Seit Tagen reagierte Salome auf keinen Anruf und keine Nachricht mehr von ihm. Harald kam es schon fast vor, als wären Wochen vergangen, so unerträglich war für ihn jede Stunde. Auch der Plan sich abzulenken, funktionierte nicht so, wie er es geplant hatte.
Gerade saß er im Garten von Oli, um ihn herum Steini, Steppi und Mads. Da Steini durch den Mannschaftsfunk mitgekriegt hatte, dass Harald angeblich vergeben war, ließ er sich nicht ruhig stellen.
Erst als Harald genervt aufseufzte und sich damit anschickte, etwas zu sagen, verstummte Steini schlagartig.
"Steini, lass es, okay? Ich bin in keiner Beziehung", brummte Harald.
Nicht nur Steini hob fragend die Augenbrauen, auch Steppi und Mads wurden hellhörig.
"Habt ihr euch schon getroffen?", fragte Steppi vorsichtig nach, aber Harald warf einen vielsagenden Blick zu Steini. Solange die Tratschtante der Mannschaft zuhörte, würde er kein Sterbenswörtchen von sich geben.
Mads verstand die Andeutung schneller als Steppi und schnappte sich Steini am Hemdkragen, um mit ihm außer Hörweite zu verschwinden.
Er konnte sich sicher sein, dass er alles später von Harald erfahren würde, spätestens bei der nächsten Auswärtsfahrt übermorgen, wenn sie sich die Zimmer teilen würden.
"Was ist passiert?", fragte Steppi, sobald Steini außer Hörweite war. Das betrübte Gesicht, das Harald gemacht hatte, als er Steini abgewiesen hatte, alarmierte ihn.
"Wir haben uns getroffen, aber es war nicht wirklich gut, zumindest der Schluss nicht", gab Harald knirschend zu.
Fragend hob Steppi die Augenbrauen. Er wollte Harald nicht drängen, aber er hatte ihn neugierig gemacht.
"Weiß sie denn jetzt, was du arbeitest?", wagte Steppi einen Schuss ins Blaue. Die Grimasse, zu der Harald sein Gesicht verzog, gab Steppi recht.
"Ja, weiß sie, ich habe es ihr sagen müssen. Mich hat ein kleines Mädchen um ein Autogramm gebeten, als wir essen waren, und da konnte ich schlecht noch irgendwas leugnen."
"Oh", machte Steppi, denn er ahnte, auf was diese Geschichte hinauslaufen würde.
"Damit war sie nicht so glücklich?".
"Kann man wohl so nennen", grinste Harald.
"Was denkt sie?".
Harald lehnte sich auf em Stuhl zurück und überblickte die nähere Umgebung. Details wollte er Steini überhaupt nicht erzählen. Steini war aber mit Oli beschäftigt, sie standen in der Nähe der Terassentür und waren in ein Gespräch vertieft. Mads konnte er nirgendwo sehen. Schließlich entschloss er sich dazu, Steppi alles zu erzählen.
"Ich glaube, sie denkt, ich habe es absichtlich verheimlicht. Sie hat sehr schnell geredet, ich habe nicht alles verstanden, aber sie ist danach wütend weggegangen und reagiert auf nichts mehr, nicht auf Anrufe und nicht auf Nachrichten."
"Oh, das ist hart", kommentierte Steppi und klopfte Harald auf die Schulter.
"Was machst du jetzt? Versuchst du weiter, sie anzurufen?".
Harald hob die Schultern, er wusste es wirklich nicht. Er wollte wieder Kontakt mit ihr, aber was würde er noch tun müssen?
"Ich weiß nicht. Anrufen vielleicht nicht, aber ich traue mich noch nicht, bei ihr vorbeizufahren. Sie kann mich jederzeit dort rauswerfen und dann bin ich genau so weit wie vorher, das bringt mir nichts."
Steppi nickte beipflichtend, er war derselben Meinung.
"Das ist wirklich schlecht. Und wenn du sie einfach in Ruhe lässt?", schlug Steppi vor.
Harald biss sich auf die Lippe.
"Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Aber es ist verrückt, ich will das nicht. Ich weiß noch nicht mal genau, wieso, aber ich kann sie nicht in Ruhe lassen, wenn ich weiß, dass es ihr schlecht geht."
Steppi hätte Harald dafür ausschimpfen können, dass er so naiv war, aber er grinste nur in sich hinein. Es war noch gar nicht so lage her, da war Steppi ähnlich naiv vorgegangen wie Harald jetzt, und bisher hatte es jedenfalls zum Erfolg geführt. Deshalb hatte er für Haralds Worte nur ein mildes Lächeln übrig.
"Ich kann echt verstehen, wie es dir geht", seufzte er deshalb und klopfte Harald tröstend auf die Schulter.
"War es bei dir genau so, als Julia nicht mit dir zusammen sein wollte?", fragte Harald nach.
Steppi nickte.
"Ich wollte das auch nicht aufgeben, und ich habe es auch nie, aber es war erst besser als ich nicht mehr jeden Tag versucht habe, ihr hinterherzulaufen. Dann kam es irgendwann automatisch, es hat dann gar nicht mehr lange gedauert...".
Harald ließ die Worte in Ruhe auf sich wirken. Dass Steppis Vorgehen ein Erfolg war, war kein Geheimnis geblieben. Aber sollte er wirklich genau so vorgehen? Er wusste viel weniger von Salome als Steppi von Julia gewusst hatte- er wusste nicht wo sie wohnte beispielsweise.
Andererseits hatte Steppi aus dieser Information überhaupt keinen Nutzen gezogen, nur ihre Handynummer hatte er ab und zu gebraucht. Ähnlich wie Harald jetzt.
