(Mias Sicht)
Menschen, welche von Blitz getroffen werden, sterben.
Menschen, welche ein Stromschlag aus der Steckdose bekommen, sterben oder landen im Krankenhaus.
Vassagos Stromstöße fühlten sich so an, als kämen sie aus einer Steckdose, aber waren anscheinend schwächer als von einem Blitz.
Es war schmerzhaft genug, dass ich ständig gegen Ohnmachtsanfälle kämpfte. Man könnte jetzt sagen, werde Ohnmächtig und schon spürst du die Schmerzen nicht mehr. Allerdings war meine Angst einfach zu groß, irgendwo hingebracht zu werden.
Hier hatte ich zumindest noch eine Chance, dass jemand vorbei kam, wenn diese auch nur gering war.
„Wo ist er nun?“, zischte Vassago und legte eine kurze Pause ein mit seinen Schocks. Auch nur deswegen, damit ich Antworten konnte.
„Das weiß ich nicht, du glaubst doch wohl nicht, dass er sich bei mir abgemeldet hat.“, entgegnete ich müde. Knurrend ließ er seine Wut auf mich prallen.
Ich glaubte wirklich langsam, mein Bewusstsein zu verlieren, bis der Schmerz erneut verschwand. Ich ließ mich auf den Boden fallen, auf welchem ich sowieso schon gehockt hatte und versuchte, meine Atmung zu beruhigen.
„Wo ist er?“
Entnervt verdrehte ich die Augen, natürlich war es keine gute Idee, einen wütenden Dämon noch wütender zu machen, aber bevor ich darüber nachdenken konnte, kamen mir die Worte bereits über die Lippen.
„Soll ich es dir aufmalen oder was? Ich weiß es nicht.“
Es war nicht gelogen, ich wusste nicht wirklich wo er war, nur, dass Baal ihn weggebracht hatte.
Ich hörte wie Vassago knurrte und wartete auf den nächsten Schwall Schmerzen, aber er blieb aus. Mit großer Anstrengung hob ich meinen Kopf und sah zu der Stelle, wo Vassago stand oder eher gestanden hatte. Er war weg.
Erleichtet atmete ich aus, obwohl ich mir keinen Reim darauf machen konnte. Ich wusste noch nicht genau, wie ich zum Wagen geschweige denn nach Hause kommen sollte.
„Lassen Sie das meine Sorgen sein!“, vernahm ich eine, mittlerweile, vertraute Stimme.
„Ist das Zufall, dass Sie hier sind?“
Ich hörte ihn leise kichern, schön, wenn er sich amüsierte.
„Weniger, ich würde sogar eher auf ein nein plädieren.“
„Wenn ich könnte, würde ich jetzt zuschlagen.“, kündigte ich an.
„Konnten Sie nicht eher da sein?“
Baal lachte.
„Tut mir leid, aber es war mit nicht eher möglich, hier aufzutauchen.“
Wer´s glaubt, dachte ich und hörte erneut sein Lachen.
Ich musste zugeben, dass es sehr sanft klang, ohne den rauen und spöttischen Unterton von Tyron.
„Ich bring Sie nach Hause.“
Er hob mich auf seine Arme und ein Gefühl des Wohlseins machte sich in mir breit, was mir so gar nicht gefiel. Ich schob es einfach auf die Müdigkeit, welche nun ebenfalls auf mich einbrach. Außerdem musste ich dem Verlangen widerstehen, meinen Kopf an seine Schulter sacken zu lassen und einfach zu schlafen.
„Warum heilt sich Ihr Körper nicht? Sie haben einige innere Verletzungen.“
Ich nickte müde, natürlich spürte ich die Schmerzen, aber ich konnte nichts dagegen tun außer abzuwarten.
Gegen meinen Willen kippte mein Kopf nun doch noch zur Seite an seine Schulter. Mehr als ein Flüstern bekam ich schon nicht mehr zu Stande, als ich ihm antwortete.
„Tyron hat mir diese Fähigkeit zur Strafe wieder weggenommen.“
„Zur Strafe? Was hast du denn gemacht?“, fragte er und begann, mich zu duzen.
„Weil Sam weg ist.“, gab ich während eines Gähnens zu.
Ich glaubte zu hören, dass Baal noch etwas fragte, aber ich verstand es nicht mehr. Die Schwärze der Ohnmacht brach erneut über mich ein, gegen die ich auch sofort verlor.
