»Noe!«, rief Nuriel und fiel ihm grinsend in die Arme. Er stolperte mit ihr über die Hausschwelle, die Tür fiel hinter ihnen zu.
»Wir haben schon Popcorn und M&Ms bereitgestellt.« Sie nahm ihm die Jacke ab und hängte sie in der Garderobe auf, während er sich ins Wohnzimmer bewegte. Nico hatte sich aufs Sofa gefläzt, die Beine über die ganze Länge ausgestreckt.
»Wir haben Ghostbusters Eins und Zwei, Ziemlich Beste Freunde und Hangover alle drei Teile.« Nico deutete auf den riesigen DVD Stapel auf dem Couchtisch. Seine graue Jogginghose verschmolz fast mit der Couch. Aus der Küche war ein Rumpeln zu hören, dann ein geknurrtes »Shit«.
»Alles klar bei dir Katy?«, rief er vorsichtig in ihre Richtung.
»Jaaa...Scheisse... Die scheiss Popcorn sind nur so scheisse heiss«, antwortete sie, weiterer Lärm war zu hören.
Das fing ja schon mal gut an.
»Irgendwie hab’ ich das Gefühl, dass du dort drinnen mit einem Tyrannosaurus Rex kämpfst«, meinte Nico, der den Hals verrenkte um einen Blick in die Küche zu bekommen.
»Nur mit einem Velociraptor«, kam es zurück. Die beiden Jungs schauten sich schulterzuckend an.
»Statt hier nur blöd rumzustehen, könntet ihr Katy helfen.« Nuriel stand mit blitzenden Augen vor ihnen, die Hände in die Hüften gestemmt.
»Ich stehe nicht blöd rum«, erwiderte Nico. »Ich sitze blöd rum.« Sein Lächeln war träge.
»Ich schau’ mal nach ihr.« Noe hob kapitulierend die Hände, aber allen voran wollte er nicht ins Kreuzfeuer geraten, das gleich zwischen den beiden ausbrechen würde.
Er betrat die Küche ohne grosse Erwartungen.
»Hör auf zu grinsen oder du kriegst keine M&Ms«, zischte Katy. Sie sah wirklich aus, als hätte sie gerade einen Kampf ums Überleben gehabt mit einem T-Rex. Ihre Haare standen in alle Richtungen ab, als ob sie die Finger in eine Steckdose gehalten hätte. Ihre Wangen waren gerötet und ihre blauen Augen waren zu Schlitzen verzogen.
»Das würdest du nicht wagen!« Noe schaute sie geschockt an. Er liebte M&Ms über alles und das wusste sie genau.
»Meinst du?«
»Ich tue alles. Nur nimm mir meine M&Ms nicht weg«, bettelte er, die Augen gross und blau wie die eines Welpen.
»Hört ihr ihn?«, rief Katy ins Wohnzimmer.
»Erbärmlich, Noe«, meinte Nico zustimmend.
Er griff nach der Bratpfanne und schob sie von der Herdplatte. Das Popcorn ploppte noch weiter vor sich. Währenddessen griff er nach den M&Ms Packungen, riss sie auf und schüttete sie in eine riesige Schüssel.
Katy nahm den Deckel von der Pfanne, wobei ihre Finger diese natürlich streiften und sie sich verbrannte. Fluchend drehte sie den Wasserhahn auf und hielt ihre Finger und unter das eiskalte Wasser.
»Du bist echt tollpatschig«, kommentierte Noe kopfschüttelnd. Mit einer Hand griff er nach der Popcornschüssel und mit der anderen nach den M&Ms. Nico hatte sich mittlerweile aufgerichtet, als er das Wohnzimmer betrat, so dass Nuriel auch Platz hatte auf der Couch. Ich stellte das Futter auf den kleinen Glastisch vor ihnen. Sofort stürzten sie sich auf die Verpflegung wie hungrige Wölfe.
»Ähmmm...Alles klar bei euch?« Noe sah die beiden mit hochgezogenen Augenbrauen an, als er sich neben Nuriel setzte.
»Jep. Wieso?«, mampfte Nico.
»Ach einfach nur so«, erwiderte der Blonde sarkastisch. Katy kam ebenfalls aus der Küche, die Haare hatte sie wieder in Form gebracht.
»Also was wollen wir gucken?«, fragte er, als er sich eine Handvoll M&Ms aus der Schüssel nahm.
»Keine Ahnung. Hangover ist halt eher witzig, Ghostbuster zwar auch, aber ist schon älter und Ziemlich Beste Freunde geht schon wieder in Richtung traurig«, meinte Nuriel achselzuckend.
»Ich würde sagen wir fangen mit Ziemlich Beste Freunde an, und um uns danach aufzuheitern schauen wir danach Hangover«, schlug Katy vor und griff nach der DVD von Ziemlich Beste Freunde, als sie ihr alle zugestimmt hatten.