Er schlug mit einem frustrierten Seufzen die Hände vor das Gesicht.
"Frauen sind immer so kompliziert", murmelte er.
Harald fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht, um einen klaren Kopf zu bekommen, aber es half nicht.
"Was ist. wenn gar nichts passiert, nicht so wie bei dir?", fragte er dann Steppi.
"Dann...", überlegte Steppi laut, "... dann... dann solltest du einfach hingehen. So schlecht findet sie dich doch nicht, oder doch?".
"Bin ich mir nicht mehr sicher", grummelte Harald.
In ihre Gedanken vertieft, schreckten sowohl Steppi als auch Harald auf, als sich Oli zu den beiden setzte.
"Harry, geht es dir gut? Du siehst in den letzten Tagen nicht so glücklich aus", kam er sofort zum Punkt.
Steppi streifte Oli mit einem warnenden Blick, aber der schien es nicht zu bemerken, er war zu sehr auf Harald konzentriert.
"Doch, eigentlich alles okay, danke, Oli", antwortete Harald ausweichend, aber er kannte Oli zu gut, um zu wissen, dass er mit dieser Antwort nicht zufrieden sein würde.
Tatsächlich zog sich ihr Teammanager eine Gartenstuhl heran und setzte sich zu dem Duo.
"Wenn du so guckst, ist irgendwas. So hast du das letzte mal geguckt, als du mir von Salome erzählt hast, der Kleinen da. Warte mal...".
Bei Oli klickten zwei Rädchen ineinander.
"Was ist los mit dem Mädchen?".
Harald seufzte ergeben. Jetzt Oli etwas vorzulügen war quasi unmöglich, also entschied er sich für die Wahrheit.
"Sie redet nicht mehr mit mir", begann er und Oli hob überrascht die Augenbrauen.
"Ich habe ihr nicht gesagt, dass ich 'berühmt' bin", Harald formte mit den Fingern Anführungszeichen, "aber wir haben nie darüber gesprochen, also ich habe sie nicht angelogen. Wir waren dann etwas essen und da wurde ich nach einem Autogramm gefragt und naja...".
"Da hat sie es mitgekriegt und kommt sich jetzt von dir verarscht vor?", kombinierte Oli und wurde durch Haralds Nicken bestätigt.
Oli seufzte ebenso schwer wie Harald und verschränkte seine Arme vor der Brust.
"Ihr sucht euch immer Freundinnen aus, da hab ich ja schon keine Lust mehr drauf als alter Mann. Und nun hast du Liebeskummer, mh?".
Energisch schüttelte Harald den Kopf.
"Nein! Ich muss sie ja noch nicht aufgeben, oder? Bei Steppi hat es auch erst beim zweiten Mal geklappt und seitdem ist alles gut. Das kann doch bei mir genau so sein!".
"Okay, da scheint es dich ja voll erwischt zu haben", stellte Oli mit fachmännischem Nicken fest, "aber lass dir von einem alten Mann gesagt sein, dass Beziehungen nicht immer so kompliziert sein müssen. Du könntest eine Menge Frauen haben, da könntest du dir diese Salome auch aus dem Kopf schlagen.
"Will ich aber nicht", konterte Harald trotzig und machte Anstalten, aufzustehen. Er hatte keine Lust, sich von Oli über Beziehungen belehren zu lassen, nur weil er über zehn Jahre älter war..
"Bleib sitzen, Harry!".
Oli packte Harald am Arm und zog ihn wieder auf seinen Stuhl.
"Tut mir leid, wenn das eben ein bisschen zu viel für dich war. Ich wusste nicht, dass du noch so sehr an der Kleinen hängst. Das war ja von mir auch nicht böse gemeint und du musst meinen Rat auch gar nicht befolgen, aber schlechte Stimmung zwischen uns will ich nicht, alles klar?".
Harald ließ sich Olis Worte durch den Kopf gehen und gab ihm schließlich Recht, er meinte es vermutlich wirklich nur gut mit ihm.
"Okay Oli, angenommen", sagte er schließlich.
Die Antwort quittierte Oli mit einem erleichterten Lächeln.
"Du packst das mit der Kleinen schon irgendwie, oder? Und wenn nicht, dann halt nicht. Aber wenn du Hilfe brauchst, kannst du immer herkommen. Hast du denn schon einen Plan?".
"Noch nicht so ganz, aber Ideen", wand sich Harald und blickte hilfesuchend zu Steppi. Er wollte nicht noch ein weiteres Mal ausgehorcht werden. Dass er von Steini verschont geblieben war war schon gut, aber die Details vor Oli zu verbergen wäre noch besser.
"Lass ihn doch erst mal alles ausprobieren", sprang Steppi Harald zur Seite.
"Wir haben gerade schon über alles gesprochen und bevor er nicht nochmal bei ihr war, sind wir auch nicht weiter als vorher."
Oli musterte Steppi einen Moment lang, darüber nachdenkend, was er ihm damit sagen wollte. Schließlich verstand er den Wink mit dem Zaunpfahl und nickte.
"Alles klar, hast ja recht, Steppi. Aber mein Angebot steht trotzdem noch, wenn was ist, kannst du immer zu mir kommen."
Harald nickte erleichtert darüber, dass Steppi ihn gerettet hatte.
"Danke Oli, ich denke dran, wenn ich es brauche."
Dann erhob sich Oli wieder von dem Stuhl, murmelte etwas von anderen Gästen und verschwand in der Menschenmenge, die den Garten inzwischen füllte.
"Danke für deine Hilfe", seufzte Harald und entspannte sich wieder.
Steppi knuffte ihn in den Oberarm.
- "Kein Problem, mach ich immer gerne."