Die nächsten Tage verliefen ruhig. Sie ließen es sich einfach gut gehen und verbrachten die Abende auf dem Balkon mit sehr vielen Gesprächen. Wenn Jon zur Physio musste, legte Joe sich meistens hin. Der viele Schlaf war auch mehr als dringend nötig. Er fühlte sich von Tag zu Tag erholter.
Am folgenden Samstag machten sie sich auf den Weg zu einer Adresse, die Stephanie Jon geschickt hatte. Als sie dort ankamen, stutzten sie und Joe wandte sich gleich an Jon.
„Sag mal, bist du sicher, dass wir hier richtig sind? Ich kann mir echt nicht vorstellen, dass die beiden hier abgestiegen sind. Steph legt doch so Wert auf einen gewissen Luxus.“
Jon schaffte es endlich, den Blick von dem Haus zu nehmen und schnappte sich das Handy.
„Doch, also richtig sind wir hier. Lass uns einfach rein gehen. Dann werden wir ja sehen, ob sie da sind.“
Nach dem Parken gingen sie schnellen Schrittes auf das Gartentor zu und durchschritten einen weißen, hölzernen Torbogen, welcher dahinter stand. Sie betraten das gelb gestrichene Haus über die Terrasse, welche sich rund herum zog.
Kaum im Haus, reichte Jon schon ein schneller Rundumblick und er konnte ein breites Grinsen nicht zurückhalten. Auch Joe glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Irgendwie kam er sich vor wie in einem Puppenhaus.Hier schien echt die Zeit still zu stehen. Überall lagen Teppiche, auf denen verschnörkelte alte Sofas standen. Diese zierten jede Menge Kissen, welche zum Teil mit Spitze überzogen waren oder sogar Fransen rundherum hatten. Etliches war auch goldfarben und nachdem er einen Blick in einen Speiseraum erhaschen konnte, sah er, dass die Tische mit edlem alten gemusterten Porzellan und Kristallgläsern mit Goldrand gedeckt waren.
Großartig zum Nachdenken kamen sie gar nicht, da sahen sie schon Hunter und Steph. Sie strahlte bis über beide Ohren und schien sich hier echt wohl zu fühlen. Nur Hunter machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter und kniff die Lippen zusammen. Er schaute die beiden an und verdrehte die Augen, wohlbedacht dass seine Frau es nicht sah.
Das Cobb Lane B&B war Ihre Entdeckung und irgendwie hatte sie auch Recht. An einem solchen Ort würde sie wirklich niemand finden. Normalerweise stiegen sie in teuren Hotels ab und dementsprechend waren die ganzen Paparazzi und Fans auf solche Orte eingeschossen. Dazu noch ein kleines Gerücht in die Welt gesetzt und sie hatten ihre Ruhe. Hier würde garantiert keiner auftauchen. Die dürften sich gerade alle vor dem Western Birmingham Hotel tummeln. Er konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen beim Anblick der Gesichter von Joe und Jon. Viel anders dürfte er auch nicht geschaut haben beim Betreten des Hauses.
Nach der Begrüßung gingen sie in einen Raum, den Hunter extra angemietet hatte.Hier konnten sie ungestört reden, ohne dass jemand etwas mitbekam. Diesen verließen sie erst knapp fünf Stunden später wieder. Alle vier grinsten und sahen sehr zufrieden aus. Da Stephanie immer alles gut organisierte, hatte sie auch dafür gesorgt, dass sie noch etwas essen konnten. Währenddessen unterhielten sie sich noch über aktuelle Entwicklungen, besonders auch die neuesten Storylines und wie die Stimmung hinter den Kulissen war.
Gegen halb eins trennten sich ihre Wege und Joe und Jon fuhren wieder nach Hause. Den Sonntag verbrachten sie noch mit vielen Gesprächen, da der Plan ziemlich gewagt war. Vor allem sollte jetzt alles ziemlich schnell über die Bühne gehen. Jon telefonierte mit einigen alten Bekannten aus seiner Jon Moxley Zeit und Joe führte ein Gespräch mit seinem Vater über Skype. Dieser war am Anfang nicht grade begeistert von der Idee, allerdings als er hörte, dass Hunter und Steph ihre Hände mit im Spiel hatten, konnte er sich ein breites Grinsen nicht verkneifen. Somit hatte Joe genug Rückhalt, auch von oberster Stelle.
Gegen Abend bekam Joe eine SMS und zeigte Jon nur den Daumen hoch. Somit war klar dass zumindest ein Teil des Plans schon mal geklärt war und in Ordnung ging. Jetzt war nur noch die Frage, wann es los gehen sollte.
