Obwohl Alriin und Ema wirklich ihr Bestes gaben, verstarb der Patient noch am selben Tag. An sich war dieser Ausgang absehbar gewesen, doch das machte die Angelegenheit natürlich nicht besser.
Alriin ließ sich auf den Stuhl ihres Schreibtisch, der sich in ihrem provisorischen Büro befand, fallen und lehnte sich zurück. Obwohl sie noch immer ihren gewohnt-grimmigen Ausdruck bewahrte, konnte sie die Erschöpfung und den Frust nicht vollkommen verbergen.
Yu stützte sich mit dem Rücken an einem der massiven Holzschränke ab – Alriin hatte den einzigen Stuhl besetzt – und beobachtete die Ärztin mit gemischten Gefühlen.
Diese seufzt schwermütig und schüttelte den Kopf.
„...Das war schon der fünfte Tote innerhalb der letzten beiden Wochen. Egal, wie sehr wir uns bemühen oder welche Maßnahmen wir ergreifen – es ist zwecklos.“
Yu verschränkte seine Arme hinter seinem Rücken und ließ seinen Blick nachdenklich zur Decke schweifen.
Ja, natürlich war es zwecklos; diese 'Krankheit' hatte eine ganz andere Ursache als jene, mit denen Ärzte und Heiler normalerweise konfrontiert wurden, wurde nicht von Bakterien, Viren oder Parasiten ausgelöst...
Aber das einzige, dessen sich Yu momentan sicher sein konnte; alles andere war noch Spekulation.
Nach kurzem Schweigen schaute er wieder zu Alriin.
„Auch wenn vieles noch im Dunklen liegt, so haben Sie doch gewiss eine Vermutung bezüglich des Krankheitserregers, oder irre ich mich da?“
Die Ärztin zuckte die Schultern.
„Ich spekuliere nicht gerne, aber ja, ich habe mir selbstverständlich so meine Gedanken gemacht...“
Alriin deutete auf das Mikroskop, welches auf einem der Tische stand.
„Wir haben das Sekret, welches aus den Geschwülsten ausgetreten ist, bereits eingehend untersucht und haben festgestellt, dass es frei von Bakterien zu sein scheint – zumindest konnten wir selbst bei der größten Vergrößerung keinen einzigen Keim entdecken, was uns doch ziemlich überrascht hat. Einer meiner Assistenten hat daraufhin eine Versuchsreihe gestartet, bei der er festgestellt hat, dass dieses Sekret antibakteriell zu sein scheint; selbst im stark verdünnten Zustand wurden alle aufgetragenen, sichtbaren Keime zerstört.“
Yu runzelte die Stirn; das hätte er nun wirklich nicht erwartet. Diese Eiter-ähnliche Substanz soll bakterizide Wirkungen haben?
„...Welchen Effekt hat das Sekret auf höhere Organismen?“, fragte er mit unverhohlener Neugier.
Alriin zuckte die Schultern.
„Wir hatten noch keine Gelegenheit, dies auszutesten. Aber freu' dich nicht zu früh – ich wage es stark zu bezweifeln, dass dieser Eiter ein Allheilmittel darstellt. Wenn dem so wäre, würden wir uns kaum in dieser Situation befinden, oder?“
Das war ein fairer Einwand, aber eigentlich hatte Yu dies auch gar nicht im Sinn gehabt.
„Demnach ist es ihnen bisher gelungen, direkten Kontakt mit der Flüssigkeit zu vermeiden?“
Alriin schnaubte.
„Selbstverständlich, wir sind doch keine Amateure! Und wo wir gerade dabei sind: Der genaue Übertragungsweg, Inkubationszeit und Infektiösität sind uns ebenfalls aktuell noch unbekannt, wobei zweitere auf eine Spanne von zwei bis vier Wochen angenommen werden kann. Allerdings schließen wir aus, dass eine Ansteckung über die Luft oder durch Körperkontakt möglich ist, denn ansonsten wäre die Inzidenz sehr viel höher, zumal auch mein Personal und ich bisher nicht erkrankt sind. Wenn eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung möglich ist, dann über Körperflüssigkeiten; offen gestanden wissen wir nicht, wie genau die hiesigen Patienten die Infektion erworben haben könnten...“
Yu nickte langsam.
