(Mias Sicht)
So oft hatte ich schon davon gehört, dass das ganze Leben eines Menschen noch einmal an ihm vorbei zieht, während er stirbt. Aber das war totaler Blödsinn. Ich sah überhaupt nichts und so schlecht war mein Leben nicht. Gut, ich hatte für einen Dämon gearbeitet, wurde geschlagen und ab und an auch gefoltert, aber ich hatte auch gute Momente. Das Kennen lernen mit Andrew und auch die, wenn auch nur wenige, Zeit, die wir miteinander verbracht hatten.
Ich hang einfach in der Schwärze fest, spürte nichts mehr und besaß auch kein Zeitgefühl. Leise Stimmen drangen zu mir durch, nicht lauter als ein flüstern. Allerdings konnte ich kein Wort verstehen. Dennoch klammerte ich mich an dieses Geräusch, mit der Hoffnung, sie könnten mich vor dem endgültigen Tod bewahren.
Ich wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war und wie lange ich versucht hatte, etwas mehr als nur Gemurmel zu verstehen, bis eine der Stimmen richtig zu mir durchdrang und ich die Worte auch erfassen konnte.
„Mia, konzentriere dich auf dein Leben. Denk an etwas, dass dich am Leben hält.“, befahl diese Stimme, die ich sogar kannte. Allerdings konnte ich sie nicht einordnen.
Einen Moment zögerte ich noch, bis ich das tat, was die Stimme verlangt hatte. Mein erster Gedanke galt natürlich Andrew. Aber wenn er noch sauer war, würde er mich wieder verlassen?
Langsam kamen die Schmerzen, von dem Schuss und der Kopfwunde wieder. Ein leichtes Keuchen entwich mir, als ich meinen Kopf leicht bewegte.
Wieder sank ich in die Schwärze, aber diese war angenehmer, als würde ich einfach nur schlafen.
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Als ich diesmal meine Umgebung wahrnahm, spürte ich bereits den Unterschied, bevor ich überhaupt meine Augen öffnete.
Ich lag auf einem weichen Untergrund, mein Kopf lag auf einem Kissen und auch eine Decke lag über meinen Körper. Weiterhin behielt ich meine Augen geschlossen und ließ die Umgebung auf mich wirken. Lauschte auf Geräusche und nahm verschiedene Gerüche war.
Ein regelmäßiges Piepen drang an mein Ohr und der typische Geruch von Krankenhaus hing in der Luft.
Langsam rang ich mich dazu durch, meine Augen zu öffnen und mein Umfeld zu betrachten. Ich lag tatsächlich in einem Krankenhauszimmer, rechts von mir stand ein EKG-Gerät, das den Piepton von sich gab. Eine Nadel steckte in meiner rechten Armbeuge und führte zu einem Beutel mit durchsichtigem Inhalt. Ein dünner Schlauch hing unter meiner Nase, lief hinter meinen Ohren entlang und traf sich unter meinem Kinn. Langsam verfolgte ich diesen und fand ein Beatmungsgerät.
Seufzend wollte ich den Schlauch abstreifen, aber bevor ich das konnte, packte eine Hand meine und hielt diese fest.
„Mach das lieber nicht.“, flüsterte eine Person, dass ich langsam meinen Blick hob und in die wundervollen braunen Augen von Andrew blickte. Sofort stiegen Tränen in mir auf, als mir klar wurde, dass ich nicht träumte.
Schwach lächelnd setzte er sich auf die Bettkante und strich über meinen Kopf.
„Brauchst du was?“, fragte er mitfühlend und streichelte nun über meine Wangen, als einige Tränen darüber hinweg rollten. Schwach schüttelte ich den Kopf, kein Wort drang über meine Lippen, zu sehr gebannt von seinen Augen.
Langsam wand ich meine Hand aus seinem leichten griff und schob diese weiter bis auf seine Brust, wo sie sich verkrampfte. Ich konnte einfach nicht glauben, dass er wirklich hier war.
„Geh nicht weg.“, sagte ich fast stimmlos. Dennoch schien er mich zu verstehen, denn er schüttelte den Kopf, beugte sich nach vorn und küsste mich auf die Stirn. Seine Lippen wieder auf meiner Haut zu spüren, war einfach unbeschreiblich. Es war einfach zu lange her und ich wollte dieses Gefühl auch nie wieder missen.