Der Abend wurde relativ früh beendet, da Joe am nächsten Morgen zeitig los musste. Gegen Mittag sollte er noch einmal zum Doc, um seinen Rücken checken zu lassen, und später war RAW.
Alleine beim Gedanken daran verging ihm schon wieder alles und er wäre am liebsten entweder bei Jon geblieben oder nach Hause gefahren. Besonders wo er noch nicht einmal wusste, was auf ihn zu kommen sollte. Im Stillen hoffte er ja, dass es nicht wieder nur ein Promo sein würde. Er hasste es. War ja eigentlich alles kein Problem, nur dieses Auswendig lernen und dann Herunterrattern, das war so gar nicht seine Sache. Vince wurde mit den Promos aber auch immer pingeliger. Es sollte auf jeden Fall immer genau so vorgetragen werden, wie die Vorlage war.
Montag morgen brachte Jon seinen Freund nach dem Frühstück noch zum Flughafen. Bis zum Check-In standen sie noch zusammen und unterhielten sich, zumal nicht gerade wieder irgendwelche Fans kamen, die ein Autogramm oder ein Bild wollten. Als der Aufruf kam, nahmen sich die beiden Freunde noch mal kurz in den Arm und Jon sprach ihm noch etwas Mut zu. Er wusste genau, wie es wirklich in Joe aussah. Als Joe durch die Kontrolle war, drehte Jon sich um und verließ das Gebäude. Hier steckte er sich als erstes eine Zigarette an und atmete tief durch. Er machte sich echt Sorgen. Besonders bei dem, was jetzt auf Joe zu kam. Es würde verdammt hart werden für ihn. Vor allem war noch die Frage, wann es los ging und wie oder durch wen Joe aus den Storylines geschrieben werden sollte.
Nach der Landung freute Joe sich schon mal darüber, dass die anderen schon vor ihm angekommen waren. Dadurch war der Massenauflauf an Fans schon mal weg und er hatte seine Ruhe. Jetzt hieß es nur sich beeilen, da er gleich zum Doc sollte.
Keine Stunde später hatte Joe seine Ringfreigabe in der Hand und machte sich damit sofort auf den Weg zu Hunter, da Vince McMahon persönlich aufgrund von vielen Terminen selten bei RAW anwesend war. Kaum machte Hunter die Tür auf, hielt Joe ihm auch schon seine Ringfreigabe entgegen.
„Hier, ich bin wieder einsatzfähig.“
Dieser schaute ihn verdutzt an und fuhr sich seufzend mit der linken Hand über die kurzrasierten Haare. „Mist, ich hatte ja gehofft, dass du noch eine Verlängerung bekommst. Komm mal rein. Ich möchte nicht zwischen Tür und Angel mit dir reden.“
Joe betrat den Raum, grüßte kurz Stephanie, die aus dem Bad kam, und nahm gleich am Fenster auf dem Sessel Platz.
Hunter und Steph sahen sich kurz an, nickten sich zu und setzten sich kurz darauf ihm gegenüber auf das Sofa. Steph griff nach einigen Blättern, welche auf dem kleinen Tisch vor ihr lagen und sah ernst zu Joe.
„So Joe, ich habe schon gesehen, dass du wieder deine Freigabe hast. Hört sich jetzt zwar fies an, aber die kommt echt ungelegen. Einiges ist ja schon geregelt, aber wir hätten noch etwas mehr Zeit gebraucht. Ok, das mit den Visa ist kein Problem, da wir ja sowieso demnächst auf große Europa-Tour gehen. Allerdings wollten wir zusehen, dass wir dich so schnell wie möglich raus und weg kriegen. Und das, ohne dass jemand was mitbekommt. Du sollst einfach wie vom Erdboden verschwunden sein. Auch mein Vater wird nicht wissen, wo du bist. Der ist momentan sowieso schon schlecht auf uns zu sprechen, da wir ihn mehrfach auf dich angesprochen haben. Um ehrlich zu sein, kotzt er ohne Ende, weil wir nicht auf seiner Seite sind.“
Jetzt konnte sie sich doch ein verschwörerisches Grinsen nicht mehr verkneifen und strich sich gleichzeitig eine Haarsträhne, die nach vorne gerutscht war, über die rechte Schulter.
