Der Orang Pendek (dt: "Kurzer Wildmensch"), ist ein erstmals 1292 durch Marco Polo erwähntes Fabelwesen aus der Gruppe der Hominoiden. Als Synonym wird der Baututu aus Borneo geführt, bei dem es sich aller Wahrscheinlichkeit um dieselbe Spezies handelt, allerdings scheint es zwischen den Population Sumatras und Borneos kleinere Unterschiede zu geben.
Merkmale
Das auffallendste Merkmal am Orang Pendek sind seine lebendigen und braunen Augen. Sowie das lange, bis an die Hüften reichende, Kopfhaar. Sein Körperbau wird als eine Mischung aus Orang-Utan (Pongo) und Gibbon (Hylobatidae) beschrieben, beide Affengruppen besitzen proportional zur Körpergröße lange Arme, es gibt gleichermaßen Berichte über Orang Pendek mit eben solchen Armen und Orang Pendek mit Armen, welche dem Menschen ähneln. In diesem Teil der Beschreibung sind sich Orang Pendek und Baututu gleich. Sie unterscheiden sich aber in ihren Füßen. Die Füße des Baututu seien meist dreieckig, etwa 15 Zentimeter lang und 10 Zentimeter breit. Im Gegensatz zum Menschen sollen die großen Zehen außen liegen. Sie lassen sich leicht von der Spur eines Orang-Utans oder dem eines Malaienbärs (meist Helarctos malayanus, manchmal Ursus malayanus), die Spur besitzt Krallenabdrücke, leicht unterscheiden. Nach Deborah Martyr (siehe unten) sind die Fußabdrücke des Orang Pendek und des Baututu zu verschieden, als dass sie einer einzigen Art angehören könnten. Ggf. handelt es sich daher um zwei sehr ähnliche Arten, wie beim Borneo-Orang-Utan (Pongo pygmaeus) und dem Sumatra-Orang-Utan (Pongo abelii).
Orang Pendek erreicht eine Größe von 80 bis 150 Zentimern.
Vorkommen
Der Orang Pendek besiedelt die Regenwälder und Bergrengwälder Sumatras, während der Baututu die Regenwälder Borneos belebt. Der Orang Pendek wird größtenteils innerhalb der Kerinci-Regentschaft in Zentral-Sumatra und insbesondere innerhalb der Grenzen des Kerinci-Seblat-Nationalparks ((Taman Nasional Kerinci) statt Seblat oder TNKS) gesichtet. Der Park, 2° südlich des Äquators, liegt innerhalb der Bukit Barisan-Bergkette und verfügt über einige der abgelegensten Primärregenwälder der Welt. Zu den Lebensraumtypen im Park gehören Tiefland-Dipterocarp-Regenwald, Bergwälder und vulkanische Alpenformationen auf dem Berg Kerinci, dem zweithöchsten Gipfel Indonesiens.
Lebensweise
Ernährung
Der Orang Pendek wurde bisher dabei beobachtet, wie er in Plantagen nach Früchten und Zuckerrohr suchte, Insekten aus verdorrtem Holz pulte und Fischreusen plünderte. Generell, so die Einheimischen, bevorzugen Orang Pendek Fisch als Kost am meisten. Beim Baututu ist es ähnlich, er soll aber Wasserschnecken den Vorzug geben.
Beim Hantu Pendek, bei dem es sich aller Wahrscheinlichkeit ebenfalls um eine Orang Pendek Population handelt, stehen Yams Wurzeln im Vorzug. Diese Kreaturen erbeuten, mit kleinen Steinäxten aber auch Tiere und töten ggf. auch Menschen.
Verhalten
Der Orang Pendek soll in kleinen Gruppen oder einzeln erscheinen. Er ist relativ scheu und versucht, sich zu verbergen. Möglicherweise nutzt er auch Pflanzenteile, um sich hinter diesen bestmöglich zu verstecken. Er soll hauptsächlich nachtaktiv sein und rasch fortbewegen.