Schweiß, welcher im Stadium der totalen Verhornung sowieso nicht mehr sezerniert werden konnte, und Speichel waren eher auszuschließen, also wahrscheinlich primär über Blut, Samenflüssigkeiten oder – was am wahrscheinlichsten war - diesen seltsamen Eiter... Falls eine derartige Ansteckung möglich war.
Yu fragte sich, ob welchem Stadium die Patienten überhaupt infektiös waren. Da er ohnehin keine Antwort erhalten würde, behielt er diese Überlegung für sich.
Nachdem der Student nichts darauf erwiderte, sprach Alriin weiter.
„Selbstverständlich würden wir das Sekret gerne genauer analysieren, doch dazu besitzen wir nicht die passende Ausstattung. Wie dem auch sei, ich glaube, dass es sich bei diesem Erreger um ein Virus handelt; die Abwesenheit sichtbarer Partikel im Sekret würde dafürsprechen.“
Yu lächelte milde.
„Ein antibakterielles Virus, also? Eine faszinierende Vorstellung...“
...Obwohl über die Existenz solcher Geschöpfe in Fachkreisen schon seit Längerem spekuliert wurde.
Trotzdem, es war naheliegend, dass Alriin zu dieser Schlussfolgerung gekommen war, besonders wenn man davon ausging, dass der Eiter wirklich eine mögliche Ansteckungsquelle darstellte. Dazu kam, dass über Viren kaum etwas bekannt war und der Fantasie daher keinerlei Grenzen gesetzt waren; hätte Yu nicht schon eine eigene Vermutung, wäre er gewiss zum selben Schluss gekommen.
Allerdings gab es noch etwas anderes, was ihn brennend interessierte.
"Wäre es möglich, dass die Opfer vergiftet wurden?"
Alriin zuckte mit den Schultern.
"Nun, wir haben toxikologische Tests durchgeführt - allesamt negativ. Falls es sich um einen Giftstoff gehandelt hat, dann um einen, der mit unseren Methoden nicht nachweisbar ist..."
„Wurde eine Obduktion durchgeführt?“
Alriin schenkte ihm ein bitteres Lächeln.
„Eine Obduktion? Soviel Zeit war uns wahrlich noch nicht gegeben. Du kannst das gerne übernehmen, aber ich kann dir selbstverständlich nicht garantieren, dass du danach nicht der nächste Infizierte bist...“
Zum jetzigen Zeitpunkt, an dem noch nicht einmal der Übertragungsweg und das Ansteckungsrisiko dieser Krankheit gesichert waren, war es mehr als nur verständlich, dass das medizinische Personal den Kontakt mit den Toten so gut es ging vermied – genau diese Unsicherheit und die Angst vor einer eigenen Infektion war es, was Alriin ihm mit diesem letzten Satz implizieren wollte.
Bei einer Obduktion war – auf alle Fälle unter den gegebenen Umständen – Kontakt mit Blut beinahe unvermeidbar. Diese Scheune erfüllte ohnehin nicht die hygienischen Standards einer Klinik... Es war wahrlich unbegreiflich, warum die Regierung so lange Zeit untätig geblieben war.
Yu erwiderte ihr Lächeln freundlich; an sich wäre er bereit, dieses Risiko einzugehen, doch zuvor gab es noch einige andere Dinge, deren er sich sicher sein wollte...
Alriins Blick wurde düsterer, ehe sie ihn schließlich abwandte.
„Ich weiß, es ist erst ein Tag vergangen, aber hast du etwas beobachten können, das uns in irgendeiner Form weiterhelfen könnte? Es fällt mir zwar noch immer ein wenig schwer, daran zu glauben, aber deine Anwesenheit muss auf die eine oder andere Weise ihre Berechtigung haben...“
Das hatte sie auch, aber das wollte Yu ihr nun wirklich noch nicht näher ausführen. Zumindest solange es sich vermeiden ließ.
Der Student schüttelte den Kopf.
„Zum jetzigen Zeitpunkt möchte ich noch keine Vermutungen anstellen.“
Alriin verschränkte ihre Arme.