Noe genoss die nächsten vier Stunden absolut. Es tat gut einfach das Leben zu geniessen und Spass zu haben mit seinen besten Freunden. Nach den ersten zwei Filmen legten sie eine Pause ein und füllten ihre Essensvorräte auf.
Während Hangover zwei und drei lachten die vier Freunde sich kaputt und Noe verspürte ein seltsames Gefühl von Sehnsucht. Er hatte diese Momente mit ihnen mehr vermisst, als ihm bewusst gewesen war.
Während der Abspann des dritten Teils lief, gingen zuerst die Mädchen ins Bad, um sich abzuschminken und ihre Pyjamas anzuziehen. Danach besetzten Nico und er das Bad, wobei sie das Abschminken wegliessen.
Zu viert nisteten sie sich im Wohnzimmer ein. Der Fernseher wurde ausgeschaltet und Nuriel dimmte das Licht auf ein Minimum herunter.
»Ich habe dich schon lange nicht mehr so lächeln gesehen«, flüsterte sie ins Dunkle. »Bin froh, dass du noch da drin steckst.«
Er musste grinsen, zugleich überkam ihn ein trauriges Gefühl, dass er zu verdrängen versuchte.
»Also was läuft jetzt mit James?« Er konnte Katys Augen schelmisch glühen sehen.
»Nichts.«
»Bro, gib dir ein bisschen mehr Mühe, wenn du uns schon anlügst«, warf Nico mit einem Lachen ein.
»Nuriel was läuft bei dir und Kyle? Katy wie sieht’s bei dir und Matt aus und Nico, welche deiner Freundinnen ist gerade aktuell? Clara? Ginger? Maria? Oder doch wieder die gute alte Alice?« Noe drehte den Spiess um. Und seine Freunde fanden das nicht ganz so witzig.
»Leider ist Kyle eben nicht so drogenbrav wie seine kleine Schwester Katy, aber aufgeben will ich ihn trotzdem nicht«, antwortete Nuriel und er konnte spüren, wie sehr es sie nervte, dass sie nichts für Kyle tun konnte. Seit zwei Jahren kam er nicht von den Drogen los. Seine Eltern hatten bereits alles versucht, aber keine der Therapien hatte geholfen.
Und langsam waren alle am Ende mit ihren Nerven.
»Ich weiss Nuriel«, bemerkte Katy leise. »Ich wünschte, er würde endlich erkennen, was für ein Glück er mit dir hat. Matt hat bereits unser ganzes Leben geplant und das ist mir ehrlich gesagt ein wenig viel. Ich weiss noch nicht einmal was ich morgen machen werde, wie soll ich wissen, was ich in zehn Jahren tun will?«
»Ich denke, du solltest ihm sagen, dass es dir zu schnell geht«, riet Noe ihr vorsichtig.
»Ich weiss, aber ich habe Angst, dass er das so auffasst, als wolle ich keine Zukunft mit ihm.«
»Ich weiss Katy. Aber du darfst keine Angst haben ehrlich zu sein. Das ist in einer Beziehung wichtig.« Er suchte ihre Hand und verschränkte seine Finger mit ihren.
»Dieser Ratschlag ist echt toll. Den solltest du dir vielleicht auch mal zu Herzen nehmen«, meinte Nuriel zu Nico.
»Ihr seid solche Mi- miesen Gestalten«, knurrte dieser. »Ich lüge die Mädels ja gar nicht an. Ach und um deine Frage zu beantworten Noe, Alice.«
»Ach es ist immer wieder die gute alte Alice«, meinte Noe grinsend. Sein Lachen wurde jedoch von dem Kissen gedämpft, dass ihn voll im Gesicht traf.
»Wir haben deine Fragen beantwortet, jetzt bist du dran Süsser«, meinte Nuriel achselzuckend, als er das Kissen von seinem Gesicht schob.
»Ich mag ihn. So furchtbar, dass es fast schon wehtut. Er ist witzig, fürsorglich und einfach wundervoll. Wenn ich einen Tag lang in der Schule bin und nicht mit ihm schreiben kann, vermisse ich ihn bereits. Aber das ergibt keinen Sinn, weil wir uns noch nie gesehen haben. Ach keine Ahnung.« Die Worte flossen einfach aus ihm heraus, kaum hatte er angefangen zu reden.
»Liebe ergibt selten Sinn, Noe«, flüsterte Katy.
»Dich hat’s ja richtig erwischt, Junge. Du bist verliebt«, stellte Nico fest.
»Ich will aber nicht verliebt sein«, erwiderte er trotzig, wie ein kleines Kind.
»Ich weiss. Aber Liebe lässt sich nicht kontrollieren.« Nuriel hob den Kopf von ihrem Kissen und schaute ihn. »Man kann sich nicht aussuchen wer, wie, wann und wo.« Er hörte die Bitterkeit in ihrer Stimme.
»Ich kann das einfach nicht noch einmal. Es tut so weh. Verliebt sein, tut weh.« Seine Stimme brach.
»Da sagst du was wahres«, stimmte Nuriel ihm zu.