Andrew legte sich zu mir, nahm mich in den Arm und strich beruhigend über meinen Rücken. Ich legte meinen Kopf an seine Brust und schloss meine Augen, genoss seine Nähe und Geruch.
„Es tut mir Leid, Mia. Ich hätte niemals gehen dürfen.“, flüsterte er in mein Haar, ohne das Streicheln einzustellen. Ich schüttelte einfach nur den Kopf, wollte nichts mehr davon hören, geschweige denn daran denken.
„Wieso bin ich hier?“, fragte ich nach längerem Schweigen. Ich konnte mich nicht mehr an viel erinnern, dass letzte war der Schuss, der gefallen war.
„Du wurdest angeschossen, Liebling.“, antwortete er, wobei er seine Umarmung verstärkte. „Ich dachte wirklich, dich verloren zu haben.“
Es wunderte mich, dass ich deswegen hier war, bis mir einfiel, dass Tyron mir die Möglichkeit genommen hatte, mich selbst zu heilen. Ein Ruck ging durch meinen Körper, als ich an ihn dachte, wo war er?
„Was ist mit Tyron?“, fragte sie leise, wobei sich meine Hände fester in sein Shirt verkrampften.
„Er ist weg. Baal hat es erledigt.“, antwortete er und hauchte einen Kuss auf meine Stirn.
Seine Worte rasten durch meinen Kopf, aber es schien, als könnte ich sie nicht richtig erfassen. Über sieben Jahre arbeitete ich nun für Tyron und jetzt sollte es plötzlich vorbei sein? Das würde ich erst glauben, wenn ich es selbst noch einmal von Baal hörte, dass in mir schon die nächste Frage aufkam.
„Wo ist Baal?“, fragte ich leise und schmiegte mich fester an ihn.
„Er kümmert sich wohl um Tyron, ich habe keine Ahnung. Es interessiert mich auch nicht.“, entgegnete er mit gepresster Stimme. Es wirkte, als würde er nicht über ihn sprechen wollen, was ich auch nicht mehr vorhatte. Jetzt, wo Tyron nicht mehr da war und ich wirklich frei war, wollte ich mein Leben weiterführen, mit Andrew.
„Andrew?“, fragte ich leise und verkrampfte meine Finger in sein Hemd. „Wirst du wieder gehen?“
„Wirst du mich wegschicken?“, stellte er die Gegenfrage und klang sogar erheitert. Ich schüttelte einfach nur den Kopf, dass er leise lachte.
„Dann werde ich wohl bleiben.“, murmelte er und hauchte einen sanften Kuss auf meine Stirn.
Langsam hob ich meinen Kopf, um seinem Blick zu begegnen und ihn schließlich zu küssen. Seine Hand legte sich auf meine Wange, um den Kuss zu vertiefen.
„Stör ich?“, hörte ich eine, bereits vertraute Stimme, dass Andrew von mir abließ und den Kopf zum Fenster drehte. Ich verdrehte die Augen, natürlich kam er nicht durch die Tür, das war einfach zu normal für Baal. Dieser begann jetzt leise zu lachen und ließ sich auf einen Stuhl sinken.
„Die Gedankenleserei immer noch nicht aufgegeben was?“, fragte ich und blitzte ihn böse an, denn Andrew stand wieder auf und stellte sich neben mein Bett hin. Es hatte mir besser gefallen, als er neben mir lag.
„Ich werde nicht lange stören.“, erwiderte er erheitert und verschränkte die Arme vor der Brust.
„Warum tust du es überhaupt?“, fragte Andrew, dass ich ihn überrascht ansah. Ich hatte ihn das letzte Mal wütend erlebt, bevor er mich verlassen hatte.
Langsam versuchte ich, mich etwas aufzusetzen, bis mein Kopf begann zu dröhnen und ein kurzer Stich mich an die Schusswunde erinnerte. Fast sofort war Andrew bei mir und schob das Kissen zurecht, dass ich es bequem hatte.