*******
Das Nächste, was ich mitbekam, war etwas Kühles und Angenehmes auf meiner Stirn. Etwas Warmes strich sanft über meine Wange, was mich schließlich dazu veranlasste, meine Augen zu öffnen. Sofort verschwand das Gefühl von meiner Wange.
Eigentlich wollte ich, dass es blieb. Zu lange war es her, dass ich so sanft und vorsichtig berührt wurde. Es fehlte mir.
Ohne meinen Kopf zu heben sah ich mich um. Die Anspannung, welche mein Körper bis eben noch beherrscht hatte, bröckelte nun von mir ab, wie putz von einer Wand.
Ich war zu Hause.
Langsam drehte ich meinen Kopf rüber zum Fenster und wollte nach draußen sehen, sah aber Baal neben meinem Bett sitzen. War er schon die ganze Zeit da?
„Wie geht es dir?“
Wieder duzte er mich, seit wir uns das erste Mal gesehen hatten, war er immer so höfflich gewesen. Fast zu höfflich für einen Dämon.
„Ganz gut.“, antwortete ich knapp. Meine Kehle kratzte und fühlte sich trocken an.
„Da steht etwas Wasser.“
Er wies auf meinen Beistelltisch neben dem Bett.
Ich setzte mich auf, langsam. Noch wusste ich nicht, wie es mein Körper fand, schon wieder bewegt zu werden. Allerdings spürte ich nichts.
Baal schien meine Verwunderung zu bemerken oder er hörte mal wieder meinen Gedankengängen zu.
„Ich habe dich geheilt.“
Ohne darauf etwas zu erwidern, nahm ich das Glas und trank ein paar Schlucke daraus. Das Wasser ran meine Kehle runter, befeuchtete und entspannte sie.
Erst jetzt versuchte ich zu antworten.
„Warum?“
Baal sah mich an und ich hielt seinem Blick stand. Weder aus seinem Blick, noch aus seinen Gesichtszügen konnte ich ausmachen, was er nun dachte. Ich war ja auch kein Dämon, der sich die Gedanken von anderen anhörte, die ihn eigentlich nichts angingen.
Baal lächelte schwach und verriet sich. Wieder mal hatte er zugehört. Es schockierte mich noch nicht einmal, mittlerweile hatte ich mir schon angewöhnt, an gewisse Sachen schon gar nicht mehr zu denken, wenn er in der Nähe war.
Wieder lächelte er.
„Du heilst dich nicht mehr selbst und ich wusste nicht, wie schlimm dein Zustand nun wirklich war.“
Ich nickte vor mich hin und nahm diese Information zur Kenntnis.
„Was ist mit Vassago passiert?“
Diese Frage kam schneller über meine Lippen, als gewollt, aber es interessierte mich schon, ich hatte keinerlei Geräusche gehört, er war einfach weg.
„Ich habe mich um ihn gekümmert.“, antwortete er knapp und entschied dieses Thema für beendet. Ich konnte mir denken, dass ihn das gleiche Schicksal ereilt hatte wie Sam. So oder so bekam er kein Mitleid von mir.
„Jetzt habe ich einige Fragen und verlange auch Antworten.“
Seine Stimme klang beherrscht, er schien langsam wütend zu werden oder sich über etwas aufzuregen, worauf ich mir keinen Reim machen konnte.
So nickte ich verunsichert und wartete einfach ab.
„Wann hast du das letzte Mal von Andrew gehört?“
Meine Brauen schossen in die Höhe. Eigentlich musste er das doch Wissen, er hatte mir das Handy genommen, ließ mich auch nicht telefonieren und da in den letzten Tagen kein einziger Brief in meinem Briefkasten lag, ging ich auch stark davon aus, dass er die Post abfing.
„Ich rede nicht von der Post oder Telefonaten, sondern von dem Pager aus dem Badezimmer.“
Ein Ruck durchfuhr meinen Körper, der Drang, aus dem Bett zu springen und weg zu rennen machte sich in mir breit. Aber ich bekämpfte dieses Gefühl und blieb, wo ich war.
„Was für ein Pager?“
Baals Augen verfinsterten sich.
„Ich kann es überhaupt nicht leiden, wenn man versucht, mich für Dumm zu verkaufen, Mia.“
Ich kam mir ratlos vor, wenn ich es gestanden hätte, wäre mir auch meine letzte Möglichkeit, Andrew zu kontaktieren, verschlossen. Wenn ich es allerdings nicht tat, wüsste ich nicht, wie weit Baal gehen würde, bis er die Wahrheit erfuhr.
