Jil
Als Tessa Hope zuzwinkert, spüre ich, wie mein Herz schneller zu schlagen beginnt. Instinktiv werfe ich ihr einen bösen Blick zu. Sie sollte die Brünette lediglich fragen, ob sie sich neben uns setzt und sich nicht so peinlich benehmen.
Ich stoße ihr meinen Ellenbogen sanft und gleichzeitig warnen in die Seite. "Was?", fragt sie mich leise flüsternd. "Benimm dich", zische ich und versuche meine Konzentration dann auf die Tafel zu lenken. "Mache ich doch", sie beginnt auf ihrem Collegeblock herumzumalen. Ich rolle mit den Augen. Dass sie heute so flirty ist, gefällt mir gar nicht. Besonders nicht im Bezug auf Hope. Zwar bin ich mir ziemlich sicher, dass meine beste Freundin nicht ernsthaft an Mädchen interessiert ist, doch ganz sicher bin ich mir da nicht. Hin und wieder macht sie nämlich gewisse Anspielungen. Man kann ja nie wissen.
Nun, da wir nicht mehr diskutieren, spüre ich Hopes Präsenz viel stärker als zuvor neben mir. Von der Seite werfe ich ihr einen verstohlenen Blick zu. Sie ist gerade dabei etwas von der Tafel abzuschreiben, was mir die Möglichkeit gibt, ihr einen unbemerkten Blick zu schenken. Mein kleines, dummes Herz beginnt augenblicklich schneller zu schlagen und ich kann nichts dagegen tun. Doch egal wie sehr ich es dafür hasse, muss ich zugeben, dass es vielleicht recht hat. Hope bringt es zum Klopfen und das haben bisher noch nicht viele Leute geschafft.
"Hat einer von euch einen Marker für mich?", fragt Hope nach und wendet uns ihr Gesicht zu. Sofort fühle ich mich ertappt und beginne schnell in meinem Etui herumzukramen. Hoffentlich hat sie nicht gemerkt, dass ich sie angestarrt habe. Andernfalls wäre das echt peinlich.
"Ja, ich habe noch einen", ich ziehe einen grünen Marker hervor. Als ich ihr den Stift reiche, hebe ich den Kopf wieder und sehe sie an. Sie schenkt mir ein dankbares Lächeln und ich kann nichts anders, als es zu erwidern.
Als sie nach dem Stift greift, berühren sich unsere Finger. Auch wenn es sich nur um einen kurzen Augenblick handelt, reicht das aus, um etwas in mir auszulösen. Es fühlt sich an, als würde eine besondere Energie durch mich hindurch gejagt werden.
Hope scheint genau dasselbe gespürt zu haben, denn ihre Lippen haben sich ein Stück geöffnet und es scheint, als würde sie den Atem anhalten.
Einige Sekunden lang schauen wir einander einfach nur in die Augen, studieren einander. Dann schiebt sie sich einen ihrer hellbraunen Haarsträhnen hinters Ohr: "Danke." Ich lasse den Stift wie auf ein Signal hin los und drehe mich wieder nach vorne. Es mag sich nur um wenige Sekunden gehandelt haben, doch für mich hat sich dieser Moment wie eine kleine Ewigkeit angefühlt.
Schnell versuche ich diesen Gedanken wegzuschieben. Ich finde sie lediglich sympathisch und mehr nicht. Vielleicht werden wir ja Freundinnen. Mehr aber auch nicht! Etwas andere ist auch gar nicht möglich.
Hope
Leider geht die Doppelstunde Biologie viel zu schnell zu Ende. Zwar gebe ich mir Mühe mich zu konzentrieren, doch Jils Präsenz macht mich nervös. Innerlich hoffe ich darauf, dass wieder eine Situation entsteht, in der sich unsere Finger berühren. Innerlich hasse ich mich dafür diesen Moment zwischen uns unterbrochen zu haben. Würde es nach mir gehen, hätte dieser Moment ewig dauern können. Wahrscheinlich hätte Jil diese Verbindung zwischen uns, die ich gespürt habe, aber auch jeden Moment unterbrochen, wenn ich es nicht getan hätte. Obwohl ich da etwas zwischen uns gefühlt habe, was einfach nur magisch ist. Fast kam es mir so vor, als wären ganz kurz Gefühle in ihr aufgeblitzt, die sie doch nicht mehr ganz zu hetero wirken lassen.
"Als Hausaufgaben lest ihr bitte die Buchseite 61 und macht dann die Aufgaben eins und drei auf Seite 63", teilt uns unser Lehrer in den letzten Minuten vor der zweiten Pause mit. War ja klar, dass er uns schon am ersten Schultag sofort Hausaufgaben aufgeben muss. Ein wenig genervt ziehe ich mein Hausaufgabenheft hervor und trage die von ihm genannten Aufgaben ein.
Dann klingelt es zum Glück schon, was mich dazu veranlasst meine Sachen so schnell es geht wegzupacken und aufzustehen. Kurz denke ich darüber nach auf Jil zu warten, doch dann lasse ich es lieber. Dass wir in diesem Fach nebeneinander sitzen, ändert schließlich nichts an der Tatsache, dass wir uns kaum kennen. Außerdem will ich mich ihr nicht aufdrängen, sonst ist sie irgendwann nur noch genervt von mir.