Jil
Ich stochere nachdenklich in meinem Essen herum, während Thalia sich mit Raven, die ebenfalls mit uns am Tisch sitzt, unterhält. Allerdings scheint diese heute nicht sonderlich gesprächig zu sein. Langsam führe ich die Gabel an meinen Mund und stopfe das Essen notgedrungen in mich hinein. Seitdem ich in der dritten Stunde neben Hope gesessen habe, ist mir der Appetit irgendwie vergangen und es kommt mir so vor, als wäre mir die Begegnung aus irgendeinem Grund auf den Magen geschlagen. Es ist nicht so, dass ich Hope nicht mag, doch jedes Mal, wenn wir uns sehen, komme ich in einen Zwiespalt zwischen dem, was ich will, und dem, was ich wollen sollte.
In diesem Moment lässt sich jemand schwungvoll auf den Stuhl neben mir fallen. Ich hebe den Kopf und sehe in das Gesicht von Tessa. "Und? Gibt's irgendwas Neues?", sie schlägt die Beine wie immer übereinander und schenkt uns ein amüsiertes Grinsen: "Ich will tratschen, Ladys." "Also ich hab gehört, dass du am ersten Schultag mal wieder zu spät gekommen bist", ein wenig neckend sehe ich sie an und stupse sie in die Seite: "Das macht ja mal wieder einen klasse Eindruck bei den Lehrern."
Dabei versuche ich mir nicht anmerken zu lassen, dass mich etwas bedrückt. Einerseits könnte ich keiner meiner Freundinnen erklären, was mit mir ist und andererseits will ich ihnen ihre Laune auch nicht kaputt machen.
"Die Person, die beschlossen hat, dass die Schule um acht Uhr morgens anfängt, kann mich am Arsch lecken", sagt sie ehrlich und schenkt mir einen 'Hauptsache – du – hattest – deinen – Spaß' – Blick. Schließlich war ich dabei und habe mir mein Lachen nicht unbedingt verkniffen.
"So wie Bryan letzte Woche?", hakt Thalia nun grinsend nach. "Vielleicht", nun setzt Tessa einen hämischen Gesichtsausdruck auf. Ich muss mich beherrschen, um nicht mit den Augen zu rollen. Solche Gespräche sind eigentlich nichts für mich. Besonders nicht, wenn es um irgendwelche Jungs geht, mit denen Tessa irgendwas hatte. Schließlich ist das keine Seltenheit.
Doch trotzdem versuche ich Interesse zu zeigen. Meine Freundinnen hören mir schließlich auch immer zu."Du musst uns echt mehr aus deinem Leben erzählen", verlange ich, beziehe mich dabei aber eher auf die Details, die nichts mit irgendwelchen Typen zu tun haben.
Während ich spreche, sehe ich, wie sich die Tür zur Cafeteria, in der wir sitzen, öffnet. Hinein tritt Hope, gefolgt von zwei Mädchen. Ich meine mich erinnern zu können, dass beide zu den diesjährigen Stipendiaten gehören, bin mir aber nicht ganz sicher. Instinktiv richte ich meinen blonden Pferdeschwanz ein wenig nervös und streiche mein weißes Shirt glatt.
Als ich Tessas Blick bemerke, weiß ich nicht, was ich tun soll. Mit Sicherheit ist ihr mein Verhalten nicht entgangen. Doch selbst wenn das der Fall sein sollte, sagt sie nichts dazu. Als würde sie wissen, dass ich ihre Frage sowieso nicht beantworten werde.
Ich senke den Blick und warte darauf, dass Thalia ein neues Gespräch beginnt. Glücklicherweise fragt sie Tessa wie auf Kommando über ihren Urlaub aus. Dies gibt mir die Möglichkeit den Kopf wieder zu heben doch Hope ist aus meinem Blickfeld verschwunden. Stattdessen fallen mir erneut die beiden Mädchen ins Auge, die zuvor an Hopes Seite waren.
Sie kommen beinahe zielstrebig auf unseren Tisch zu. Tessa und Thalia scheinen davon aber nichts mitzubekommen. Ich beobachte die Fremden noch ein wenig, um zu schauen, ob sie wirklich auf dem Weg zu uns sieht.
Als ich bemerke, dass dies der Fall ist, werfe ich Tessa einen Blick zu. Daraufhin unterbricht sie sich selbst und sieht mich fragend an. Ich nicke mit dem Kopf still in die Richtung der beiden Mädchen und lenke den Blick meiner besten Freundin so in die Richtung der beiden.
"Was ist?", Tessa kenne ich gar nicht so grob wie sie in diesem Moment klingt. "Können wir uns dazu setzen?", fragt die Brünette der beiden. Tessa sieht Thalia und mich kurz an und verkündet dann ihre Entscheidung, als hätte sie unsere Einstellung diesbezüglich von unseren Gesichtern abgelesen: "Nein, sucht euch euren eigenen Tisch." "Es sind aber fast keine Plätze mehr frei", wirft das scheinbar selbstbewusstere Mädchen der beiden ein, während ihre Freundin auf den Boden sieht.
Sofort ist mir klar, dass das meiner besten Freundin vollkommen egal ist: "Dann kommt beim nächsten Mal entweder früher oder fragt, wen anders." Die Neue verdreht die Augen und setzt gerade zum Konter an, da packt das zweite Mädchen, eine Blondine, sie am Arm und gebietet ihr somit Einhalt. Für einen Moment tuscheln sie miteinander, verschwinden dann aber ohne ein weiteres Wort.
Direkt fühle ich mich schlecht. Tessa hingegen setzt ein gewinnendes Grinsen auf: "Wisst ihr, ich hätte da gerade so eine Idee." "Raus damit", Thalia ist sofort Feuer und Flamme.
Ich bin allerdings schon jetzt nicht sicher, ob ich begeistert sein soll. Wenn Tessa auf so einem Höhenflug ist, sind ihre Ideen meistens nicht sonderlich gut. "Was haltet ihr von einer Party zum Schuljahres Anfang bei mir zu Hause?", sie sieht uns erwartungsvoll an.
Im ersten Moment weiß ich nicht, was ich davon halten soll. Normalerweise laufen Tessas Partys ziemlich schnell aus dem Ruder. Doch auch der Gedanke, dass Hope vielleicht auch kommen würde, schießt mir durch den Kopf. "Großartige Idee", tut Thalia ihre Meinung kund und ich nicke zustimmend, aber zögerlich. Vielleicht ist die Idee ja doch gar nicht so schlecht.