Gelegentlich findet man so als Autor mal die PERFEKTE Formulierung, um eine bestimmte Sache auszudrücken. Der Ausdruck passt einfach wie die Faust aufs Auge und beschreibt diese eine Sache genau – wieso also sollte man jemals wieder etwas anderes schreiben als diesen Ausdruck für diese Sache?
Ich sage euch warum – weil Abwechslung und neue Ideen suchen der Kern der Autorenarbeit ist!
Die Formulierungsfalle trifft übrigens nicht nur auf selbstentdeckte Super-Formulierungen zu, sondern viel stärker noch auf alltägliche Ausdrücke. Am allerschlimmsten trifft es die armen Metaphern! Das Problem ist, dass ein Leser Ausdrücke wie „Ich habe Schmetterlinge im Bauch“ oder „ein blutrotes Kleid“ schon tausendmal gehört hat. (Mehr dazu in diesem Video: https://www.youtube.com/watch?v=RSoRzTtwgP4) Die Gehirne der Leser sind von solchen Ausdrücken gelangweilt und machen sich nicht groß die Mühe, sich die Schmetterlinge oder die blutrote Farbe bildlich vorzustellen. Wenn du deine Leser dagegen in deine Geschichte ziehen willst, solltest du nach einzigartigen Ausdrücken suchen, um die diese beim Lesen stolpern, sich fragen „Was ist das?“ und auch gleich Bilder ausdenken, die zu dieser Beschreibung passen.
Doch was, wenn du eine wunderbare Formulierung gefunden hast? Eine, die einfach perfekt passt?
Nun, du wirst versucht sein, diese immer und immer wieder zu verwenden, bis du dir damit selbstständig die Wirkung deiner Formulierung verbaust. Bis sich die einzelnen Szenen mit gleichem Thema – also Liebesszenen, eine Flucht, Entspannung oder was auch immer – kaum noch voneinander unterscheiden.
Du solltest deinen Blick für solche Formulierungen schärfen, und dazu ist die heutige Übung gedacht. Dazu denkst du dir eine Szene aus (zum Beispiel: „Mädchen trifft Jungen und verliebt sich“) und beschreibst diese exakte Szene drei mal. Dabei sollten sich die äußeren Umstände wenig bis gar nicht ändern, jegliche Variation entsteht nur daraus, dass du unterschiedliche Wörter zum Beschreiben der gleichen Gefühle, Farben, Geräusche und Orte nutzen musst. Wie auch bei dem Beispiel der Spaghetti solltest du ein bestimmtes Bild vor Augen haben, dass du drei mal hintereinander beschreibst – immer wieder das gleiche Bild! Sobald du merkst, dass du dich wiederholst, dass du dich selbst langweilst, suche nach neuen Metaphern, anderen Ausdrücken, um die gleiche Sache zu benennen.
Szenen könnten zum Beispiel sein: Ein erstes Date – Liebe auf den ersten Blick – ein Streit – eine Flucht – ein Kampf – eine Ruhepause nach langem Stress – zu spät für die Arbeit/Schule sein – über einen anderen Menschen nachdenken – …
Und natürlich darfst du Szenen weglassen, die in deinen Geschichten ohnehin nicht vorkommen, oder dir selbst Szenen ausdenken, beispielsweise solche, die in deinen Geschichten häufiger vorkommen. Hier bietet es sich an, Szenen zu wählen, die du bereits tausende Male irgendwo beschrieben hast, oder sogar Szenen, die für dich absolut alltäglich und unspektakulär sind – Beispielsweise die Beschreibung, wie ein Charakter von einem Ort zum anderen kommt, wenn auf diesem Weg nichts groß passiert. Versuche, deinen Blick für das zu schärfen, was du bereits für so unwichtig hältst, dass du es übersiehst – und mach was draus!