Zeit heilt alle Wunden, so sagt man und wahrscheinlich ist es wahr. Über offene Wunden legt sich, sobald die Entzündung abgeklungen ist, ein schützendes Häutchen. Kaum werden wir verletzt, arbeitet unser Körper daran die Wunden zu schließen und Schaden abzuwenden. Geht alles gut, verheilt unsere Wunde. Manchmal mit Hilfe von anderen, manchmal nur durch uns selbst. Zurück bleibt eine Narbe, oder auch nicht, je nach Tiefe der Wunde und wie mit ihr umgegangen wurde.
Wird unser Ich verletzt, fehlt die schützende Haut. Nichts schließt sich sofort, die Selbstheilungskräfte kommen uns nicht zu Hilfe. Stattdessen strömen Gedanken auf uns ein, setzen sich fest, wie zäher Schmutz in einer offenen Wunde. Auf der Suche nach Desinfektion fängt der eine an zu trinken. Der andere vertreibt sich die Zeit mit Menschen, mit Reisen, Einkaufen, Joggen, Drogen, irgendwas.
Vielleicht hilft ein Glas Rotwein irgendwo draußen in einer warmen Sommernacht. Oder 30mg Anti-Depressiva. Oder ein Cocktail aus beiden, der “Melancholiker Speciale“. Vielleicht hilft aber auch nichts.
Wenn es dich loslässt wirst du es merken. Manchmal dauert es Monate, manchmal Wochen, manchmal Jahre.
Und wer weiß, vielleicht fehlt es uns sogar, wenn es soweit ist. Und wir sind versucht ein bisschen Schorf von der Wunde zu kratzen, um es nochmal bluten zu sehen.