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Leise knirschte der Kies unter jedem seiner Schritte. Seine Wangen waren leicht gerötet. Hätte jemand Notiz von ihm genommen, hätte er ihm seine Aufregung angesehen.
Der eigenartige Geruch machte es nicht besser. Es duftete nach Blumen. Nach nasser Erde und Tod. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Er wollte lieber nicht darüber nachdenken. Es war ein Friedhof und roch auch so. Ganz einfach.
Das Portal der Dorfkirche war einen Spalt breit geöffnet. Es war aus schwerem, dunklem Holz. Kurz zögerte der junge Mann, aber dann legte er die Hand an die metallene Klinke, stemmte die Tür weiter auf, atmete tief durch und machte einen energischen Schritt in das Innere des alten Gebäudes. Verdammt! Sie verließen sich auf ihn!
Der Beichtstuhl war ganz hinten, ganz in seiner Nähe. Nur zwei alte Frauen saßen noch in der langen Bank daneben und warteten.
Das gab dem Burschen Zeit, alles was er zu sagen hatte, noch einmal in seinem Kopf zu ordnen. Er setzte sich. Erntete neugierige, abschätzende Blicke. Der junge Mann gehörte hier nicht her. Er wollte keine Aufmerksamkeit erregen. Unruhig zog er sich die Kapuze ein wenig tiefer ins Gesicht.
So ernst wie die beiden Alten dreinschauten, und so verzweifelt wie sie sich an ihren Rosenkränzen festklammerten, mussten sie eine ganze Menge auf dem Kerbholz haben. Vielleicht mehr, als er. Auch, wenn er das für unwahrscheinlich hielt.
Was sollte er machen? Beten? Oder wenigstens so tun? Eher nicht. In beidem war er noch nie besonders gut gewesen.
Er sah sich die Bilder an der Wand an. Jesus mit einem Kreuz. Darunter stand, "Jesus begegnet den weinenden Frauen." Daneben hing, "Jesus fällt unter dem Kreuz." Wenn man der weiteren Info Glauben schenken konnte, zum dritten mal. Jedenfalls auch das, wenig amüsant. Und so ging es munter weiter. "Jesus wird seiner Kleider beraubt", dann "Jesus wird ans Kreuz genagelt", also ehrlich, das wollte doch keiner sehen! Die hätten vielleicht mehr Follower, wenn sie fröhlichere Sachen aufhängen würden! Oder wenigstens in Farbe.
Nervös rutschte der Mann auf der harten Bank hin und her. Und sie war schockierend hart! Er hätte gerne ein Kissen gehabt. Die reinste Zumutung! Eventuell war das Absicht? Präventivmaßnahme für die einen, kollektive Strafe für die anderen. Hatte man hier erst mal eine halbe Stunde gesessen, brauchte es keine Buße mehr zusätzlich. Ja, das musste es sein.
Energisch polierte er sich die Fingernägel am Stoff seiner Jacke, während er sich genauer umsah. Die Statue gegenüber blickte ihn an, als täte er ihr leid und die Wände hätten auch längst einen neuen Anstrich vertragen können. Sicher war die Beleuchtung absichtlich so mies! Sie hofften wohl, dass es so keiner merkte.
Er machte sich nichts vor. Dieses Ambiente war einfach im Ganzen eine einzige Katastrophe!
Ein Kissen wäre doch wirklich nicht zu viel verlangt gewesen. Beim nächsten Mal würde er eines mitbringen. Aber wenn er heute alles richtig machte, würde es kein nächstes Mal geben!
"Vergib mir Vater, ich habe gesündigt?"
"War das eine Frage?"
"Nicht? Ich habe das extra gegoogelt!"
Stille auf der anderen Seite des Gitterchens. Es war eng im Beichtstuhl. Und dunkel. Er konnte sein Gegenüber trotzdem einigermaßen erkennen. Ein freundlich aussehender älterer Mann mit rundlichem, bärtigem Gesicht. Voll das Klischee! Aber es beruhigte ihn irgendwie.
Das Gegenüber räusperte sich. "Wann war deine letzte Beichte, mein Sohn?"
Er zögerte. "Ganz ehrlich?"
"Darauf sollten wir uns von Anfang an einigen."
"Okay. Noch nie."
"Bist du überhaupt katholisch?"
"Und Sie?" Wieder Stille. "Ist das Grundvoraussetzung?"
"Das würde ich schon sagen, ja!" Er klang nicht ärgerlich. Nur etwas nachdenklich. Und auch ein wenig überrascht.
"Also ... ich bin getauft!"
"Und du hast noch nie gebeichtet?"
"Wissen Sie, es ist so." Eifrig lehnte er sich näher an das kleine Fensterchen, und winkte den anderen heran. "Ich dachte, ich warte, bis ich einen echten Knaller habe! Etwas, wo Ihnen die Kipa wegfliegt, verstehen Sie?"
"Die Kipa ist eine jüdische Kopfbedeckung."
"Na, von mir aus. Obwohl ich schon finde, Sie könnten da ruhig ein bisschen mutiger sein! Outfitmäßig!"
Ein Seufzen. "Und?"
"Und was?"
"Haben Sie einen? Knaller?"
"Oh, fuck! Ja! Darauf können Sie wetten!"
"Ich muss doch sehr bitten! Keine ... Kraftausdrücke im Hause des Herrn!"
"Ist er daheim?"
"Wer?"
"Der Herr. Dann spreche ich vielleicht direkt mit dem."
Wieder ein leises Seufzen. Der Pfarrer schüttelte den Kopf, aber auch ein Schmunzeln huschte dabei über sein Gesicht. "Lass uns anfangen."
"Wo soll ich denn anfangen?"
"Am besten vorne?"
"Wie Sie wollen! Dann machen Sie es sich schon mal bequem. Das könnte ein bisschen dauern!"
"Nicht zu lange, hoffe ich. Heute Abend gibt es Schweinsbraten", murmelte er.
"Und ich dachte, ihr Jungs entsagt den fleischlichen Genüssen!"
Der Alte schmunzelte noch immer in seinen Bart. "Nicht allen." Er klang amüsiert.
"Okay. Dann hören Sie mal gut zu, ja? ..."