Bankett:
„Wie genau sind wir nochmal hierher gekommen?“, fragte Elizabeth, die links von Kassie saß.
„Die Unterwelt verwirrt eure Sinne und Erinnerungen, das habe ich doch schon tausendmal gesagt“, stöhnte Ifrit auf der anderen Seite des Tisches, der unter dem Gewicht von zahlreichen köstlich duftenden Speisen ächzte.
„Kann mich nicht erinnern“, murmelte Elizabeth und Ifrit stöhnte abermals, diesmal etwas lauter.
Kassie sah die Schüsseln, Teller und Töpfe, Schalen und Platten und Kelche an, die aus edelsteinbesetzem Gold oder Kristall waren und überflossen mit glänzend roten Trauben, fettiger Soße oder süßen Teilchen. Das Licht und die Wärme stammten von riesigen, goldenen Kronleuchtern, die nah über den Tischen hingen und von denen das Wachs unzähliger Kerzen tropfte, nur um über den Speisen zu verpuffen wie Schnee über einer heißen Herdplatte.
Die unterschiedlichsten Gerüche füllten den Raum und hinter den Sitzenden liefen geschäftige Bedienstete in altertümlicher Kleidung einher, die Platten mit ganzen Schweinen, gebratenen Hühnerkeulen, Weinkelchen oder anderem Essen trugen.
Lautes Stimmengewirr und Lieder in einer Sprache, die Kassie nicht verstand, erklangen von allen Seiten, doch seltsamerweise lag alles, was jenseits von Kassies Freunden lag, in einem goldenen Schimmer, den sie nicht durchdringen konnte. Irgendwo herrschte auch Bewegung, fast, als hätte sich eine Gruppe um mehrere Kämpfende gesammelt, doch die Szene lag tief im Dunst verborgen.
Eve saß ihr gegenüber und häufte sich unzählige Früchte auf den Teller. Milo neben ihr knabberte an einem Hühnerschenkel, immer darauf bedacht, die Keule hinter dem Rücken verschwinden zu lassen, sobald Eve zu ihm sah.
„Wo sind wir?“, fragte Kassie.
„Geht das schon wieder los?“, fragte Asmodai genervt. „Walhalla.“
Er prostete ihr mit einem Trinkhorn zu. Karo saß neben ihm und drehte ein Messer in der Faust. Plötzlich machte sie eine schnelle Bewegung und wollte zustechen, aber Asmodai fing ihren Arm gelassen ab, ohne hinzusehen. Kassie entdeckte jedoch mehrere Schnitte in seinem weißen Hemd, dort, wo Karo eigentlich getroffen hätte.
„Au, mein Handgelenk!“, protestierte Karo.
„Wenn du doch einfach dazulernen könntest“, seufzte Asmodai und nahm ihr das Messer ab. „Wie kommst du eigentlich ständig an neues Besteck?!“
„Ihr seid nicht betroffen – ihr vergesst nicht!“, sagte Kassie zu den Nox-Halbgeschwistern.
„Schnellmerkerin“, grinste Ifrit.
„Sie wird immer besser“, meinte Asmodai schulterzuckend.
Kassie starrte die Dämonen an. Ihr erster Instinkt war, sie zu fragen, warum sie nicht ständig vergaßen, doch vermutlich lag es daran, dass Dämonen an diesem Ort sozusagen VIP's waren. Stattdessen fragte sie: „Wir kommen wir hier raus?“
„Willst du denn hier raus?“, fragte Blaze überrascht, der auf Kassies rechter Seite saß. „Guck doch, was es Leckeres zu essen gibt! Das hier ist das Paradies!“
Kassie überlegte einen Moment. Irgendwie war da was dran.
„Aber – wir müssen zurück zu unseren Eltern. Und zu den anderen Tourgästen“, widersprach sie dann. „Ich will nicht für alle Ewigkeit vergessen, wer ich bin. Vermisst du denn nicht deine Eltern?“
„Doch, ich -“, Blaze Augen wurden einen Moment glasig. „Ich vermisste sie sehr doll“, fügte er mit mechanischer Stimme hinzu, aber seine Stirn legte sich in Falten.
„Holt uns hier raus“, verlangte Kassie von den Nox-Geschwistern.
Ifrit tauschte einen Blick mit Asmodai. „Da! Das haben wir davon, dass sie immer besser wird.“
„Mal sehen, was sich einrichten lässt – Karo!“ Asmodai fing einen Suppenlöffel aus der Luft ab, der auf seine Stirn gezielt hatte.
„Wo sind wir?“, fragte Elizabeth links von Kassie.
„Wenn ich mich so umsehe, würde ich auf Walhalla tippen“, antwortete Elaine.
„Wie genau sind wir nochmal hierher gekommen?“
Ifrit warf Asmodai einen flehentlichen Blick zu. „Lass uns verschwinden. Ich halte das nicht mehr lange aus.“
Asmodai seufzte. „Ist gut.“
Er hob eine Hand und schnipste.
Schlagartig wurde es still, düster und kalt.