„Selbstverständlich...“
Ihre Haltung und ihr Tonfall machten klar, dass für sie dieses Gespräch beendet war. Die Ärztin erhob sich und zog ihren weißen Kittel, den sie zuvor über die Stuhllehne geworfen hatte, wieder an.
„Genug geredet und zurück an die Arbeit! Auch wenn es nicht viel ist, so müssen wir alles tun, was in unserer Macht steht, um wenigstens den Verlauf und die Schmerzen zu mildern...“
Yu richtete sich ebenfalls wieder gerade auf, die Arme noch immer verschränkt.
„Ich werde mein Bestes geben.“
Es war später Nachmittag, als Alriin Yu zurückschickte. Er hätte gerne noch ein wenig länger mitgeholfen, doch die Ärztin hatte ihm lediglich einen Stoß Akten in die Hände gedrückt und ihn angewiesen, sich zuerst mit all den Details und der Anamnese der Patienten vertraut zu machen.
Dem hatte er natürlich nichts entgegenzusetzen. Nachdem sich Yu desinfiziert und in einer der behelfsmäßigen Duschen – wenn man sie denn so bezeichnen wollte - , die hinter der Scheune eingerichtet worden waren, rasch gereinigt hatte, machte er sich auf den Rückweg in die Stadt.
Obwohl der Himmel schon den gesamten Tag über recht düster und wolkenverhangen gewesen war, hatte sich nichts an der schweren, drückenden Schwüle geändert, die Yu so verabscheute. Er hoffte, dass es wenigstens in seinem Zimmer einigermaßen kühl sein würde, auch wenn er das ernsthaft bezweifelte.
Während der junge Mann der ruhigen, geradezu verlassenen Hauptstraße folge, verlor er sich in seinen Überlegungen und Gedanken.
Dabei übersah er vollkommen den jungen blonden Mann, der ihm entgegen kam. Erst, als Yu von diesem leicht an der Schulter berührt wurde, kehrte er mit einem Schlag in die Realität zurück. Ein wenig von der unerwarteten Berührung überrascht, wandte er sich dem Mann zu.
Der Blonde, den Yu als den Verwaltungsbeamten vom Vorabend identifizierte, lächelte ihn strahlend an.
„Einen wunderschönen guten Abend, Herr Yu! Ich hoffe, dass Sie die Zusammenfassung für nützlich empfanden?“
Der Student, der sich von der überschwänglichen Art des Beamten einen Moment lang überrumpelt fühlte, fasste sich schnell wieder und nickte.
„Ja, vielen Dank nochmal. Ich habe den heutigen Tag damit zugebracht, mir ein persönliches Bild der Situation zu machen.“
Obwohl seine Miene unverändert freundlich blieb, glaubte Yu, noch einen anderen, schwer definierbaren Ausdruck in den Augen des Beamten zu erkennen; beinahe sofort war dieser jedoch bereits wieder abgeebbt.
Stattdessen deutete er auf den Stoß Ordner, den der Student bei sich trug.
„Nun, inzwischen scheinen Sie ja bestens informiert worden zu sein. Haben Sie schon irgendwelche Vermutungen?“
Eigentlich war das Interesse des Blonden wenig überraschend – wer würde nicht wissen wollen, was in seiner Heimatstadt vor sich geht? - doch Yu konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass keine echte Sorge oder Betroffenheit hinter dieser Nachfrage lag...
Er schüttelte den Kopf und verschränkte seine Arme.
„Aktuell möchte ich keine Auskunft geben.“
Der Beamte verlagerte sein Gewicht, zeigte jedoch keine wirklich Reaktion auf Yus Ablehnung. Stattdessen legte er seinen Kopf schief und bedachte ihn nachdenklich.
„Sagen Sie... Sie stammen aus der Hauptstadt, nicht wahr?“
Der Student runzelte die Stirn; was sollte diese Frage?
„Wieso fragen Sie?“
„Weil ich glaube, dass wir eine gemeinsame Bekannte haben... Oder irre ich mich und der Name 'Callista' sagt Ihnen nichts?“
Yu fiel es wie Schuppen von den Augen – dieser 'Verwaltungsbeamte' musste also einer seiner Unterstützer sein; zumindest würde das die effiziente Arbeit des gestrigen Abends sehr gut erklären. Callista, die stellvertretende Leiterin seiner Einheit, hatte außerdem so etwas in die Richtung angedeutet... Die Tatsache, dass dieser junge Mann Yu darauf angesprochen hatte, war zumindest eine Art Beweis.
