Lucius verzog keine Miene, als Harry zu Dobby wieder „Danke, Sir.“, sagte. Er registrierte die Tatsache dennoch genau. Der richtige Zeitpunkt, Harry den Umgang mit Hauselfen zu vermitteln, war noch nicht gekommen. Allerdings würde er Dobby selbstverständlich deutlich machen, wie richtiges Verhalten aussah. Sie beendeten das Abendessen ruhig mit einem kleinen Obstsalat. Man aß mittags nur eine Kleinigkeit, weil jeder seine Pflichten hatte, dafür abends gemeinsam und ausgiebig. „Darf ich aufstehen, Mum?“, fragte Draco, der mit dem Essen fertig war. „Wir bleiben am Tisch, bis alle aufgegessen haben.“, antwortete Narcissa mit Blick auf Harry, der noch etwas Saft und ein paar Erdbeeren hatte. Draco verzog das Gesicht nur ganz leicht, eigentlich wartete er gerne auf seinen Bruder. Geschwister haben, war ziemlich cool.
Ihre Eltern sprachen mal wieder über diesen Fabian, der ihm, wenn es nach seinem Vater ging, Klavierunterricht geben sollte. Draco hörte nicht zu und Harry wusste ohnehin nicht so richtig, worum es ging. Narcissa gefiel Fabians Musik wohl nicht: „Lucius. Bitte. Fabian kann ein Klavier nicht von einem Cembalo unterscheiden. Warum sollte er Dracos Talent fördern können? Geben wir eine Anzeige im Tagespropheten auf. Dann können wir uns verschiedene Musiker anhören.“ Lucius schwieg und sah seine Frau nur an. „Wollen wir am Samstag in zwei Wochen mal in den Zoo in Muggellondon gehen?“, fragte er seine Kinder. Draco wusste, wenn sein Vater akut das Thema wechselte, sollte man besser darauf eingehen. Narcissa mochte Ausflüge nach Muggellondon, genauso sehr wie andere Menschen Zahnarztbesuche. „Oh´ toll.“, sagte Draco. „Ich mag am liebsten die Schlangen.“ Harry mochte Schlangen auch sehr, aber eigentlich mochte er Löwen lieber. „Löwen sind mutig. Ich finde sie besser, als Schlangen. Obwohl Schlangen auch ziemlich gut sind.“ Alle sahen ihn an. Plötzlich hatte er das Gefühl, etwas grundsätzlich Falsches gesagt zu haben. Niemand kritisierte ihn, aber trotzdem spürte er genau, dass er das nicht hätte sagen sollen. Er wusste nicht, was falsch daran war, Löwen zu mögen.
Das Abendessen war vorbei und Lucius entließ die Kinder zum Spielen bis zum Schlafen gehen. Er ging in die Küche, was bei den Hauselfen Panik aufkommen ließ. Master Malfoy kam nur in die Küche, wenn er unzufrieden war. „Dobby, komm her. Ich habe mit dir zu reden.“ Die Stimme verriet nichts, über seine Laune, aber niemand erwartete etwas Gutes. „Master Malfoy, was Dobby für Sie tun?“, fragte der kleine Elf scheu. Er ahnte zwar, worum es ging, wusste aber nicht, wie Master Malfoy ihn bestrafen würde. „Seit wann werden auf Malfoy Manor Hauselfen mit Sir angesprochen?“, fragte Lucius ihn rhetorisch. Dobby spürte Angst. Master Malfoy hatte wirklich schlechte Laune, wenn er schon anfing Fragen zu stellen. Wenn Dobby Glück hatte, würde sein Herr ihn nur schlagen.
So viel Glück hatte er nicht. Malfoys gesamter Ärger über Narcissa, wegen Fabian und letztlich auch wegen der Löwensachen ergoß sich in Form grausamer Flüche über den kleiner Körper. Dobby biß die Zähne bei der Bestrafung zusammen und hielt schweigend aus. Wenn er jetzt weinte oder schrie, würde Master Malfoy nur noch strenger werden. Als Malfoy mit dem Hauselfen fertig, wusste Dobby noch immer nicht, wie er sich richtig verhalten sollte. Er konnte Master Potter weder widersprechen, noch durfte er sich mit Sir anreden lassen. „Sollte ich so etwas noch einmal erleben müssen, werde ich die Methoden meines Vaters anwenden. Das gilt übrigens für jeden Hauselfen. Ich erwarte Gehorsam und Respekt.“ Dobby schaffte es gerade noch, sich für die Bestrafung zu bedanken. Die Angst, was die Methoden von Abraxas anging, stand in den Gesichtern der Hauselfen. Gegen seinen verstorbenen Vater war Lucius Malfoy tatsächlich ein Engel.