„Ich wollte nur mal sehen, ob Mia alles gut überstanden hat.“, antwortete er lächelnd und richtete seinen Blick wieder auf mich. Meine Brauen schossen nach oben, dass ich ihn überrascht anblickte.
„Nicht so überrascht, Kleines. Nachdem was du durchmachen musstest, woran ich nicht ganz unschuldig war, ist es wohl das Mindeste, dass ich nach dir sehe.“, erklärte er, dass ich schmunzeln musste.
„Du warst nicht ganz unschuldig?“, fragte ich spöttisch nach, dass Baal leise lachte.
„Du weißt, was ich meine.“, entgegnete er und grinste. „Aber jetzt, wo alles vorbei ist und du fast dämonenfrei Leben kannst, ist es doch egal.“
„Fast dämonenfrei?“, fragte ich nach und blickte ihn verwirrt an.
„Oh, da habe ich wohl etwas zu viel geplaudert. Wie dem auch sei, ich verabschiede mich, Andrew wird es dir sicher gern erklären.“, antwortete er grinsend, verneigte sich leicht vor uns und war bereits im nächsten Moment verschwunden.
Mein Blick fiel auf Andrew. „Was meinte er?“, fragte ich ihn und beobachtete ihn besorgt, wie er sich seufzend auf die Bettkante setzte und meine Hand in seine nahm.
„Ich muss dir noch etwas erzählen, Liebling.“, begann er und küsste meinen Handrücken.
Ich wartete ab, denn ich sah, wie er mit sich rang, bevor er schließlich seinen Blick wieder hob und ich die Angst sah, die nun darin lag.
„Es geht um Baal und mich.“, wieder stockte er, fuhr aber nach einem kräftigen Atemzug fort. „Baal und ich kennen uns schon länger, gezwungenermaßen. Wir haben denselben Vater.“ Ein Ruck ging durch meinen Körper, aber Andrew sprach weiter. „Ich bin ein Halbdämon, mein Schatz.“
Ein Schauer ran meinen Rücken nach unten und hinterließ Gänsehaut. Niemals hatte ich etwas davon mitbekommen, niemals hatte ich auch nur Anzeichen davon gesehen, noch hatte ich es gespürt, wie es sonst der Fall war.
„Darum wollte ich auch immer, dass du bei Tyron aufhörst, ich wusste, wer oder was er war. Ich wollte nicht, dass du in Gefahr bist. Dann tauchte Baal auf…“, erklärte er weiter und schüttelte leicht den Kopf. „Das Letzte, was ich wollte, war, dich zu verlieren.“
Ich starrte ihn an, zu mehr war ich nicht in der Lage. Seit mir offenbart worden war, was Tyron war und seit ich so behandelt wurde, hasste ich Dämonen oder irgendetwas, was auch nur damit zu tun hatte. Andrew gab mir etwas Normalität, schaffte es, dass ich mich fühlte, wie eine ganz normale Frau in einem ganz normalen Leben. Aber nun war diese Normalität erschüttert worden. Nicht durch Tyrons oder Baals Auftreten. Nein, sondern einfach durch die Offenbarung, dass Andrew ein Dämon war. Und obwohl ich nun Abneigung und Hass spüren sollte, konnte ich es nicht. Er hatte mir nie etwas Böses angetan oder nur daran gedacht.
„Wieso hast du mir das nicht eher gesagt?“, fragte ich leise und sah ihn an, während ich versuchte, die Tränen wegzublinzeln.
„Du hasst Dämonen, hätte ich es dir gesagt, wärst du mit einen Küchenmesser oder dergleichen auf mich los gegangen.“, entgegnete er, dass ich schmunzeln musste.
„Hast du irgendwelche Fähigkeiten oder so etwas?“, fragte ich und lehnte meinen Kopf auf das Kissen zurück.
„Ich kenn nur eine.“, sagte er knapp und lächelte entschuldigend. „Genau wie Baal, kann ich Gedanken lesen.“ Meine Augen weiteten sich, als er mir auch das offenbarte. „Mia, ich schwöre dir, dass ich noch nie deine Gedanken gelesen habe, auch wenn die Versuchung manchmal sehr groß war.“
Ich glaubte ihm. Gott, ich hielt mich selbst für verrückt, aber ich glaubte ihm.
