"Mama, Mama! Guck mal!", ruft ein blonder, etwa vierjähriger Junge ganz aufgeregt. Die Mutter jedoch schaut nicht einmal von ihrem Handy hoch. Ihre Kopfhörer stecken tief in ihren Ohren. Ihr Sohn turnt um die Stange in der U-Bahn herum. Er muss sich auf ihre Oberschenkel schmeißen, damit der kleine Junge wenigstens in ihr Blickfeld gelangt. Ohne weiterhin von ihrem Handy aufzuschauen, versucht sie ihrem Kind klarzumachen, dass man in der U-Bahn nicht rumturne. Natürlich hat er nicht gehört und ist weiter rumgerannt. Glücklicher Weise ist ihm nichts passiert. Ihm ist nur Achtlosigkeit widerfahren.
"Guck mal, was ich kann! Hast du das gesehen?"
"Ja, mein Schatz." - Hätte die Tochter gefragt, ob ihre Mutter sagen könne, was sie gerade gemacht hatte, hätte sie keine Antwort bekommen. Das Mädchen spielt lieber mit ihrer jüngeren Schwester, die noch im Kinderwagen liegt und zufrieden lächelt. "Mama, kann ich ihr das Fläschchen geben?"
"Warte mal, Spatz. Du siehst doch, dass ich hier gerade beschäftigt bin." Wie wild tippt die Mutter auf ihrem Handy herum, lehnt dabei lässig in der Ecke der Sitzbank, schenkt weder dem einen noch dem anderen Kind die Aufmerksamkeit.
"Jonas, willst du was trinken? Jonas!" Jonas hört nicht. Mit all seinen Sinnen ist er fixiert auf die Bilder und Geräusche des neumodischen Geräts in seiner Hand. Frei heraus tippt der kleine Junge auf dem Display herum, während er unruhig in seinem Kinderwagen hin und her wippt. Er bekommt nichts mehr mit. Nicht mal, als ein Musiker-Duo die U-Bahn betritt und den D-Dur Kanon von Pachelbel auf der Violine zum Besten gibt, schaut der kleine Junge auf. Nicht mal da. Er reagiert nicht auf seine Mutter, nicht auf Musik, nicht auf einen Hund, der schwanzwedelnd vor ihm rumtappelt. Sein Fokus liegt auf dem neuen Kommunikationsmittel. Die Stimme scheint dabei keine Rolle mehr zu spielen.