Es jetzt zu leugnen hätte sowieso keinen Sinn mehr, Baal verfolgte sicher erneut meine Gedanken.
„Wie hast du es herausgefunden?“, fragte ich und wollte unbedingt meinen Fehler erfahren. Immer, wenn ich ihm geschrieben hatte, hatte ich an unnütze Sachen gedacht, wie der abgelaufene Tag, sogar an Sam oder Tyron. Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, wo der Fehler lag.
„Du redest im Schlaf, Mia.“
Meine Augen weiteten sich. Ich fluchte innerlich, Andrew selbst hatte mir das auch schon oft gesagt, aber das mir ausgerechnet so etwas Wichtiges rausrutschen musste.
„Also? Wie lange ist es her?“, fragte er nun erneut und durchbrach meine Gedankengänge.
„Vor zwei Tagen.“
Ich hasste mich für diese Schwäche und hätte mich am liebsten geohrfeigt.
„Hat er dir geantwortet?“
Ich senkte meinen Blick auf das Bett und schüttelte langsam den Kopf.
„Ich habe nie eine Nachricht bekommen, nur geschickt.“
Es musste nicht sein, dass Andrew von Baal Ärger bekam, nur, weil ich ihm schreiben musste. Natürlich verletzte es mich, nie eine Antwort zu erhalten, aber vielleicht war das auch besser so.
„Das ist jetzt wohl egal, denn Andrew ist weg.“
Mein Kopf schnellte zu Baal und ich blickte ihn entsetzt an.
„Er ist was?“
„Seit gestern ist er weg.“, wiederholte er lässig, „vermutlich hat er sich meinen Anweisungen wiedersetzt und wollte zu dir.“
Tränen stiegen in mir auf, fast hätte ich ihn gesehen, fast wieder berührt.
„Und wo ist er?“
Baal zuckte, fast beiläufig, die Schultern.
„Ich habe keine Ahnung. Meine Leute konnten nicht weiter hinterher, als er ein Bürogebäude betrat.“
Ein Bürogebäude? Was würde er denn…?
Die Erkenntnis knallte so laut in meinem Kopf, wie eine Rakete zu Silvester.
Er wollte zu mir. Andrew ging in das Bürogebäude, wo ich arbeitete. Tyron, war der nächste Name, der durch meinen Kopf sprang. Ich spürte, wie die Farbe aus meinem Gesicht wich. Wenn er von Tyron gesehen wurde, wenn er mitbekam, dass Andrew da war. Ich konnte diesen Gedanken einfach nicht beenden.
„Er wird Andrew bereits haben. Er ist, bis jetzt, nicht wieder aus dem Gebäude gekommen.“
Mein Hals war wie zugeschnürt. Ich konnte nicht mehr sprechen.
Wir müssen etwas tun, dachte ich und wusste, dass er mich hören konnte.
„Werden wir, aber erst zu Tyron.“
Ich schüttelte hastig den Kopf und schluckte den Kloß nach unten.
„Er wird Andrew töten.“, meine Stimme zitterte zwar, aber war dennoch laut und deutlich zu hören.
Noch immer kämpfte ich mit meinen Tränen und schien den Kampf fast zu gewinnen, bis Baal etwas sagte, dass mir alle Gesichtszüge entglitten.
„Dann muss er eben geopfert werden.
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(Andrews Sicht)
Mein Kopf dröhnte und meine Glieder schmerzten, als ich wieder zu mir kam.
Ich hob meinen Kopf und wollte meine Arme bewegen, schaffte es aber nicht. An einer Mauer, sitzend gelehnt, waren meine Handgelenke an der Wand gekettet. Wie altmodisch, dachte ich und versuchte, mich so gut es ging umzusehen. Viel erkannte ich nicht, denn er gesamte Raum lag in Dunkelheit.
Eigentlich war ich herkommen, um Mia hier rauszuholen und nun musste ich selber rausgeholt werden. Ich hätte mir mehr Gedanken darüber machen sollen, was ich hätte tun sollen, wenn ich Tyron begegnete. Nun war ich ihm begegnet und saß in der Tinte, oder besser gesagt, in etwas ähnlichem, wie einem Keller.
Ich hörte etwas klicken und wurde schließlich von einem Licht geblendet. Langsam konnte ich eine Gestalt erkennen, die langsam und mit schweren Schritten auf mich zukam.