Blöd grinsend sitzt Mark auf dem Sofa in seiner Zweizimmerwohnung. Mit der rechten Hand fährt er sich über den Dreitagebart, mit der anderen wirft er ein Überraschungsei in die Luft. Wie ein kleiner rotweißer Ball wirbelt es in die Höhe, um danach sicher und unbeschadet wieder in seiner Hand zu landen. Vor ihm steht sein Rucksack, ausschließlich mit Schokoladeneiern gefüllt. Nicht einen Cent hatte er dafür bezahlt, ganz im Gegenteil. Bei dem Gedanken an diese völlig dämliche Aktion muss er lachen.
Zusammen mit seiner Freundin ging er in den Supermarkt. Beide mit Rucksäcken und einem wachsamen Blick bewaffnet. Er und Marie hatten alle Eventualitäten durchgesprochen und fühlten sich auf alles vorbereitet. Kurz vor Ladenschluss traten sie durch die elektrischen Türen. Vielleicht war das ihr erster Fehler gewesen. Die Gänge waren leer und der letze Kunde bezahlte seinen Alkohol gerade an der Kasse. Ohne die Kapuzen abzusetzen schlenderten sie hinein. Während Mark die Paletten voller Überraschungseier in seinen Rucksack gekippt hatte, lenkte Marie die Dame ab, die gerade Suppendosen ins Regal einsortierte.
Mark ist vor kurzem 24 Jahre alt geworden. Seine Freundin war zwei Jahre jünger. Was treibt zwei erwachsene Menschen nun dazu, kiloweise Schokoladeneier zu klauen? Die Antwort ist so einfach wie, wie unbedeutend. Es ging um eine Wette. Aber Mark ging es dabei nicht um das Geld, dass er gewinnen würde, wenn sie das hier durziehen würden. Er wollte den Kick. Etwas tun, das komplett schief gehen könnte und bei dem man im schlimmsten Fall nur noch weglaufen konnte.
Marie guckte in dem Moment um das Regal herum, als er die Reisverschlüsse leise zuzog. Den einen Rucksack schwingt er sich vorsichtig über die eigene Schulter, den anderen drückte er seiner Freundin in die Hand. Hämisch grinste sie ihm zu. Prickelnde Nervosität stieg in Mark auf, ganz so, als würde man an der Kante eines Hochhauses stehen und unter seinen Fußspitzen den Bürgersteig sehen, der zwanzig Stockwerke entfernt lag.
Da sie kein Geld dabei hatte, würden sie auch nichts kaufen. Der zweite Fehler. Der dritte war wohl, mit völlig leeren Rucksäcken herein zu kommen und mit welchen zu gehen, bei denen sich die Nähte schon spannten. Sie hatten die Kasse kaum hinter sich gelassen, als sie die Stimme der Mitarbeiterin hörten: „Einen Moment bitte, dürfte ich einmal in ihre Taschen schauen?“ Ohne noch eine Sekunde zu vergeuden rannten die beiden los. Die automatischen Türen öffneten sich nicht schnell genug, also griff Mark in die noch schmale Lücke und drückte die Scheiben mit reichlich Kraft auseinander. Unter dem Gebrüll der Supermarktfrau sprinteten er und Marie nach Draußen und teilten sich wie besprochen auf. Er nach rechts, sie nach links. Als Mark Schritte hinter sich hörte, hatte er keine Angst. Es war das reinste Vergnügen!
Vielleicht versuchten die wenigen Leute auf den Straßen, ihn mit ihren verwunderten Blicken aufzuhalten, aber er ließ sie schneller hinter sich, als dass sich irgendjemand sein Gesicht hätte merken können.
Er hechelte wie ein alter Hund, als er seine Wohnungstür aufschloss und die Schuhe an der bunten Fußmatte abstreifte. Den Rucksack ließ er zunächst achtlos fallen und sich selbst auf das Sofa plumpsen. Dann erinnerte er sich daran, ein Foto für die Whatsapp-Gruppe zu machen - sonst würde niemand glauben, dass er es tatsächlich geschafft hatte. Die hundert Euro hatte er sich verdient. Mark steckte das Handy wieder weg und fischte eines der Eier aus seinem Rucksack und sah es triumphierend an. Geschafft!
Noch immer wartet er auf Marie. Da sie bisher nicht gekommen ist, vermutet Mark, dass sie nicht schnell genug gelaufen ist. Sorgen macht er sich allerdings keine. Marie ist taff. Sie wird weder ihn, noch sonst jemanden verraten. Am Abend sollte sie wieder da sein.
Als sich dann endlich die Tür öffnete, kam tatsächlich seine Freundin herein. „Da bist du ja endlich“, sagt er und legt den Kopf in den Nacken, um sie sehen zu können. Marie hebt ihre leeren Hände in die Luft. „Die Eier musste ich leider abgeben.“ Mark lacht kurz auf, und wirft ihr dann seins zu.