Wieder in der U-Bahn: Ein Mann lehnte gegen einer Wand und las ein Buch. Eine ältere Dame mit Fahrrad stieg ein, hatte zerzauste Haare, bunt gemixte Klamotten und einen knallroten Helm auf dem Kopf. Wie aus dem Nichts kam plötzlich von ihr: "Die Menschen, die noch richtige Bücher lesen, sind ja sowieso die schlausten." Der Mann schaute auf, widmete sich aber gleich danach wieder seinem spannenden, schlaumachenden Buch. "Ich habe ja früher auch viel gelesen. Ja und wie viel ich gelesen habe. Ich war eine richtige... richtige Lese... ja wie heißt das denn nochmal?" "Leseratte?", erwiderte der schlaue Buchleser. "Ja genau, und was für eine Leseratte ich war, eine richtig schlimme. Das können Sie sich gar nicht vorstellen." Das konnte der Buchleser wohl wirklich nicht, denn er wendete sich prompt wieder seiner spannenden Story zu. Die alte Frau scheint sich damit aber nicht zufrieden zu geben. Sie hat schließlich die Geschichte noch gar nicht zu Ende erzählt: "Ich habe ja früher auch noch in altdeutscher Schrift gelesen. Allerdings nicht die Schreibschrift, die war ja kaum zu lesen. Nein, ich habe nur die Druckschrift noch gelesen. Und das war so schön. Meine Uroma, ja die hat sogar noch in Altdeutsch geschrieben. Ja, ja, das können Sie mir glauben." Der nun doch etwas genervte Mann packte jetzt sein Buch weg, es brachte ja doch nichts mehr. Völlig begeistert darüber fuhr die Dame fort: "Den Simplicissimus hat sie gelesen, meine Uroma. Und ich später auch. Das war schon spannend, das glaubt man ja gar nicht." "Oh ja, den Simplicissimus kenne ich auch.", sagte der Mann noch, ehe er schließlich ohne ein weiteres Wort ausstieg.