Die größte Kunst beim Schreiben, so behaupten aufgeblasene Leute, die denken, alles vom Schreiben zu wissen, liegt darin, auch komplizierteste Sachverhalte knackig wie eine Möhre auf den Punkt zu bringen. (Offenbar haben diese Menschen noch niemals der Freude einer Mythenmetz’schen Abschweifung anteil haben oder in einem bunten Metaphernmeer schwelgen dürfen.)
Insgesamt ist die Fähigkeit, sich notfalls kurz ausdrücken zu können, aber ganz nützlich. Mein Wirt nutzt das ganz gerne, um zum Beispiel Personen zu beschreiben, wenn eine längere Beschreibung von Aussehen, Kleidung und Vita nicht passen würde. Ein Beispiel: „Zwei Kinder hatten ihre Figur ruiniert, und zwei Männer ihr Leben.“
Kurzfassungen können im Text wie ein Paukenschlag wirken. Ganz zu schweigen davon, dass einem diese Übung dabei helfen soll, der allgemeinen „Geplauderfalle“ zu entgehen, der viele Autoren erliegen.
Nun, wie beginnt man, sich kurz zu fassen? Für den Anfang nimmst du deinen Lieblingscharakter, ob selbsterfunden oder von einem anderen Autor ist egal – Hauptsache, es ist ein komplexer Charakter mit Hintergrundgeschichte, im Idealfall widersprüchlichem Wesen, etc. Tja, und dann versuchst du, ihn in einem einzigen, kurzen Satz zu beschreiben. Der muss natürlich nicht alles über den Charakter enthalten, darf er gar nicht, aber er sollte ein möglichst umfassendes Bild widergeben.
Es kann helfen, sich diesen Satz als eine Art ersten Eindruck vorzustellen: Wenn man den Charakter zum ersten Mal sieht, womöglich nur etwas flüchtig aus dem Augenwinkel, sodass man keine Details erkennt: Was nimmt man in diesen ersten Sekunden wahr? (Anm.: Das Ergebnis enthält dann natürlich nur Äußerlichkeiten und keinen Charakter, aber das ist hier durchaus in Ordnung.)
Die Übung kann man natürlich beliebig ausweiten. Ein-Satz-Beschreibungen kann man nicht nur auf Personen, sondern auch auf Worte oder Kampfszenen anwenden. Das nächste Level sind Drabbles (Texte mit exakt 100 Wörtern), für die man dann entsprechend komplexere Dinge beschreiben sollte. Wie wäre es mit dem Triumphzug eines jungen Königs, der siegreich aus seiner ersten Schlacht heimkehrt, durch die Heimatstadt bis zum Berg reitet, während die meisten Zusehenden zwar jubeln, aber ein Schatten von Besorgnis über allem liegt, denn der König ist jung, unerfahren und … (weitere Details bleiben dem Schreiber überlassen. :P)
Es kann hier auch helfen, sich auf Google (oder einer ähnlichen Plattform) Bilder zu einer bestimmten Thematik zu suchen, beispielsweise „Wald“, und mehrere davon hintereinander zu beschreiben. Das hilft dabei, nicht immer in die gleichen Formulierungen abzurutschen und mehr auf die herausstechenden Unterschiede zwischen verschiedenen Wäldern einzugehen.
Diese Übung eignet sich leider nicht so direkt zum alleinigen Veröffentlichen, aber ich würde die Ergebnisse schon gerne erfahren. :3 Nächste Woche* (*Angabe ohne Gewähr, weil das wäre zu langweilig und vorhersebar) gibt’s hier einen kleinen Exkurs zu Kurzbeschreibungen, die ja doch ziemlich in dieses Thema hineinspielen.