Dunkelheit:
„Seht mal!“, rief Amy und deutete erfreut nach vorne: „Die Wüste endet.“
Liam hob müde den Blick. Tatsächlich ging vor ihnen der rote Wüstensand in schwarz verkohlte Berge über.
„Bis du sicher, dass es dort nicht noch heißer ist?“, stöhnte Luca.
Amy zögerte. „Vermutlich hast du recht“, gab sie resigniert zu.
„Ja, das sind die Ascheberge. Eine Gebirgskette voller aktiver Vulkane“, erklärte Samstag im Plauderton.
Die verschwitzte Gruppe stöhnte. Liam ließ sich auf den Boden fallen. „Vulkane? Und ich dachte, es kann nicht noch schlimmer kommen!“
Die Hitze des Bodens strahlte bereits durch seine Hose hindurch.
„Es gibt eine Alternative“, rief Ifrit zu ihnen herunter. Die rothaarige Dämonin stand auf einem Sandberg, umweht von dem heulenden Wind, ein ganzes Stück vor ihnen. Die Hitze schien ihr nichts auszumachen.
„Und das erwähnst du erst jetzt?“, brüllte Elizabeth zurück.
Mit federleichten Schritten kam Ifrit zu ihnen zurück. „Wusste nicht, dass euch die Hitze so zusetzt.“ Sie zuckte mit den Schultern. „Außerdem wird euch die Alternative auch nicht gefallen: Es sind Gänge unter der Erde. Ein Labyrinth. Aber es ist kühl.“
„Mir ist alles lieber als diese Hitze“, stöhnte Liam und spuckte Sand aus. „Wie kommen wir in dieses -“
Er sprach nicht zu Ende, denn plötzlich war es pechschwarz um ihn her. Entsetzt schrie er auf: „Eve! Milo! Amy! Luca!“
„Wir heißen jetzt Kassandra und Mortimer“, erklang Lucas Stimme nach bei seinem Ohr. Liam zuckte zusammen, als er eine Hand auf der Schulter spürte. „Luca, bist du das?“
„Mortimer“, sagte nun auch Sam mit strengem Unterton. „Gewöhn dich daran, ihre neuen Namen zu benutzen, Liam. Der echte Name kann unseren Feinden Macht über euch verleihen oder eure Familien in Gefahr bringen, er sollte so wenigen Personen wie möglich bekannt sein.“
„W-welche Feinde meint ihr?“, fragte Amy irgendwo weiter vorne.
„Dämonen wie Ifrit“, zählte Sam auf. „Hexen und Magier, und nicht zuletzt anderen Wächtern, die euch schaden wollen. Wir sollten auch neue Namen für eure Freunde finden, doch das ist etwas, was wir vielleicht besser in der Akademie machen.“
Liam ließ sich von Mortimer nach oben ziehen und klopfte sich Sand aus der Hose. Etwas weiter entfernt flackerte plötzlich Feuer auf, eine kleine Flamme, die aus der bloßen Hand von der blonden Elaine zu kommen schien. Liam starrte sie verwundert an.
„Wo sind wir?“, fragte Eve.
„In dem Labyrinth der Finsternis“, antwortete Ifrit, das bleiche Gesicht vom Fackelschein rot erleuchtet. „In diesem Land reicht ein unvorsichtiger Wunsch, um euch an den nächsten Ort zu bringen.“
„Wahres Phantasma“, murmelte Elizabeth und sah sich um. „Da hättest du vorher sagen können, Ifrit. Wir müssen vorsichtig sein, was wir uns wünschen. Woran wir denken. Das Beste ist es wohl, wenn wir uns aneinander binden oder festhalten, das kann verhindern, dass wir völlig zerstreut werden.“
„Zerstreut?“, piepste Liam. Er sah sich mutterseelenallein in dieser Finsternis, von seinen Freunden getrennt, ohne zu wissen, wie er wieder zu ihnen gelangen sollte.
„Es reicht auch, sich zu dem Rest der Gruppe zu wünschen“, zerstreute Ifrit seine Bedenken.
„Warum können wir uns dann nicht direkt zu Asmodai wünschen?“, knurrte Sam.
„Es ist niemals so einfach“, seufzte Elaine.
„Er ist außerhalb der Grenzen von diesem Teil der Hölle“, sagte Ifrit. „Und glaubt nicht, dass die Gesetze dieses Ortes zu unseren Gunsten wirken würden!“
„Als ob sie das jemals tun würden“, seufzte Elaine.
Liam starrte zuerst auf seine rot beleuchteten Finger, dann hilfesuchend zu Eve und Milo. „Bin ich denn der Einzige, der gleich ausflippt, weil wir plötzlich unter der Erde sind?!“
„Keine Sorge.“ Luca klopfte ihm auf die Schulter. „Im Grunde flippen wir alle aus, wir zeigen das nur anders.“
„Das ist ja mal beruhigend“, murmelte Eve.
Luca (oder eben Mortimer) legte einen Arm um Liams Schulter und boxte mit der freien Hand gegen Milos. „Kommt, Freunde! Wir trödeln besser nicht!“
„Weiß denn einer, wie es hier raus geht?“
Auf Eves Frage hin ließ Liam den Blick über Decke, Boden und Wände gleiten: Unbehauener, grauer Fels, durchzogen von Adern eines bräunlichen Minerals. Sie standen in einem annähernd runden Tunnel, der sich vorne, dort, wo der Fackelschein kaum noch hinreichte, gabelte.
„Wir finden schon einen Weg“, versuchte Mortimer, ihn zu beruhigen.
„Wir können uns ja hier raus wüschen“, murmelte der Junge, den Liam als Max vorgestellt bekommen hatte, hinter ihnen giftig.