Trotzdem wollte er zuerst sicher gehen.
„'Callista' ist ein recht häufiger Name“, erwiderte er mit einem liebenswürdigen Lächeln. „Woher kennen Sie sie denn?“
„Sie ist im Haupttempel angestellt.“
Er hatte die richtige Antwort gegeben. Yu gestand es sich nicht gerne ein, aber er empfand so etwas wie Erleichterung; wenigstens hatte er nun einen Verbündeten – oder zumindest so etwas in die Richtung - , mit dem er mehr oder weniger offen sprechen konnte.
Yu nickte bedächtig.
„Ja, dann sprechen wir von derselben Person... Wie geht es ihr denn?“
Der blonde Beamte winkte ab.
„Die Arbeit ist stressig, aber sie beklagt sich nicht.“
Also alles wie immer... Yu wusste nicht, ob das nun gut oder schlecht war.
Auf alle Fälle schien der vermeintliche Beamte einen Zwischenbericht zu erwarten. Der Student ergriff daher die Initiative und hob seinen Aktenstapel ein bisschen höher an.
„Wie Sie sehen, habe ich recht schwer zu tragen...“
Der Blonde verstand den Wink; er streckte seine eigenen Hände aus und nickte Yu zu.
„In diesem Fall werde ich Ihnen selbstverständlich mit Vergnügen helfen!“
Yu und der Beamte – der sich unter dem Namen 'Myr Aurica' vorgestellt hatten – begaben sich zurück zu Herberge. Dem Studenten war klar, dass sein Begleiter ihm einen falschen Namen gegeben hatte, doch das störte ihn kaum; warum auch?
Nachdem er die Mappen auf seinem Schreibtisch abgeladen hatte und sich bei der Wirtin zwei Tassen Tee besorgt hatte, schloss Yu die Türe hinter sich und bat seinen Gast, sich auf dem Schreibtischstuhl niederzulassen. Er selbst stellte eine der Teetassen auf den Tisch, schaufelte reichlich Zucker in seine eigene und nahm auf seinem Bett Platz.
„Wie lange sind Sie schon hier, Myr?“, fragte er, während er in seinem Getränk herumrührte.
Myr dachte kurz nach.
„Seit einem Monat, schätze ich.“
„Also schon vor Ausbruch der Seuche?“
Er nickte.
„Es wurden schon zuvor bedenkliche Berichte von Alroué erhalten; Callista hat daraufhin beschlossen, dass es besser wäre, jemanden vor Ort zu haben.“
Myr zuckte mit einem schwachen Lächeln die Schultern.
„Nun ja, so wie es aussieht, haben sich unsere Befürchtungen bestätigt.“
Er nahm einen Schluck aus seiner Tasse und verzog beinahe sofort das Gesicht. Yu deutete auf die Zuckerdose, die noch immer auf dem Tisch platziert war.
„Also, Sie haben sich doch ein Bild von der Lage machen können...“, sprach Myr weiter, während er ebenfalls etwas Zucker in sein Getränk mischte. „Nun da Sie wissen, dass wir dieselben Freunde haben, können wir getrost unsere Geheimnisse austauschen, meinen Sie nicht?“
Yu nahm an, dass Myr mit direkten Kontakt zur Hauptstadt stand und daher mit ziemlicher Sicherheit regelmäßig Bericht erstatten.
In kurzen, knappen Worten fasste er das Erfahrene zusammen, angefangen beim verstörenden Krankheitsbild bis hin zu seinem Gespräch mit Alriin und all den Problemen, für die es bisher einfach keine Lösung gab.
Nachdem Yu seine Schilderung beendet hatte, nippte Myr nachdenklich an seinem Tee.
„Ja, vieles stimmt mit meinen Informationen überein...“
Er stellte die noch immer halbvolle Tasse auf den Tisch zurück und schob sie weit von sich; allem Anschein nach konnte er sich nicht wirklich für die lokalen Teesorten begeistern.
Yu zuckte die Schultern.
