Markus
Meine Schwester ist am Telefon.
Ich glaube, sie hat ein wenig Sehnsucht nach mir.
Und vielleicht ist sie auch ein wenig neidisch. Sie hockt im nasskalten Deutschland und ich in Italien.
Wobei wir auch nicht immer so ein großartiges Wetter haben, wie manche zu glauben scheinen.
Sie macht sich Sorgen um ihre jüngste Tochter. Und will mir wohl ihr Leid klagen.
Ich habe ja keine Kinder.
Wäre vielleicht auch ein wenig komisch. Ich liebe meinen Beruf, aber Kinder in einem Vampirhaushalt?
Ich weiß nicht, wie das gewesen wäre.
„Ich mache mir echt Sorgen um sie, Markus. Immer dieser ganze Stress, so vor Weihnachten. Und das Gestreite, wer Urlaub bekommt und wer nicht. Sie ist wieder ganz fertig.“
Ich lasse sie reden, sie muss es wohl loswerden.
„Weißt du, es heißt immer, die Leute mit kleinen Kindern gehen vor. Und sie gehört ja zu den älteren in der Firma, auch wenn sie selbst Kinder hat. Ist ja auch prinzipiell richtig. Nur kann es nicht sein, dass dann die anderen gar keinen Urlaub zu dieser Zeit mehr bekommen. Und sie hätte einfach mal wieder gerne ein wenig Erholung, zwischen den Jahren.“
„Ich verstehe das.“ Ein wenig Zuspruch wird ihr guttun.
„Aber jedes Jahr das gleiche. Vielleicht setzt sie sich auch nicht energisch genug durch. Und du weißt ja, die stressigste Zeit ist der Advent, der ganze Betrieb, und dann kommt ja noch der Jahresabschluss. Sie sagt, sie ist heilfroh, wenn der 6. Januar rum ist, dann wird es endlich wieder ruhiger.“
Jaja, die „besinnliche“ Vorweihnachtszeit.