Im Speisezimmer saßen Draco, Narcissa und Severus bereits auf ihren Plätzen. Der gedeckte Tisch lud zum Bewundern ein. Das schneeweiße Tafeltuch passte hervorragend zu dem Blumengesteck mit Calla und dem zarten Porzellan mit Schwanenmuster. Die Kristallgläser spiegelten sich im Silberglanz der Tischleuchter. Die Schönheit schüchterte Harry ein. Jemand schien der Meinung zu sein, er dürfte so schöne und elegante Dinge sehen. „Setz Dich bitte auf den Platz neben Draco und leg Dir die Serviette auf den Schoß.“, sag die Dame des Hauses. Sie hatte die Unsicherheit natürlich bemerkt und lächelte ihn an. „Sie sind sehr schön, Madam.“, rutschte es Harry heraus. Lucius und Draco stimmten ihm sofort zu. Sie war es wirklich. Hohe Wangenknochen, schwarzes glänzendes Haar und ein feingeschnittenes Gesicht unterstrichen ihren natürlichen Adel. Snape dachte an die jüngere Petunia Dursley und schwieg dazu. „Danke, Harry. Aber sag einfach Narcissa zu mir.“ Hatte sie bis eben noch Zweifel gehabt, ob es eine gute Idee war den Pottererben aufzunehmen, verflogen diese unmittelbar.
Nachdem nun alle ihren Platz gefunden hatten, servierten die Hauselfen das Essen. Diese kleinen Geschöpfe mit den großen Ohren gefielen Harry sehr, vor allem nach dem er erfuhr, dass es ihre Aufgabe war, die Hausarbeit zu erledigen. Bei der Dursley hatte er die Rolle des Hauselfen eingenommen, aber vielleicht sollte er das lieber nicht erwähnen. „Hexen und Zauberer sollten mit derartiger Arbeit nicht belastet werden. Es lenkt sie von den wichtigen Dingen ab – Magie zu erforschen oder wirken.“, meinte Severus. „Man braucht sehr viel Zeit und Übung um Tränke herzustellen oder Zauber zu erlernen.“ Offensichtlich musste Zauberer sehr fleißig sein, damit sie gut waren. Er nahm sich vor, sehr fleißig zu sein und wirklich alles zu tun um seine Familie stolz zu machen.
Harry konnte die vielen neuen Eindrücke kaum verarbeiten. Leise Musik spielte im Hintergrund. Kerzenlicht gab Wärme und Geborgenheit. Draco schien wirklich sehr nett zu sein, versprach er doch am nächsten Tag gleich das ganz Gelände zu zeigen. Malfoy Manor schien riesig zu sein. Womöglich war es größer, als ganz Little Whinging. Harry aß mit gutem Appetit Hühnchen mit Gemüse und Kartoffeln und hörte still zu. Zum Dessert gab es ein wenig Obst und Vanillepudding. Er fühlte sich wie im Himmel.
„Harry, morgen früh möchte ich Dich von einem Heiler untersuchen lassen. Wir machen uns Sorgen, dass Du wegen dieser Muggel vielleicht verletzt warst oder bist.“, sagte Lucius behutsam. „Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen. Ich habe nur ein paar blaue Flecke. Alles andere ist wieder heil.“ Harry wollte nicht noch mehr Aufwand machen. Vernon hatte ihm gesagt das Arztbesuche teuer waren. Doch dann bemerkte er, dass alle Augen auf ihm lagen. Draco war aufrichtig schockiert. Kluger Zug die Verletzungen und Hämatome dokumentierten zu lassen, dachte Snape. Nachdrücklich sagte Narcissa: „Es ist uns wichtig, dass Du ganz gesund bist. Du bist doch einverstanden?“ Harry nickte und sah auf seinen Teller. Hier waren alle so besorgt um ihn und freundlich.
„Du musst Dich nicht dafür schämen, was Dir diese Muggel angetan haben. Sie und ihre Muggelfreunde müssten sich schämen.“ Freunde von Muggeln – wer sollte mit den Dursleys befreundet sein können? Er fragte lieber nicht. Diese ganze Aufmerksamkeit war doch ein bisschen viel. „Nachdem wir beim Heiler waren, bummeln wir zusammen durch die Winkelgasse. Du wirst es sehr mögen.“ Winkelgasse? Offensichtlich war es schön dort. Draco war zumindest begeistert.
Nach dem Essen packten die beiden Jungs ihre hübschen Zaubertrankkästen aus. Severus stellte fest, dass nicht nur sein Patenkind, sondern auch Potter ein deutliches Interesse an den Zutaten und Zusammenhängen hatte. Er zeigte ihnen die Herstellung eines sehr einfachen Heiltrankes. Harry gelang es sofort die vorgegebenen Farbe zu erzeugen. Seine Erfahrungen vom Kochen erleichterten ihm den Umgang mit dem Rezept ungemein. Irgendwann begannen die Jungs zu gähnen und wurden zu Bett gebracht. Severus kümmerte sich um Draco und Lucius um Harry.
Diese Erfahrung war die prägendste des Abends. Lucius sagte ihm am Bett: „Du hast Talent für Zaubertränke und vieles mehr. Nutze es gut und arbeite härter als andere.“ Noch nie hatte jemand zu Harry gesagt, er hätte für irgendetwas Talent. Lucius war wirklich nett. Der Junge hatte einige Fragen: „Was sind Muggelfreunde?“ Malfoy konnte das Grinsen nur schwer unterdrücken: „Es gibt Zauberer, die der Meinung sind, dass Muggel gute Menschen sind. Ich denke das nicht. Sie bezweifeln die Macht der Magie. Mach Dir aber bitte ein eigenes Bild davon. Wer diese Muggelfreunde sind, wirst Du sehr schnell feststellen. Hier bei uns zuhause gibt es aber keine.“ Das klang irgendwie beruhigend. „Du kannst übrigens Mum und Dad zu Narcissa und mir sagen, natürlich nur wenn Du möchtest.“
„Ich gehe jetzt ja nicht zur Schule und bis zu den Sommerferien dauert es noch.“ Sein Vater, ein wunderschönes Wort Vater, strich ihm über die Stirn. „Übermorgen kommt Euer Privatlehrer wieder. Bisher hat er Draco allein unterrichtet. Zu zweit habt Ihr sicher auch beim Lernen mehr Spaß. Der Unterricht ist jeden Tag von Montag bis Freitag von 08:00 – 12:00 und von 13:00 – 16:00. Das klingt erst mal viel. Aber dann könnt Ihr beide bis zum Abendessen spielen, lesen oder malen – ganz wie Ihr möchtet. Wenn die Sommerferien vorbei sind, hast Du bestimmt alles aufgeholt, was Dir jetzt noch fehlt. Am 01. September beginnt dann Dein erstes Jahr in Hogwarts.“ Harry gähnte noch einmal sehr herzhaft und schlief dann sehr glücklich ein. Er war endlich zuhause.