Die Jungs spielten oben in Dracos Zimmer mit den Zaubertrankkästen. Harry überlegte die ganze Zeit, was falsch an den Löwen war. Er kam einfach nicht darauf. Sie packten die Sachen gerade zusammen. Da fasste er sich ein Herz und fragte Draco: „Warum hast Du vorhin so komisch geschaut, als ich gesagt habe, wie gern ich Löwen hab´. Magst Du keine?“ Natürlich hatte Draco nicht daran gedacht, dass Harry die Wappentiere aus Hogwarts nicht kannte. Er erklärte es aber gerne und schloß die Erklärung: „Gryffindors sind meistens Muggelfreunde und Spinner. Mum und Dad und alle unsere Freunde waren in Slytherin. Unsere Hausfarben sind Grün, Schwarz und Silber. Severus ist sogar Hauslehrer in Slytherin, deshalb möchte ich dort auch hin.“
Muggelfreunde, dachte sein Bruder. Muggel wie Vernon Dursley. Ekel stieg in dem Jungen auf. Er trank schnell einen Schluck Kürbissaft. Harry verstand natürlich, dass man das Wappentier des verfeindeten Hauses, noch dazu von Muggelfreunden, nicht gut finden konnte: „Es tut mir leid, weil ich schon wieder, was nicht wusste. Ich möchte am liebsten mit Dir zusammen nach Slytherin.“ Draco strahlte ihn an. Die Aussicht sein neuer Bruder könnte in ein anderes Haus kommen, gefiel ihm nämlich überhaupt nicht. „Das klappt bestimmt. Dann wohnen wir sogar in einem Zimmer.“ Auf keinen Fall wollte Harry nach Gryffindor, entschied er sich. Mit Muggelfreunden oder Spinnern wollte er nichts zu tun haben. Lucius und Narcissa kamen rein, um die Kinder ins Bett zu schicken. Narcissa wirkte etwas angespannt, sagte aber nichts Auffälliges.
Am Bettrand erzählte Harry Lucius von seinem Wunsch nach Slytherin zum kommen. Lucius lobte ihn dafür und meinte dann: „Weißt Du, Schatz, so wichtig ist die Häuserwahl nicht. Deine leiblichen Eltern waren Gryffindors und trotzdem mochte Deine Mutter Severus sehr gern. Natürlich freuen wir uns alle, wenn Du in unser Haus kommst.“ Jetzt war Harry richtig verwirrt: „Meine Mutter mochte Muggel?“ Ein nachsichtiges Lächeln erschien auf Lucius Gesicht: „Lily wusste es einfach nicht besser. Jeder kann mal einen Fehler machen. Sie kam nicht aus einem magischen Haushalt. Da hat man ihr nicht gesagt, welches das richtige Haus ist. Aber Du weißt selbst, wie Muggel sind. Severus würde sich sicher freuen, wenn Draco und Du zusammen in Slytherin seid.“
Er streichelte dem Jungen über die Stirn. Harry ließ es sich gerne gefallen. Lucius fasste ihn nie so an, wie Vernon es getan hatte. Lucius Händen waren weich und gepflegt. Sie dufteten leicht nach Sandel, Tabak und Geborgenheit. „Wie hat Dir das Fliegen heute gefallen?“, fragte er seinen Pflegling. „Es war richtig toll. Mit Draco zusammen macht mir alles Spaß.“ Lucius schlug vor, Fliegen und Quidditch zu trainieren, was Harry begeistert quittierte. Ruhig und scheinbar beiläufig erwähnte er noch ein Detail: „Weißt Du, Harry, es ist für Hauselfen nicht gut, wenn man sie wie Menschen behandelt. Davon verlieren sie den Respekt vor Zauberern, wie schlecht erzogene Hunde. Es wäre besser, wenn Du Dobby oder andere Hauselfen nicht mit Sir ansprichst. Narcissa oder ich müssen sie sonst wieder erziehen, dabei verbringen wir viel lieber Zeit mit Euch. Jetzt wird aber geschlafen.“