„Wie gesagt, ich stehe noch am Anfang. Dr. Alriin glaubt, dass es sich um ein Virus handelt, doch davon gehe ich nicht aus.“
Myr zog interessiert seine Augenbrauen nach oben.
„Oh? Was führt Sie denn nun zu dieser Annahme? Im Gegensatz zu Ihnen kenne ich mich wirklich nicht sonderlich gut mit Medizin aus, aber meines Wissens nach ist es sogar mit den verfügbaren Mitteln sehr schwierig, Viren nachzuweisen...“
„Nun, es ist möglich, einige Spezies durch Ultrafiltration zu isolieren und in einem experimentellen Modell eine Infektion herbeizuführen“, entgegnete Yu schulterzuckend. „Allerdings ist unter den hiesigen Umständen keines von beiden wirklich machbar.“
Doch der Student gestand sich gerne ein, dass dieser Forschungszweig noch ziemlich am Anfang stand.
Er fuhr sich nachdenklich durchs Haar und zupfte an einer seiner schwarzen Strähnen.
„Myr, glauben Sie an Flüche?“
Diese Frage schien den Informanten zu überraschen. Sehr rasch verbannte er diese Regung aus seinem Gesicht und ersetzte es durch sein übliches enervierendes Lächeln.
„Ich bin mir sicher, dass wir beide wissen, dass die Existenz von Magie schon seit langer Zeit bestätigt ist. Auch wenn ihre Verbreitung dieser 'Begabungen' in der Allgemeinbevölkerung noch immer sehr gering ist, ist die Akzeptanz für sie – zumindest in Es'Ceria – anders als in der Vergangenheit bedeutend angestiegen.“
Yu fragte sich, wann Myr endlich zum Punkt kam.
Und überhaupt, auch wenn die 'Akzeptanz gestiegen war', so waren das Misstrauen und die Vorurteile, welche Magienutzern schon seit Jahrhunderten entgegengebracht wurden, noch immer tief im Bewusstsein der Mehrheit verwurzelte – in den größeren Metropolen zwar nicht so sehr, aber dafür umso mehr in den kleineren, abgelegeneren Orten... Wie Alroué
Wenigstens gab es in Es'Ceria anders als in einigen anderen Ländern schon lange keine Verfolgungen mehr.
„...Auf alle Fälle mag es zwar verschiedene Arten von magischen Begabungen geben, doch die Existenz von Flüchen konnte bisher nicht bewiesen werden“, beendete Myr seine Ausführung.
Mit diesem Fazit hatte Yu bereits gerechnet - die Vorstellung, dass Magie auf Beschwörungsformeln und dem Brauen von Tränken basierte, war schon seit längerem überholt. Jeder Begabte – auch Hec'haryia, nach einem Begriff aus der alten Sprache, genannt – verfügte über ein sehr begrenztes Spektrum an Möglichkeiten, ein einziges, magisches Talent.
Keine der bekannten Formen wäre als 'Fluch' einsetzbar.
Yu nickte.
„Ja, das ist mir durchaus bewusst. Allerdings scheinen die Einwohner von Alroué daran zu glauben.“
„Nun, dann müssen wir einfach möglichst rasch das Gegenteil beweisen“, meinte Myr freundlich.
Dann, auf einmal, erhärtete sich sein Ausdruck.
„...Oder denken Sie, dass es eine magische Ursache gibt?“
„Ja, das tue ich tatsächlich. Als ich einen der Patienten berührte, empfing ich einige sehr merkwürdige Eindrücke.“
„Hmm...“
Myr lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und blickte nach oben.
„Es würde zumindest Sinn ergeben; nicht umsonst zeigt Callista ein derartiges Interesse an dieser Angelegenheit.“
Der junge Mann erhob sich von seinem Platz und strich seine Kleidung glatt.
„Nun denn, ich danke Ihnen für diese Informationen. Ich werde schauen, was ich noch in Erfahrung bringen kann; gehen Sie einfach weiterhin wie geplant vor.“
Also würde Yu sich, bis er neue Hinweise erhielt, um die Kranken kümmern und möglichst viel Schadensbegrenzung betreiben.
Doch das bedeutete selbstverständlich nicht, dass er nicht ebenfalls alles versuchen würde, um die Wahrheit herauszufinden.