Der vernebelte Herbstabend überfiel ihn als Herbert seinen schläfrigen Körper vor die Tür setzte.
Es wunderte ihn, denn als er das letzte Mal draußen war, war es noch so warm.
Ein Schauer überflog seinen Rücken und der kalte Wind dröhnte in seinen Ohren. Er zog sich seinen Mantel etwas enger um die Schultern und versuchte sein Gesicht vor dem kalten Wind zu schützen.
In diesem Moment dachte Herbert darüber nach, zurück in sein Haus zu flüchten, wo es immer warm war. Doch er hatte etwas Wichtiges zu erledigen, also trotzte er dem Wetter und machte sich auf seinen Weg.
Die Kiesel des kleinen Pfades bohrten sich durch seine dünnen Schuhe und ließen ihn ab und an straucheln. Doch er hielt seinen Blick auf die düstere Silhouette der Baumwipfel gerichtet und ging weiter. Es war schon spät, er durfte nicht trödeln.
Das nasse Laub unter seinen Füßen bildete einen nassen, dunklen Teppich, während immer wieder vereinzelte Blätter vom Wind durch die Luft gewirbelt wurden.
Herbert schaute um sich.
Das Gefühl, dass er verfolgt wurde, ließ sich nicht abschütteln. Vielleicht war er auch nur paranoid. Er hatte es eilig und keine Zeit, um sie für solches Verhalten zu verplempern.
Seine Schultern verkrampften sich unwillkürlich und seine Schritte beschleunigten sich. Die Schatten schienen ihn von allen Seiten greifen zu wollen und doch wusste er, dass das alles nur eine Illusion war, lediglich seiner Fantasie entsprang.
Herbert zwang sich, den Blick abzuwenden und so lief er schnell weiter, den Blick immer starr auf den Weg gerichtet. Der Wald, auf den er zulief, kam immer näher, die Bäume türmten sich vor seinem Auge auf und doch wusste er nicht, was ihn in diesem Wald erwarten würde.
Fast hätte er an seiner Entscheidung gezweifelt, doch irgendetwas an diesem Wald zog ihn wie magisch an. Seine Angst wurde von Neugier überlagert und diesmal würde er ganz sicher nicht kneifen.
Es hatte ihn schon so einige Male zu diesem gruseligen Ort gezogen, immer abends, wenn er während des Essens aus dem Küchenfenster sah. Eine innere Sehnsucht verlangte danach zu wissen, was sich Besonderes hinter all den Büschen und Zweigen verbarg.
Eigentlich hatte Herbert nie etwas Ungewöhnliches an diesem Wald gesehen, doch er spürte immer, dass dieser Ort nicht normal war. Und mit jedem Tag, der verstricht, wurde der Hunger, die Neugier, herauszufinden, was sich dort verbarg, immer größer.
Schon einige Male hatte es ihn an den Rand dieses rätselhaften Ortes getrieben, doch er hatte sich nie überwinden können, hatte nie den Mut gehabt ihn zu betreten. Bei jedem Versuch war er gescheitert und entmutigt wieder zurück nach Hause gekehrt. Doch diesmal war es anders. Er konnte nicht noch länger warten!
Herbert ballte seine Hände zu Fäusten, atmete tief die schneidend kalte Luft ein und setzte den Fuß auf den weichen, moosbedeckten Boden. Er gab unter jedem Schritt, den Herbert tat, nach und schmatzte leise, da es erst vor wenigen Tagen geregnet hatte.
Doch neben den Geräuschen, die die Natur von sich gab, war Herbert sich sicher, einen Schatten in seinem Rücken zu haben, der sich zwar nicht näherte, aber ihn aufmerksam mit seinem Blickt verfolgte.
Ruckartig drehte er sich mit der Sicherheit, den Übeltäter zu ertappen, um, doch hinter ihm war nur ein einsamer Weg und dann... endloser Nebel. In keine Richtung konnte er weiter als zehn Meter sehen.
Der kalte Schauer, welcher Herbert über den Rücken lief, als ein dicker Tropfen Wasser von einem Ast über ihm tropfte, half ihm nicht dabei, sich weniger verfolgt zu fühlen. Vielleicht war es doch keine gute Idee gewesen, ausgerechnet heute herzukommen?
Er wusste, dass es keine gute Idee war, hier zu sein. Nicht zu dieser Uhrzeit. Doch etwas in seinem Innern zog ihn immer noch näher zum Wald.
Es war ganz sicher keine gute Idee - aber er musste es tun.
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