Everything is Awesome:
Kassie spürte, wie die Angst eisig kalt nach ihrem Herzen griff.
„Mortimer!“, schrie sie, so laut sie konnte. Noch einmal: „Mortimer! Luca!“
Es kam keine Antwort. Karo wich ihrem Blick aus, Blaze kaute auf seiner Unterlippe und überlegte offenbar, was nun zu tun sei.
„Wir müssen ihn finden!“, sagte Kassia, obwohl das offensichtlich war. Ohne Mortimer würde sie den Park nicht verlassen.
„Fahren wir zurück. Vielleicht finden wir ihn“, schlug Blaze vor. „Oder ich kann ein Signal seines Senders aufschnappen.“
„Zurück?“, fragte Karo und wurde blass. „Wo diese Dinger sind?“
Kassie zögerte. Eigentlich sollten sie sich nicht trennen, erst recht nicht in diesem Nebel, aber andererseits konnten sie sich nicht alle wieder in Gefahr begeben, nur um Luca zu retten. Ihr fiel etwas ein, dass Mira ihr einmal gesagt hatte, als sie Karo retten wollte: Es musste jemand übrig bleiben, der die Mission zu Ende führen konnte. Wenn einer starb, war das tragisch, aber wenn alle bei einer Rettungsmission drauf gingen, war alles verloren.
„Ich gehe“, entschied sie und sprach schnell weiter, denn Blaze würde protestieren wollen: „Ich suche Luca und dann laufen wir zum Ausgang. Wir treffen uns an diesem großen Platz wieder. Wenn wir nicht rechtzeitig kommen, dann verlasst ihr den Park.“
„Aber … wir können euch doch nicht hier lassen!“, rief Blaze aus.
„Ihr müsst die Tour vernichten“, sagte Kassie hart, um ihre Angst zu überspielen. „Außerdem passe ich schon auf.“
Damit drehte sie sich um und rannte los, sprintete in den Nebel, damit Blaze sie nicht aufhalten konnte. Die kalte Luft biss in ihre Lunge, doch Kassie wusste, dass es die beste Entscheidung war. Nun, vielleicht nicht die allerbeste. Die wäre wohl gewesen, sich nicht mehr in die Fänge von Ifrit und Asmodai zu begeben. Und die zweitbeste Entscheidung wäre vielleicht gewesen, sich mit Seilen aneinander zu binden. Die drittbeste Entscheidung, Mo einfach zu vergessen, statt die Mission jetzt auf die schmalen Schultern von Blaze zu legen.
Kassie wurde langsamer und sah sich um. Um sie her war nur der Nebel zu sehen. Das Klettergerüst, dass sie eigentlich hier erwartet hatte, was verschwunden.
Sie ging langsamer weiter und umklammerte dabei ihre Pistole. Sie lauschte, damit sie einen Angreifer hoffentlich hören konnte, bevor der sie entdeckte. Sie konnte kaum zwei Meter weit sehen und bekam das Gefühl, im Kreis zu laufen.
Da hörte sie Töne, den schnellen Rhythmus eines noch nicht verständlichen Liedes. Kassie lenkte ihre Schritte auf das Geräusch zu. Schnell wurde die Musik lauter. Es war unpassend fröhliche Musik, was Kassies Misstrauen erweckte.
Sie ging weiter und aus dem Nebel schälte sich ein schwarzes, rundes Ding, eine Art schwebender Korb etwa zwei Meter über dem Boden. Schwarze Partikel sprangen von dem Korb ab und tanzten um ihn herum.
Plötzlich merkte Kassie, dass die Oberfläche des Korbes sich bewegte – unzählige schwarze Spinnen, so groß wie ihre Hand, krabbelten über ein Geflecht schwarzer Stränge.
Sie bekam eine Gänsehaut und für einen Moment konnte sie nicht richtig atmen. Sie hasste Spinnen.
Eine Stimme erklang ganz in der Nähe. „Amelie? Ja, das ist meine Tochter, wieso?“
„Mama?“, fragte Kassie verwirrt.
„Nein, ich habe sie nicht gemocht. Ich wollte ja noch nicht einmal ein Kind. Und dann ausgerechnet … sie. Ich hätte lieber einen Sohn gehabt. Oder wenigstens ein intelligentes Kind.“
„Mutter?“, rief Kassie, dann blieb ihr das Wort im Hals stecken. Sie senkte die Waffe. Was war hier los?
Ein weiteres Geräusch verlangte ihre Aufmerksamkeit, ein mechanisches Knacken, das immer näher kam. Kassie wandte den Kopf und erstarrte. Aus dem Nebel über dem schwarzen Kokon kletterte eine riesige, schwarze Spinne, so groß wie Kankra aus den Herr der Ringe-Filmen, von der Kassie immer noch manchmal Alpträume hatte. Die Musik war verzerrt und schrill geworden.
Sie wich zurück, die Waffe war vergessen. Der Kokon pulsierte in der Luft, schwarze Partikel sprangen in alle Richtungen. Irgendwo redete ihre Mutter immer noch über Erfolge, die ihre fiktiven Kinder alle erzielt hätten und ausgerechnet Amy, das reale Kind, nicht.
Die Spinne streckte ein behaartes Bein nach Kassie aus und sie hörte ein Lachen, das hohe, schrille Lachen von Ifrit.
Sie hob die Waffe und schoss direkt in eines der acht Augen. Die Spinne fuhr nicht einmal zurück, der Schuss ging einfach durch sie hindurch. Kassie spürte, dass ihr Herz raste. Die Waffe fiel aus ihren zitternden Händen.
„Nein! Nein, bitte!“, flehte sie, stolperte und fiel. „Nein!“
Schwarze Wölfe waren aufgetaucht, dürre, struppige Tiere mit schmalen Fratzen und rot glühenden Augen. Die Spinne kam näher.
„Nein!“