Meine tausend Tode
Der Schmerz war so durchdringend, dass sie keinen klaren Gedanken fassen konnte. Sie hörte nichts mehr und fühlte kaum etwas. Das einzige Reale in ihrem Leben, war der Schmerz. Er beherrschte sie so sehr, dass ihr ganzer Körper samt Geist der Schmerz war. Er wurde zu ihr. Es war als hätte er sich in sie eingeschlichen um sie langsam aber sehr wirkungsvoll zu besetzen. Er fraß sich langsam, wie eine Horde Parasiten durch sie durch. Bis sie nicht mehr da war. Er regierte jetzt. Sie gab auf, legte sich auf den Boden ihrer Küche und war bereit zu gehen. Er konnte sie haben. Sie hatte keine Kraft mehr sich zur Wehr zu setzen. Sie wollte auch nicht mehr weitermachen, war sie doch nicht mehr sie selbst.
Der Schmerz drang durch ihren Kopf mit einem Stich, als ob ein Schwert ihren Schädel durchbohren würde. Ihr Körper begann zu zittern, sie verlor auch noch das letzte Stück an Kontrolle. Sie wurde weiß, verblich, war nicht mehr wirklich sichtbar. Auch konnte sie den Boden nicht mehr spüren und die Decke nicht mehr sehen. Sie war nicht mehr da, sie starb. Es gab kein Anzeichen mehr, dass sie je existiert hatte, niemand würde sich an sie erinnern und keinem würde ihr verschwinden auffallen.
Das Apartment stand einige Stunden leer, bis sich die Atmosphäre wieder änderte. Die Stille war wieder durchbrochen worden. Es war wieder Leben im Raum. Jemand fühlte, roch, sah und lebte. Langsam kam sie wieder zurück. Sie begann erneut zu leben. Sie wurde wieder existent und spürte das auch. Der Schmerz war fast zur Gänze verschwunden. Ein kleiner Teil, weit verborgen in ihrem innersten konnte ihn noch wahrnehmen. Er lebte ebenfalls noch, er würde ebenfalls nie ganz verschwinden. Sie lebte, doch mit dem Bewusstsein jederzeit wieder sterben zu können und dabei diesen Schmerz zu fühlen. Das war ihr Leben, also stand sie auf zog sich etwas über, aß, trank, band ihr Haar zusammen. Sie verließ ihre Wohnung mit offenen Augen, bereit zuzuhören und auch sehen konnte sie wieder.