Muss ein Orang Pendek flüchten, tut er dies nicht wie ein Orang-Utan, indem er in die Bäume flüchtet, der Orang Pendek eilt schnellen Schrittes am Boden in sichere Deckung.
Kulturelle Bedeutung
Sichtungen
Als erster Europäer konnte der Siedler van Herwaarden im Jahre 1923 von einer Begegnung mit einem Orang Pendek berichten. Er befand sich auf Wildschweinjagd, als er zufällig ein haariges Wesen auf einem Baum sitzen sah. Für einen Moment trafen sich die Blicke des großen und des kleinen Menschen. "Seine Augen waren sehr dunkel und äußerst lebendig, sie sahen aus wie menschliche Augen", berichtete später van Herwaarden. Die Kreatur flüchtete rasch in den Wald. Der Jäger zögerte, zu schießen. "Als ich die wehenden Haare sah, da konnte ich einfach nicht abdrücken. Mir war, als würde ich einen Mord begehen." Zudem sollen wehleidig klingende Laute vom Orang Pendek ausgegangen sein.
John McKinnon, ein britischer Zoologe, welcher über zehn Jahre lang Orang-Utans auf Borneo erforscht hat, stieß im Wald auf Spuren, die ihn nach eigener Aussage verwirrten: "Ich kniete hin, um sie mir genauer anzuschauen. Sie ähnelten denen eines Menschen, aber stammten eindeutig von einem anderen Wesen. Mir lief es eiskalt über den Rücken. Die Fährte war dreieckig, ungefähr 15 Zentimeter lang und 10 Zentimeter breit. Die Zehen und die wohlgeformte Ferse sahen sehr menschlich aus, doch war die Fußsohle zu kurz und zu breit – und der große Zeh saß auf der Außenseite des Fußes." Er skizzierte die Fußabdrücke an vor Ort und begab sich dann wieder ins Camp. Dort angekommen, präsentierte er den einheimischen Mitarbeitern die Zeichnung. Ohne lang überlegen zu müssen, konnten diese die Spuren dem Baututu zu ordnen.
Deborah Martyr, eine englische Jornalistin, hat sich mit den Orang Pendeks auf Sumatra näher beschäftigt. 1995 suchte sie im Kerinci-Seblat-Nationalpark nach unbekannten Tieren. Nachts wurden regelmäßig um das Camp Fischreusen geplündert und im Verlauf der Expedition kam es auch zu verschwundener Nahrung. Immer wieder wurde der Dieb für ein paar Sekunden gesichtet, ebenfalls wurden Fußspuren gefunden, die auf mindestens vier Individuen zurückzuführen gewesen sind. Deborah Martyr befragte später Einheimische, sammelt Augenzeugenberichte und Spuren im Urwaldboden auf. Aufgrund der vielen Sichtungen während der Expedition konnte sie sich ein ungefähres Bild vom Orang Pendek machen. Dabei glich sie mit anderen Augenzeugen ihre Beobachtungen ab. Es ist äußerst bemerkenswert, dass die Einheimischen über Hunderte von Kilometern hinweg das gleiche Tier beschrieben und es als den Orang Pendek des Phantombildes erkannt haben. Eine Absprache aufgrund der extrem abgelegenen und technisch weit zurückliegenden Gebiete ist auszuschließen. Deborah Martyr stellte außerdem fest, dass das Überleben der Art wegen der massiven Zerstörung ihres Lebensraumes wahrscheinlich stark gefährdet sei. Dafür spricht jedenfalls die große Abnahme von Sichtungen innerhalb der letzten fünfzig Jahre.
Die Expedition unter Deborah Martyr förderte unzählige Fußabdrücke und Haarbüschel zutage, die keiner bisher bekannten Art zugeordnet werden konnten.
Im Laufe der Expedition wurde auch die restliche Tierwelt Sumatras genauer erforscht; u.a. wurden 48 Vogelarten neu entdeckt. Obendrein wurde der Riesenpitta (Hydrornis caeruleus) wiederentdeckt, der auf Sumatra das letzte Mal vor über hundert Jahren gesichtet worden war.
