Minuten.
»Ja es muss. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Aber es wird in J. K. Rowlings Büchern gar nie erwähnt, dass Dumbledore noch einen zweiten Bruder hatte.«
»Ja das ist schon ein rechter Schock, aber immerhin passiert in diesem Teil etwas. Der erste Teil hat so gut wie keinen Inhalt und keine Handlung. Der zweite ist viel spannender meiner Meinung nach«, erwiderte er.
»Da hast du recht. Aber trotzdem. Wie wollen sie das auf die Reihe kriegen«, überlegte James weiter.
»Das frage ich mich auch. Es sei denn natürlich Grindelwald hat Credence angelogen.«
Noe hatte sich das alles auch bereits gefragt, als er den Film vor einer Woche gesehen hatte. Wie wollten die Regisseure und Drehbuchautoren es sinnergebend darstellen, dass Dumbledore nie einen zweiten Bruder erwähnt hatte. Vor allem wieso bitte schön, war der Junge dann nach Amerika verschifft worden?
Er hatte das Gefühl, dass das noch ein richtig grosses Chaos geben würde, da die Autoren feststellen würden, dass es eben doch nicht aufging.
Die nächsten drei Stunden verbrachte Noe damit, halbherzig seine Hausaufgaben zu machen und mit James zu schreiben. Sie unterhielten sich sicher noch eine weitere halbe Stunde über den Film, wobei sie dann dazu übergingen die beste Darstellung von Johnny Depp rauszusuchen. James war der Meinung, dass er am besten war als Jack Sparrow in Fluch der Karibik, während Noe fand, dass er in Phantastische Tierwesen mindestens genauso gut war.
Auf alle Fälle waren sie sich einig, dass er einer der ausgezeichnetsten Schauspieler war, die es gab.
Mit Erschrecken sah Noe, dass es bereits nach fünf war. Er musste um Viertel nach auf den Bus, sonst würde er es nicht rechtzeitig zu Nuriel schaffen. Obwohl er es nur ungern tat, verabschiedete er sich von James. Als er den Deckel seines Laptops zuklappte, hatte er das Gefühl James von seinem Leben auszusperren.
Er nahm sein Handy und begab sich ins untere Stockwerk, wo seine Familie am Tisch sass und ein Spiel spielte.
»Ich gehe noch zu Nuriel. Ist das okay?«, fragte er seine Eltern.
»Klar. Übernachtest du bei ihr?« Seine Mum schaute ihn fragend an.
»Ich weiss noch nicht. Voraussichtlich nicht«, antwortete Noe. Kevin und Leia sassen nur schweigend da und lauschten dem Gespräch ohne ihn dabei anzusehen.
»Viel Spass. Bis später.« Sein Dad grinste ihn an und hob die beiden Daumen. Kopfschüttelnd verliess Noe das Wohnzimmer, wo seine Familie weiter Rummikub spielte.
Er zog sich seine dunkelblauen Chucks an, nahm sich seine Jeansjacke und stöpselte sich seine Kopfhörer in die Ohren. Auf Spotify suchte er sich seine Lieblingsplaylist raus und stellte das oberste Lied ein. Es war ein Tick von ihm. Die Playlist musste immer beim ersten Lied anfangen.
»California Stars« von Billy Bragg drang leise an sein Ohr und erfüllte ihn.
In diesem Moment verschwanden all seine Gedanken und er liess sich vollkommen auf das Lied ein.
Es erfüllte ihn von den Zehen bis zu den Haarspitzen und beruhigte seinen Herzschlag.