„Andrew?“, begann ich und winkte ihn langsam zu mir, denn ich konnte mich nicht wirklich bewegen.
Langsam legte er sich wieder neben mich, dass ich ihn keusch auf die Lippen küssen konnte. „Zumindest siehst du besser aus, als die anderen Dämonen und ich liebe dich.“, wisperte ich, denn die Müdigkeit legte sich schwer über meinen Körper.
„Ich dich auch, Süße.“, entgegnete er und hauchte einen süßen Kuss auf meine Stirn. „Ruh dich aus, wir reden später weiter.“, fügte er hinzu, als er wohl bemerkte, dass ich damit kämpfte, meine Augen offen zu halten.
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(Pruflas´ Sicht)
Ich konnte einfach nicht fassen, wie dumm sich Tyron angestellt hatte. Er hatte alles, was er brauchte, aber er musste sich ja diese dummen Menschenfrauen dazu holen, die seine Arbeit erledigen sollten.
Aufgebracht lief ich durch die Gänge der Höhle, auf dem Weg zur Hölle, ich musste einfach herausfinden, was der Idiot schon alles ausgeplaudert hatte. Schon in seinem Büro, oberhalb, hätte er mich fast verraten. Noch als Baal Garm rufen ließ, wusste ich, dass dieser Trottel versagt und ich nun die ganze Arbeit allein machen musste.
Ich lief über die Brücke und kam am Gehilfen von dem Armon vorbei den ich mit meiner Hand zur Seite Schubste und den Gang entlang, der mich zur den Zellen führen würde. Wie ich bereits erwartet hatte, standen Akamanah und Akatash als Wächter davor. Beide musterten mich mit ihren Bernsteinfarbenen Augen und wirkten überrascht.
„Was wollt Ihr hier?“, fragte Akamanah und sah nicht so aus, als würde er mich durch lassen.
„Ich wollte nur wissen, wie weit ihr schon mit Tyron seid?“, fragte ich und zuckte fast beiläufig die Schultern.
„Baal wollte es selbst erledigen, wir warten noch auf ihn.“, antwortete er und baute sich vor mir auf. Er würde mich wirklich nicht vorbei lassen.
„Gut, dass ich dich hier treffe.“, ertönte Baals Stimme hinter mir.
Augenblicklich drehte ich mich zu ihm um und verneigte mich respektvoll, auch, wenn ich es langsam leid war. Ich hatte bereits mein Ziel vor Augen, dass ich auch diese Verneigung und wohl auch die nächsten Hundert davon, hinter mich bringen würde. Irgendwann, waren Baal und seine Herrschaft Geschichte.
„Weißt du, was dein Fehler war?“, fragte Baal erheitert und verschränkte seine Arme vor der Brust. Verwirrt sah ich ihn an. „Was meint Ihr, Meister?“, fragte ich. Auch das Wort „Meister“, fühlte sich an wie Gift in meinem Mund.
Baal lachte. „Verkauf mich nicht für dumm. Was glaubst du, woher ich weiß, dass du etwas mit der ganzen Sache zu tun hast?“, fragte er genauer.
Ich zuckte überrascht zusammen, er wusste, dass ich etwas damit zu tun hatte, aber woher?
„Du denkst zu viel, Pruflas. Es mag sein, dass du einiges über meine Familie weißt, aber noch lange nicht alles.“, antwortete er rätselhaft.
„Was meinst du?“, fragte ich irritiert und dachte darüber nach, wie ich aus dieser Sache noch rauskommen könnte.
Baal lachte kopfschüttelnd. „Du hast die nächsten tausend Jahre genug Zeit, um darüber nach zudenken.“, meinte er lächelnd, während er Akatash und Akamanah ein Zeichen gab.
Beide packten mich an den Armen und zerrten mich hinter ihnen her.
„Baal, das kannst du nicht machen!“, rief ich und sein Gelächter hallte von den Wänden der Höhle wider.
„Ich habe es bereits getan.“, entgegnete er, bevor beide Erzdämonen mich in eine der Zellen brachten.