Er ist immer da. Jeden Tag sitzt er an der gleichen Stelle. Er spielt seine Lieder. Nostalgische Lieder, voller Wehmut und Traurigkeit. Aktuelle Lieder aus den Charts. Musik, die er schon immer gespielt hat und Musik die die Leute hören wollen. Die Klänge seines Spiels schweben durch die Straßen. Wo man auch ist, man vernimmt sie. Er sitzt mitten in einer Einkaufspassage, alle eilen an ihm vorbei. Jeder ist mit sich selbst beschäftigt, in Gedanken schon beim Abholen der Kinder aus der Schule später und dem Einkauf der noch gemacht werden muss. Jeden Tag strömen die Menschen an dem Akkordeonspieler vorbei, jeden Tag sitzt er da und spielt seine Lieder und nur selten hält jemand an und wirft ihm eine Münze in seinen Becher oder lächelt ihn an. Warum? Weil es Zeit kostet.
Zeit die wir alle längst nicht mehr haben. Zeit die wir uns nicht mehr nehmen, weil wir uns selbst durch unseren Alltag hetzen. Auch ich gehöre zu den Menschen die tagtäglich, an ihm vorbei gehen. Ich streife nur flüchtig seinen Blick, nehme mir nicht mal eine Minute um seiner Musik zuzuhören. Würde ich anhalten, was würde das ändern? Ich frage mich ob jemals jemand anhält, sich je jemand die Zeit nimmt, seiner Musik bewusst zuzuhören. Und warum sitzt der alte Mann dort jeden Tag? Weil er arm ist? Oder weil er seine Musik mit den Menschen teilen möchte? Ich weiß nichts über diesen Menschen, obwohl ich ihn jeden Tag sehe, öfter also, als die meisten anderen Menschen in meinem Leben. Ich halte niemals an und nehme mir nie Zeit für ihn. Er sitzt dort auch wenn es kalt ist. Er streift dann die Tasten seines Akkordeons mit seinen dicken Handschuhen. Ich stelle mir sein Spiel schwierig vor, wenn er die Finger nicht direkt über die Tasten schweben lassen kann, aber seine Töne hören sich genau so klar an, wie sonst auch.
Letzte Woche habe ich dann doch einmal angehalten und dem Mann Geld in seinen Becher geworfen. Er hat mich angelächelt und eine solche Ruhe ausgestrahlt. Seine Dankbarkeit war ihm so deutlich ins Gesicht geschrieben und doch wirkte er so ruhig und zufrieden, als hätte er ein gutes Leben. Dieser Mann geht mir nicht mehr aus dem Kopf und er steht stellvertretend für all die Menschen die uns tagtäglich auf der Straße begegnen. Für die Menschen die Musik machen, die in der Kälte verharren und die Straßen mit ihren Klängen füllen. Nie weiß man woher sie kommen, wo sie leben und wie es ihnen geht. Und nur selten nimmt man sich tatsächlich die Zeit ihnen eine Weile zuzuhören und ihnen etwas Geld zu geben. Man ist misstrauisch, weil man nicht weiß wer diese Menschen sind. Aber wenn man sich die kurze Zeit nimmt und einen Moment in die Umgebung dieser Menschen eintaucht, wird man unter Umständen ein Lächeln auf ihre Gesichter zaubern und sie werden sich, wenn auch nur kurz, nicht ganz so allein vorkommen unter all den Menschen die sekündlich an ihnen vorbeihetzen