Genüsslich ließ sie die schwarzbraune Praline auf der Zunge zergehen und spürte ihren Geschmacksnerven nach. Feurig süß und ein wenig scharf. Genau wie die Werbung versprach. Von solchen neumodischen Varianten hielt sie normalerweise nichts, aber ihr Mann hatte ihr eine Freude machen wollen, und ein Schächtelchen Schokoherzen Vanille – Chili auf dem Couchtisch vergessen, bevor er sich fluchtartig in den Keller verzog. Um an der Eisenbahn weiterzubauen, die keinen seiner Enkel interessierte.
Brummelnd rutschte ihr Handy über das glatte Holz. Eilig wischte sie die Sperre weg und eine neue WhatsApp ploppte auf. Tief sog sie die kalte Raumluft ein. Wieder eine Nachricht eines ihrer Kinder, die so gar nicht nach ihrem Geschmack war.
Hätten die drei nicht einfach so werden können, wie sie es sich gewünscht hatte? Dass sie einfach das Leben leben würden, welches ihr immer verwehrt geblieben war?
Aber nein, der eine Sohn hat sich gleich einen ganzen Sack von Kindern aufgehalst und der andere tingelte durch die Welt und ließ den lieben Gott einen guten Mann sein. Und die Tochter? Die hatte den Erzeuger ihres Kindes in die Wüste geschickt und versuchte sich jetzt mehr schlecht als recht allein mit der Erziehung.
Weihnachten würden diese drei chaotischen Lebensentwürfe wieder dröhnend auf sie einprasseln. Dabei wollte sie einfach ihre Ruhe und den verpassten Chancen hinterherträumen. So wie die letzten 40 Jahre. Aber vielleicht würde allen etwas dazwischenkommen. Seufzend drückte sie sich aus dem Sofa und fingerte eine rote Christbaumkugel aus der Schachtel. „Jeder sollte einen Wunsch frei haben.“