Die Suku Anak Dalam ("Kinder des Inneren Waldes"), auch bekannt als Orang Kubu, Orang Batin Simbilan oder Orang Rimba, sind Gruppen nomadischer Menschen, die traditionell in den Tieflandwäldern von Jambi und Süd-Sumatra gelebt haben. Ihren Legenden zufolge ist Orang Pendek seit Jahrhunderten ein Teil ihrer Welt und Mitbewohner des Waldes.
In Bukit Duabelas sprechen die Orang Rimba von einer Kreatur namens "Hantu Pendek", deren Beschreibung der von Orang Pendek sehr ähnlich ist. Hantu Pendek wird hier jedoch eher als übernatürliches Wesen oder Dämon denn als Tier angesehen. Der Name bedeutet so viel wie "Kurzer Geist". Nach Angaben der Orang Rimba reisen die Hantu Pendek in Gruppen von fünf oder sechs Personen, ernähren sich von wilden Yamswurzeln und jagen Tiere mit kleinen Äxten. Berichten zufolge überfällt die Kreatur unglückliche Orang-Rimba-Jäger, die allein im Wald unterwegs sind. Entlang des Makekal-Flusses am westlichen Rand von Bukit Duabelas erzählen die Menschen eine Legende darüber, wie ihre Vorfahren diese listigen, aber schwachsinnigen Kreaturen während eines Jagdausflugs überlisteten, und die Geschichte wird oft verwendet, um mit ihrem Intellekt und ihrer Vernunft zu prahlen.
Wissenschaftliche Erklärungsversuche
Einige der Sichtungen des Orang Pendek gehen mit annähernder Sicherheit auf Verwechslungen mit Orang-Utans zurück. Doch nicht alle Sichtungen lassen sich so einfach erklären, weshalb angenommen wird, dass entweder eine unbekannte Affenart oder eine unbekannte Menschenart in den Wäldern Sumatras und Borneos haust.
Taxonomische Stellung
Der Orang Pendek ist Gegenstand der Kryptozoologie. Damit lässt er sich taxonomisch leichter einordnen, als klassische Fabelwesen. Aufgrund seiner beschriebenen Merkmale ist der Orang Pendek sehr wahrscheinlich ein Menschenaffe (Hominidae) und ist entweder der Gattung der Orang-Utans (Pongo) oder der Menschen (Homo) zuzuordnen.
Möglicherweise gehört der Orang Pendek zur näheren Verwandtschaft der Ebu Gogo, einem mythischen Wesen, welches ebenfalls kleinwüchsig ist und auf Flores bis ins 19. Jahrhundert existiert haben soll.
Nachweise
- Corinna Harder, Jens Schumacher: Nessie, Yeti & Co. Geheimnisvollen Wesen auf der Spur Gebundenes Buch, 15. Juni 2006, ISBN-13: 978-3491420458 S. 14
- In Search of Orang Pendek http://www.orangpendek.org Abgerufen am 24.10.2023
- Manfred Reitz: Rätseltiere: Krypto-Zoologie - Mythen, Spuren und Beweise Taschenbuch, 1. Januar 2005, ISBN-13: 978-3777613581 S. 111 - 114.
- Sager, Steven (2008). The Sky is our Roof, the Earth our Floor: Orang Rimba Customs and Religion in the Bukit Duabelas Region of Jambi, Sumatra https://openresearch-repository.anu.edu.au/handle/1885/49351 Abgerufen am 25.10.2023
- Smith, Charles A. (1924-11-09). "Reported Find of Missing Link Will Be Probed". Nevada State Journal
- Richard Freeman: In Search of Orang Pendek. In: http://www.forteantimes.com/. April 2004, archiviert vom Original; https://web.archive.org/web/20071013172323/http://www.forteantimes.com/features/articles/159/in_search_of_orangpendek.html Abgerufen am 24.10.2023