Pakt:
„Es gibt keine Hoffnung“, erklang eine düstere Stimme, ehe Kassie eine Antwort von Elaine erhalten konnte.
Die Menge der im Raum Versammelten teilte sich erneut und gab den Blick auf eine zusammengekauerte, rothaarige Gestalt frei, die an der gegenüberliegenden Wand auf dem Boden saß.
Langsam hob die Gestalt den Blick und Kassie spürte, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief.
„Wer ist das?“, flüsterte jemand aus der Menge.
„Seit wann ist sie hier?“
Ifrit sah Kassie an, ohne aufzustehen. Ihre Augen wirkten blass, farblos. Das gelbe Glitzern war verschwunden.
„Was ist dieser Ort?“ Kassie machte einen mutigen Schritt auf die Dämonin zu.
Ifrit seufzte. „Hierhin kommen alle Opfer der Tour. Wenn alles vorbei ist, sammeln wir hier ihre Seelen ein.“
Verwirrtes Geflüster folgte vonseiten der Umstehenden, die Ifrit noch nicht oder nur als Samira Hain kannten. Ifrit ließ den Blick über die Menge schweifen, seufzte und plötzlich schien Licht ihr Haar hinabzufließen, als diese sich blond färbten und ihr Gesicht sich leicht veränderte.
„Samira Hain!“ Liam schnappte nach Luft.
„Ifrit van Nox – sie steckt hinter allem?“, staunte Lily.
„Offensichtlich ist es noch nicht vorbei“, sagte Elizabeth zu Ifrit.
„Im Gegenteil, alles ist vorbei!“, seufzte Ifrit. „Wir sind nur nicht dazu gekommen, die Seelen einzusammeln. Ach, es war alles anders geplant.“
„Wie schade“, zischte Karo feindselig.
„Heißt das, wir sind jetzt mit ihr zusammen hier für alle Ewigkeit eingesperrt?!“, hörte Kassie Fay flüstern.
„Nein“, mischte sich Elaine wieder ein. Sie trat vor Ifrit und zog die Dämonin am Kragen ihres Hemdes nach oben. „Es gibt einen Ausgang für dich und Asmodai, habe ich Recht? Du könntest von hier entkommen.“
„Ich könnte“, gab Ifrit zu. „Aber wozu?“
Kassie sah sich um und merkte, was fehlte. „Wo ist Asmodai?“, fragte sie laut. Und fügte leiser hinzu: „Und Blaze?“
„Die Wölfe!“, rief Elizabeth aus.
Ifrit nickte niedergeschlagen. „Die schwarzen Wölfe haben sie getötet. Brandon ist tot, wirklich tot. Ich kann ihn nicht retten.“
„Sie wurden direkt in die Hölle gebracht, nicht wie wir am Tor zur Unterwelt abgefangen“, führte Piek den Gedanken fort.
„Blaze ist in der Hölle?“, fragte Kassie entsetzt. Sie sah sich nochmals im Raum um, in der vergeblichen Hoffnung, dass der kleine Rollstuhlfahrer doch noch auftauchte. Doch alle anderen waren da – bis auf Blaze und Asmodai.
„Wenn du glaubst, dass es keine Hoffnung mehr gibt, kennst du die Wächter schlecht“, schnaubte Elizabeth hochmütig zu Ifrit. Sie drängte Elaine sanft zur Seite und baute sich vor Ifrit auf. Dann streckte sie eine Hand aus: „Ich schlage dir einen Handel vor!“
„Liz, nicht!“, warnte Elaine.
Ifrits Blick war spöttisch, ein hungriges Glitzern lag in ihrer Tiefe. „Du kannst mir nichts bieten, Elizabeth Leave. Deine Seele gehört mir bereits.“
„Und du wirst sie mir zurückgeben. Du wirst alle unsere Seelen freigeben.“
Ifrit hob ungläubig die Augenbrauen: „Wie bitte?“
„Du wirst uns frei lassen und uns helfen, aus dem Jenseits zu entkommen.“
Ifrit lachte trocken. „Du musst mich mit jemandem verwechseln, der Reue empfindet und plötzlich die Seiten wechselt.“
„Das sind meine Bedingungen“, fuhr Elizabeth unbeirrt fort. „Dafür retten wir Asmodai aus der Hölle.“
„Was?“, entfuhr es Ifrit ungläubig. Sogar ihre spöttische Fassade zerbröckelte.
„Ich bin den Selkern entkommen“, sagte Elizabeth selbstbewusst. „Ich habe mich Zeekaroth persönlich in den Weg gestellt. Ich kann bis in den finstersten Abgrund gehen und deinen Bruder retten.“
„Halbbruder“, stammelte Ifrit perplex.
„Und bei der Gelegenheit retten wir auch Blaze. Dann verlassen wir die Hölle und ihr beide seid frei, sowie alle Diener, die euch folgen wollen.“
„Lizzy …“ Sam machte einen vorsichtigen Schritt vor. „Anna wird das nicht gutheißen.“
„Anna ist mir egal.“ Elizabeth sah Ifrit an. „Was sagst du? Wir retten deinen Bruder und du kannst mit ihm und deinen Minions gehen, wohin du willst, ohne von uns verfolgt zu werden. Dafür lässt du die Opfer in diesem Raum frei.“
„Das … sind eine Menge Seelen, die mir entgehen“, murmelte Ifrit, aber ihr Widerspruch kam nicht von Herzen. Sie sah Elizabeth hoffnungsvoll an. „Schwörst du es? Schwörst du, dass du meinen Bruder rettest?“
„Lizzy, nein!“, sagte Elaine beschwörend.
„Kein Schwur“, sagte auch Sam. „Schwöre nichts, was du nicht zu 100% halten kannst.“
Elizabeth nickte fest. „Ich schwöre es dir.“
Ifrit ergriff Elizabeths Hand und drückte sie. Elizabeth fuhr zusammen, doch falls sie Schmerzen hatte, ließ sie sich nichts weiter anmerken.
„Was hast du getan?“, flüsterte Elaine ungläubig. Kassie sah zu Mo und erkannte, dass er den Ereignissen ebenso verwirrt und unsicher gegenüberstand wie sie selbst. Einen Pakt mit ihrem schlimmsten Feind abzuschließen, erschien ihr nicht wie der richtige Weg, aber hatten sie eine Wahl? Und überhaupt, Elizabeths Bedingungen – auf die Ifrit eingegangen war – haftete der Geruch von Freiheit an. Freiheit für sie, Mo und vor allem auch für Blaze, Karo, Evelyn, Liam und Milo!