Wenn man in der Vorweihnachtszeit ganz spät abends, während die Schneeflocken aus dem schwarzen Himmel fallen und sich wie eine Schicht aus Zuckerguss auf alle Dächer und Gehwege legen, durch die Strassen Londons geht und sich dann wie zufällig in eine winzig kleine Gasse verirrt, aus der ein köstlicher Duft weht, dann weiss man ganz sicher, dass man zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist.
Die Wunschgasse ist mit bunten Lichtern geschmückt und die Häuser wirken allesamt wie aus einer anderen Zeit. Es sind bunt gestrichene Fachwerkhäuser in grün und rot. Vielleicht etwas heruntergekommen, aber auf eine Art, die einem ein wohliges Gefühl vermittelt.
Hinter den Fenstern sieht man den Schein von Kerzen und von überallher erklingt weihnachtliche Musik.
Die Bewohner der Wunschasse mögen allesamt etwas sonderbar sein, aber das stört niemanden.
Die alte Mrs. Knitt zum Beispiel sitzt jeden Abend bis spät in die Nacht an ihrem Fenster, stets in eine Strickarbeit vertieft. Und wenn sie nicht gerade Pullover strickt, so löst sie Kreuzworträtsel, die Stirne zu einer krausen Falte zusammengezogen.
Der Mann, der in dem Haus mit der Nummer 14 wohnt dagegen, scheint keinen Schlaf zu brauchen. Egal wie früh man auch aufsteht, er ist immer bereits wach. Morgens liest er Zeitung und den Nachmittag über fährt er mit seinem Fahrrad die Strasse entlang, unterhält sich mit anderen Bewohnern und kauft ein.
Das Haus mit der Nummer 66 ist stets hell erleuchtet und ein köstlicher Duft nach frischen Plätzchen zieht durch die offene Vordertür auf die Strasse hinaus.
Das Schaufenster ist mit einer Winterlandschaft aus Süssigkeiten dekoriert und an der Ladentür hängt ein Schild, auf dem in schwungvollen Lettern:
„Herzlich Willkommen in der Weihnachtsbäckerei“
steht.
Wenn man die Weihnachtsbäckerei betritt, landet man in einem gemütlich eingerichteten Verkaufsraum mit einer ausladenden Theke und lauter Regalen, vollgestopft mit Gewürzmischungen, Keksausstechern sowie gestrickten Topflappen.
Hinten im Zimmer gibt es eine Türe, hinter der die Quelle des Geruches und der fröhlichen Stimmen zu liegen scheint.
Der ganze rückwärtige Teil des roten Häuschens mit dem übergrossen und etwas schief geratenen Kamin, wird von einer Backstube mit grossen Öfen und langen Arbeitsflächen eingenommen.
Acht kleine Wichtel flitzen geschäftig umher. Sie schieben Bleche voller Kekse in die Feuerungen, holten andere heraus, kneten Teige und stechen Plätzchen in den verschiedensten Formen und Grössen aus.
Die Wichtel trällern fröhlich durcheinander und schwere Duftwolken wabern durch den Raum. An einem der hinteren Tische sitzen zwei Wichtelkinder, die bunten Mützen rutschen ihnen ständig über die Augen. Vor den beiden steht ein riesiger Topf Marmelade, mit der sie eigentlich die Spitzbuben befüllen sollten, aber stattdessen veranstalten sie eine gigantische Kleckerei und die süsse Masse klebte ihnen an Händen und im Gesicht.
Inmitten des organisierten Chaoses steht eine kleine Frau auf einem Stuhl und wedelt mit einem Kochlöffel in der Luft herum. Sie trägt ein hellblaues Kleid und darüber eine Backschürze voller Mehl.
Ihre strubbeligen Haare stehen in alle Richtungen ab und auf der Wange hatte sie einen Klecks rosa Zuckerguss.
Aus der Tasche ihrer Schürze ragt ein dickes Buch hervor und neben ihr auf dem Stuhl steht ein riesiger, altmodischer Wecker.
Soeben wedelt die Frau noch hektischer als zuvor mit der Kelle und der Wecker gibt ein schrilles Geräusch von sich. Zwei der Wichtel holen ein Blech verkohlter Zimtschnecken aus dem Ofen und guckten betreten auf die schwarzen Teile.
Sofort gesellt sich eine Wichtelin zu ihnen und gemeinsam versuchen sie, die verbrannte Schicht abzukratzen.
In diesem Moment öffnet sich die Tür zum Verkaufsraum und zwei schwer bepackte und dick eingemummelte Wesen betreten die warme Backstube. Aus ihren Rucksäcken holen sie Mehl, Zucker und Rosinen hervor, welche die beiden soeben eingekauft haben. Die restlichen kleinen Wesen helfen sofort beim Auspacken und nach kurzer Zeit sind alle wieder voll und ganz in ihre Arbeit vertieft.
Der himmlische Duft weht zu den leicht geöffneten Fenstern der Weihnachtsbäckerei hinaus, zieht durch die Wunschgasse und vielleicht, ganz vielleicht führt auch dich dieser wunderbar weihnachtliche Geruch zu dieser Bäckerei, wenn du an eben einem solchen Abend spät durch Londons Strassen gehst und die Schneeflocken, die von Himmel fallen, sich wie weisser Zuckerguss auf all die Häuser und Strassen legen.