~ Du betrittst eine neue Welt. ~
"Schneehalla"
Die Yetis führen dich durch den meterhohen Schnee. Inzwischen haben sich immer mehr riesige Wesen deinem Zug angeschlossen. Sie beäugen dich neugierig.
Zwischen den riesigen, weiß behaarten Wesen fühlst du dich ziemlich unwohl. Die Schneemenschen sind dreimal so groß wie du, und sie besitzen eindrucksvolle Hauer, die zu beiden Seiten der breiten Schnauze auf dem Maul ragen. Ihre schwarzen Augen sind vergleichsweise klein, fast in der Wolle des dichten Fells verschwunden.
Sie erinnern ein wenig an Affen, wie du unweigerlich feststellst. Ihre Arme sind lang und kräftig, die Hinterbeine dagegen kurz und nach außen gebogen. Zudem erkennst du an dem Yeti, der vor dir geht - und eine Schneise für dich in den hohen Schnee gräbt - einen kurzen, flauschigen Schwanz.
So groß und fremdartig die Yetis auch wirken, sie sind freundlich zu dir. Zwei von ihnen, die vorne gehen, grunzen und knurren in ihrer eigenen Sprache. Es klingt nach einem furchtbaren Streit, doch ein anderer Yeti, der das Gespräch ungefragt und holperig in deine eigene Sprache überträgt, eröffnet dir, dass die beiden beste Freunde sind und sich ausmalen, was für ein wissenschaftliches Wunder du bist und wie viel Ruhm sie ernten werden.
Genau das sagt der Yeti: Wissenschaftliches Wunder. Eine Vokabel, die du aufgrund der primitiven Übersetzung der weißen Riesen niemals erwartet hättest.
"Ich will kein Wunder sein", sagst du nur. Du fürchtest dich davor, in eine Art Zoo gesperrt zu werden, oder gar in ein Labor, wo man dich untersuchen würde.
"Kein Angst", sagt der Yeti neben dir undeutlich und schenkt dir ein Lächeln, das trotz der Hauer beruhigend ist. "Du bist Gast."
Du bist erstaunt. Der Yeti hat doch tatsächlich deine unausgesprochene Angst auf Anhieb erraten. Dein erster Eindruck von den wilden Bergmenschen, den gefährlichen, bedrohlichen Monstern hat dich ja mal gründlich getäuscht!
Gerade, als sich Kälte und Müdigkeit unangenehm bemerkbar machen, überschreitet deine Kolonne aus Yeti-Wächtern einen schmalen Felsengrat. Die Yetis halten an und einer der zwei besten Freunde weist mit einer breiten Pranke nach vorne.
"Da. Ist Schneehalla."
Dir bleibt die Luft weg. Du weiß nicht genau, was du erwartet hast, vermutlich dunkle, kalte Höhlen in der Bergwand. Doch vor dir, auf der Flanke eines Berges, umrahmt von schneebedeckten Gipfeln, liegt ein schnuckeliges kleines Dörfchen. Von einem Gebäude steigt eine Rauchwolke auf, als würde dort über einem großen Feuer etwas gebraten. Du erkennst ein hohes, filigranes Gebäude, und einen schlanken, stabilen Wachturm. Selbst aus der Ferne kannst du Verzierungen erkennen, breite Fensterfronten, geschwungene Dächer.
Die Yetis sind erstaunlich kunstfertige Architekten.
Du erinnerst dich daran, den Mund zu schließen.
Dein Übersetzer-Yeti lacht leise. "Toll, nicht?"
"Es ist wunderschön!", sagst du ehrlich. Ihr geht weiter. Du siehst, dass das kleine Dorf bloß aus sieben Gebäuden besteht.
"Das ist Tempel. Da, in Mitte, ist Markt. Haus der Versammlung ist da, das große. Das ist Schlafsaal. Da ist Webstube, und das ist Burg von unsere König. Und das ist Wachtturm."
Du nickst und hörst zu, kannst die Augen aber nicht von den Gebäuden abwenden. Du betrachtest die überdachte Markthalle und den geschwungenen und großzügigen Tempel. Das Haus der Versammlung sieht gemütlich aus, von dort steigt der Rauch auf. Die Königsburg thront auf einem erhöhten Hügel.
"Das ist ja alles aus Schnee!", erkennst du plötzlich.
Die Yetis nicken. "Wir gut mit Schnee. Und so wir können jedes Jahr neu bauen."
Du siehst die Schneemenschen an. "Ihr baut die Häuser jedes Jahr neu auf?!"
"Ja, bis auf Burg. Steht immer. Aber im Sommer, alles andere schmilzt. Wir kein Häuser brauchen in Sommer. Erst wenn Herbst wird, dann wir neu bauen."
"Unglaublich! Es sieht alles so alt und ... wertvoll aus." Du schüttelst bewundernd den Kopf. Deine Begleiter grinsen stolz.
"Du kommen? Wir jetzt bringen dich zu Chef. König Bark ist. Er dich sehen müssen."
Du nickst, noch immer viel zu verwundert von diesem Ort. "Ja, ich komme."
Folge den Yetis zu ihrem König. Kapitel 482:
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