Showdown:
Blaze wartete im weißen Nebel. Die Minuten krochen unendlich langsam über das Ziffernblatt seiner Uhr.
Wie der heulende Wind wurden die Stimmen mal lauter, mal leiser. Blaze erkannte die Stimmen. Das waren die Freunde, die er während der letzten Tour gefunden hatte. Sarah, Mona, Patrick und James. Sie riefen ihn.
Sie schreien vor Schmerzen.
Endlich war die Viertelstunde um. Blaze fasste die Steuerknüppel und der Enthinderer setzte sich mit einem Ruck in Bewegung. Blaze rollte über den unebenen Boden, durch den Nebel und auf den Platz vor dem Tor zu. Er durchquerte eine Gasse, die still und verlassen war. Seine sieben Hunde trotteten neben ihm her.
Es war ein seltsames Bündnis, das Blaze mit den Alpträumen geschlossen hatte. Sie befolgten jeden seiner Befehle, doch sollte er sich fürchten, würden sie ihn angreifen und zerfleischen.
Er kaute nervös auf seiner Unterlippe und bemühte sich, keine Angst zu empfinden – denn das wäre sein Todesurteil.
Er fuhr zusammen, als im Nebel vor ihm etwas krachte. Ein riesiger, schwarzer Fuß kam aus dem Himmel herab und traf kurz vor dem Enthinderer auf den Boden.
„Auf geht der Tanz!“, quiekte er und drückte die Knöpfe für Gas bis zum Anschlag.
Der Enthinderer schoss los und ein hohes, quälendes Brüllen erklang. Blaze raste blind durch den Nebel und vertraute auf sein Gedächtnis, um die richtige Gasse zu finden. Etwas Großes, Schweres und Schnelles nahm die Verfolgung auf, ein hohes Kreischen zitterte in Blaze' Ohren.
Er rollte in die richtige Gasse und schoss vorwärts. Die Gasse war menschenleer. Blaze sah sich um, ob er Mo und Kassie irgendwo entdeckte.
Ein Windzug an seinem Ohr. Irgendein Geschoss hatte ihn nur kurz verfehlt. Er warf einen Blick über die Schulter. Inzwischen hatte er die Gasse erreicht.
Hinter ihm war der Nebel zu einem weißen, wirbelnden Meer geworden. Verschwommen sah Blaze eine schwarze, riesige Gestalt, die ihm folgte, ebenso wabernd wie der Nebel selbst.
Er wandte sich nach vorne und starrte auf eine Wand, die wie aus dem Nichts aufgetaucht war. Offenbar ein niedrigeres Gebäude, das in der Gasse stand.
Gerade noch rechtzeitig konnte Blaze den Enthinderer zum Sprung bringen. Der Rollstuhl flog in die Luft, stieß mit einem Rad gegen den oberen Rand der Mauer und geriet ins Trudeln. Blaze klammerte sich an die Griffe, während die Welt vorbei tanzte.
Er wurde hin und her geworfen. Automatisch schlossen sich die gepolsterten Wände um ihn, als der Enthinderer in den Boden schlug und, nun als Kugel, darüber rollte. Blaze kämpfte darum, die Kontrolle zurück zu erlangen. Er hörte die schwarzen Wölfe bellen und knurren und biss die Zähne zusammen – keine Angst empfinden!
„Blaze!“, rief eine vertraute Stimme. Die Räder griffen in den Boden, mit quietschenden Reifen schoss der Enthinderer vorwärts. Hinter ihm brach die Mauer unter einem Schlag und ein schwarzes Bein schob sich in den Gang, gefolgt von einem massigen, tiefschwarzen Körper.
Die Räder rutschten auf dem nassen Boden, Blaze schlingerte und erhielt dann die Kontrolle zurück. Er schoss vorwärts, das Monster folgte. Die Räder des Enthinderers hüpften über unzählige Leichen auf dem Boden – Blaze sprang hinüber und wurde mit einem lauten Schmerzgeheul belohnt, als das Monster in ein quer gespanntes Seil rannte und das Seil tief in das schwarze Fleisch schnitt.
„Zugriff!“, heulte Mo aus einem Fenster und warf einen zweiten Seilwerfer. Das Seil entrollte sich wie ein Geschoss und versperrte den Weg hinter dem Monster.
Blaze drehte den Enthinderer so heftig, dass sich das Gefährt schräg stellte und einen Moment zu kippen drohte. Blaze fuhr die Waffen aus, während Kassie neben ihn gerannt kam, ihre Pistole in der Hand.