„Aber weiter im Text. Dass mit Alex alles klar geht und du zu ihm kannst, weißt du ja schon. Unterkunft für die Zeit ist auch kein Problem, da er gleich in der Nähe seiner Wrestlingschule ein Haus besitzt. Dort übernachtet Paul auch immer, wenn er ihn besucht. Es ist also genug Platz da und die Möglichkeit, dass du unbemerkt rüber gehen kannst, besteht auch. Immerhin soll ja niemand etwas mitbekommen. Von dem Moment an, wo wir dich bei Alex abliefern, werden wir auch nicht mehr über alles informiert.“
„Warum das denn?“, kam nur von einem überrascht schauenden Joe. Damit hätte er jetzt echt nicht gerechnet. Er dachte, es sollte alles genau durchgeplant sein.
Stephanie schielte nur zu ihrem Mann, welcher sich daraufhin räusperte.
„Joe, es ist alles zur Absicherung. Falls sich doch mal jemand verplappert, soll so wenig wie möglich zu Tage kommen. Daher wollen wir gar nicht alles wissen. Ich habe Alex alles erklärt und der lässt sich da bestimmt was Gutes einfallen, so wie ich ihn kenne. Jetzt aber mal zum Hauptproblem. Dadurch dass du ja wieder einsatzfähig bist, muss uns auf die Schnelle was einfallen, wie wir dich aus der Show kriegen. Nächste Woche geht die Tour los und da es auch nach Deutschland geht, werde ich wie immer ein paar Tage vorher schon mal hinfliegen, um Alex zu besuchen. Der Privatflug ist gebucht. Sieh zu, dass du bis morgen Abend genug Sachen zum mitnehmen für dich herbekommst. Oder du holst dir Neue.“
„Steph, hol doch mal Colby her“, unterbrach er seine Worte an Joe und schaute kurz zu seiner Frau.
Kaum gesagt wandte er sich sofort wieder an Joe.
„Wir haben jetzt echt nicht mehr viel Zeit. Colby hatte da letztens was angedeutet, dass er vielleicht jemanden wüsste, der uns hilft. Mal schauen wen er meint. Falls du noch Sachen haben willst, schnapp dir dein Telefon und ruf zu Hause an. Viel Zeit bleibt nicht.“ Hunters Stimme wurde während er sprach immer hektischer.
Joe dagegen konnte sich gerade gar nicht rühren. Er saß nur mit leicht geöffnetem Mund da, starrte Steph und Hunter abwechselnd an und versuchte das gerade Gehörte zu verarbeiten. Kurz drauf schüttelte er sich kurz und schaute Hunter an.
„Wow, das geht ja jetzt echt schnell. Zumindest mit einer gewissen Vorbereitungszeit hatte ich gerechnet, aber die fällt ja jetzt weg. Wie soll ich eigentlich raus aus der Story? Ist schon was geplant? Ich rufe am besten gleich meinen Vater an wegen Sachen, vielleicht kann er helfen. Ich werde wohl kaum die Zeit haben zum Herumreisen.“
„Gut dann häng du dich ans Handy, ich rede mit Colby und in der Zwischenzeit sorgt Steph dann dafür, dass wir einen kleinen Konferenzraum zur Verfügung bekommen.“
Nach einem kurzen Blick auf die Uhr tippte er darauf. „Wir haben es jetzt 13.30 Uhr. Seht zu, dass wir uns in spätestens einer Stunde treffen. Ich telefoniere auch herum. Es muss alles schnell gehen.“
Noch während er redete, waren alle aufgestanden und Joe hatte bereits die Hand an der Tür.
„Ich schreibe dazu noch kurz Jon, damit er weiß, wann er sein Skype anschalten soll. Immerhin ist er ja auch beteiligt und sollte schon alles mitbekommen.“
Kaum gesagt verschwand er bereits, auf dem Handy tippend, aus dem Zimmer.
Pünktlich eine Stunde später betrat Joe ziemlich geknickt und in Gedanken vertieft den vereinbarten Treffpunkt. Einerseits freute er sich auf das was auf ihn zu kam, andererseits würde er Galina, seine Kinder und auch seine Eltern arg vermissen. Mit Glück könnte er sie morgen noch einmal sehen.
Seine Gedanken waren von einer Sekunde auf die andere wie weggeblasen als sein Augenmerk auf eine Person fiel, die er am liebsten nie wieder gesehen hätte. Dauernd hatten sie Stress und es wurde auch schon mal lauter im Lockerroom, sobald sie beide aufeinander trafen. Es war einfach Antipathie vom ersten Augenblick an. Sobald sie sich sahen, ging es los. So auch jetzt.
Der andere war aufgesprungen und Joe stand ihm angespannt gegenüber.