Sie feuerten und die Mündungsblitze durchschossen den Nebel. Schwarzer Rauch mischte sich in die weißen Wolken, das schwarze Ungeheuer brüllte.
„Vorwärts! Greift an!“, befahl Blaze seinen Wölfen, die gehorsam auf das Monster zu sprangen. Der Enthinderer bebte unter den Schüssen.
Das Ungeheuer bäumte sich auf, doch es konnte nicht entkommen. Mit lautem Gebrüll rollte Blaze vorwärts, über die Leichen von unzähligen grauen Clowns. Kassie feuerte langsamer als er, doch sie rückte tapfer mit.
Ein ohrenbetäubender Schrei übertönte die Schüsse, dann explodierte das Ungeheuer plötzlich in unzählige schwarze Fetzen. Es regnete eine dickflüssige, dunkle Flüssigkeit, die in großen Tropfen auf die Erde klatschte.
Blaze fuhr die Panzerfunktion des Enthinderers aus und Kassie ging hinter ihm in Deckung, bis der Regen vorbei war.
Der Nebel hatte sich verzogen, nur einige zerrissene Fetzen trieben noch über den Häusern dahin. Die schwarzen Hunde waren spurlos verschwunden, das Monster ebenfalls. Mo kam aus einem Fenster im ersten Stock gesprungen und sammelte seine Seilwerfer wieder ein. Kassie leerte das Magazin ihrer Pistole und stellte fest, dass sie kaum noch Munition hatte. Karo erschien auf zitternden Beinen am Ende der Gasse und taumelte zu ihnen.
„Ist es … tot?“
„So tot wie es nur geht“, meinte Mo und deutete zu den zahlreichen Pfützen schwarzen Schleims, die langsam im Boden versickerten.
Blaze rollte Richtung Ausgang, die anderen folgten. Karo zitterte, Kassie und Mo schritten Seite an Seite aus und hielten die Augen offen, doch im Park war Stille eingekehrt.
Nein, es war nicht vollkommen still – irgendwo zwitscherte ein Vogel.
Der Tor war diesmal offen, vielleicht, weil es für den Enthinderer sowieso kein Hindernis dargestellt hatte. Asmodai, Ifrit und Max lehnten mit verschränkten Armen neben einem schwarzen Kleinbus mit Totenkopf-Aufkleber und erwarteten sie.
„Verdammt. Sieht so aus, als hättest du gewonnen, Frischfleisch“, sagte Asmodai zu Max, als die vier aus dem Tor traten.
Max grinste. „Worum wetten wir beim nächsten Mal?“
„Um Seelen natürlich“, Asmodai stieß sich vom Wagen ab und kam auf sie zu, Ifrit und Max folgten.
„Tja“, sagte Blaze und verschränkte die Arme. „Das war alles?“
„Das war die zweite Station“, entgegnete Ifrit. „Bereit für Teil 3?“
„Aber sowas von!“, Mo lachte.
„Dann steigt ein“, knurrte Asmodai und deutete auf den Wagen. „Karo – du gehst nach vorne.“
Karo warf Blaze und seinen Freunden einen traurigen Blick zu und schlich dann zu Asmodai.
Blaze, Kassie und Mo kletterten hinten in den Wagen. Es gab keine Sitze, also machten Kassie und Mo es sich auf dem Boden gemütlich.
„Fast wie in alten Zeiten“, sagte Mo und seufzte nostalgisch.
Kassie war ernster. „Ich habe Angst davor, was sonst noch auf uns wartet“, gestand sie leise.
„Wir kümmern uns darum, wenn es so weit ist“, meinte Mortimer ruhig.
„Aber wir haben nichts mehr – keine Waffen jedenfalls. Ich habe noch zehn Schuss!“
„Egal“, meinte Mo. „Du weißt doch, Sam und die anderen sind unterwegs. Wir werden schon irgendwie aushalten.“
Kassie knabberte wenig überzeugt an einem Fingernagel. „Was macht dich da so sicher?“
„Ganz ehrlich? Ich bin mir nicht sicher“, sagte Mo. „Aber ich will nicht, dass Ifrit und so das mitbekommen.“
Sie sahen nach vorne, wo hinter einer Wand die Fahrerkabine war. In diesem Moment erbebte das Fahrzeug und der Kleinbus fuhr los.
„Also gut“, seufzte Kassie. „Wir packen das.“