In dieser Nacht warf sich Harry unruhig in seinem Himmelbett hin und her. Es war nicht nur die Angst vor den in Aussicht gestellten Schmerzen bei der Behandlung von Heiler Summer, sondern auch die Sorge zurück in den Lingusterweg zu müssen. Er traf eine Entscheidung. Für sein Zuhause würde er Kämpfen. Es gab Menschen, die ihm eine Heimat boten, die ihn unterstützten und lehrten. Er gab das nicht wieder auf. Severus hatte ihm beim Abschied gesagt: „Ein guter Zauberer ist Herr seiner Gefühle und Leidenschaften. Er bezwingt seine Feinde genauso wie seine Schwächen.“ Außerdem hatte er Severus fest versprochen nicht zu weinen, wenn er morgen Schmerzen oder Angst hätte. „Deine Mutter wäre dann sehr stolz auf Dich.“, klang es in ihm nach. Sie sprachen manchmal von seiner Mutter. Auch das war schön. Bisher hatte er nie viel über sie erfahren. Petunia und Vernon sprachen höchstens abfällig über Lily und James. Severus Tonfall schien wärmer zu werden, wenn er von Lily sprach. Über James wurde nicht gesprochen – vermutlich kannten sie sich nicht so gut.
Weit vor sechs Uhr konnte er nicht schlafen. Also tapste er zu seinem Schreibtisch und schnappte sein Buch für Pflege magischer Geschöpfe. Die Kühle des Morgens erfrischte ihn einwenig. Über Nacht blieb das Fenster offen, weil Narcissa meinte, frische Luft sei gut für ihn. Früher hatte er nicht viel gelesen, weil er viel zu viele Pflichten hatte. Vernon sagte öfter, Harry brauche nicht zu lernen, er sei ohnehin zu nichts zu gebrauchen. Mr. Eleven, Lucius und Narcissa dagegen ermutigten beide Jungs beständig zu lernen. Für Draco waren die freundlichen Ermahnungen eher Hinweise, für Harry waren sie klare Aufgaben. Man erwartete gute Schulnoten.
An diesem Morgen hatte er bereits knapp 20 Seiten in „Magische Wesen und wo sie zu finden sind“ gelesen. Dobby klopfte vorsichtig an, ehe er hereinkam. „Guten Morgen, Master Potter.“, sagte er höflich. „Hallo Dobby. Hast Du gut geschlafen?“ Dobby wusste nicht recht, was er darauf antworten sollte. Der junge Master Potter behandelte ihn immer ausgezeichnet, aber er hatte große Angst vor Master Malfoy. „Danke, Master. Was möchten Sie frühstücken?“ Harry überlegte kurz, bevor er sich entschied: „Ich mag Tee und Brötchen mit Marmelade. Könnte ich vielleicht auch Quarkspeise haben. Die ist super lecker.“ Diese warme Art war wie ein Frühlingshauch in Malfoy Manor, darüber herrschte große Einigkeit bei den Hauselfen. „Möchten Sie die Quarkspeise lieber mit Heidelbeeren oder mit Erdbeeren, Sir?“ Dobby hoffte inständig, dass Harry keine Birnen dazu wollte. Die letzte Birne verarbeitete Poody gerade für einen Crêpe für den jungen Master Malfoy. „Erdbeeren sind super.“, kam die erlösende Antwort.
„Dobby, nimm Dir doch eine von den Schokogaleonen. Ich hab´ zu Zuviel.“ Der Hauself war zu hungrig, um lange zu überlegen und griff mit Schüchternheit nach der Süßigkeit. „Danke, Master Potter. Sie sind sehr freundlich.“ Die Galeone verschwand zügig in Dobbys Mund. Harry freute sich, dass Dobby zugriff. Vor irgendetwas schien der Kleine Angst zu haben. Vielleicht sollte Harry mal mit Lucius darüber sprechen. Er könnte die anderen Hauselfen sicher in ihre Schranken weisen, wenn sie Dobby quälten.
Das Frühstück verlief ereignislos, abgesehen davon, dass endlich die Hogewartsbriefe für Harry und Draco ankamen. Harry las den Brief mit großer Freude, bedeutete er doch, dass es bald mit der Schule los ging. Einzelunterricht machte sehr viel Spaß, aber noch mehr Kinder wie Draco zu treffen, musste einfach toll sein. Die lange Liste mit den Einkäufen überflogen die Jungs nur. Dracos redete mit großer Freude von einem weiteren Besuch in der Winkelgasse. Narcissa merkte an, dass es dafür noch genug Zeit gab. „Dobby, packt Dir ein paar Sachen ein, damit Du morgen früh bei Heiler alles hast. Was möchtest du gerne mitnehmen, damit Du nicht langweilst, wenn Du im Bett bleiben musst, Harry?“ Ratlosigkeit breitete sich in dem Jungen aus. Was brauchte man wohl bei einem Heiler? Er zuckte etwas unbeholfen mit den Schultern: „Wir können Harry mein Schachspiel und „Legenden über Merlin, den Zauberer“ mitgeben. Das ist echt spannend.“ Das klang noch einer von Dracos typischen guten Ideen. Allerdings alleine Schachspielen war auch irgendwie blöd. Außerdem konnte Harry gar kein Schach. „Wir kommen Dich heute Abend und morgen früh besuchen. Die Zeiten haben wir mit dem Heiler abgesprochen. Dann musst Du nicht solange allein bleiben.“
Der Unterricht lief bis zum Mittag. Danach hatten die Jungs noch etwas Zeit, bevor Harry weg musste. Natürlich kam das Gespräch noch einmal Dracos Kinderkrankheit. „Was hattest Du eigentlich?“ Eine schwierige Frage, weil Draco immer wieder andere Sachen gehabt hatte. Sein Abwehrsystem funktionierte nicht so gut und so durchlitt er von Drachenpocken bis Griselkrätze so ziemlich alles. Bronchitis und Magen-Darm-Infekte fehlte nicht in der langen Aufzählung. „Wow. Ich wusste gar nicht, dass es so viele Krankheiten gibt. Es tut mir echt leid, dass Du lange krank warst.“ Draco fand das aber gar nicht schlimm, weil die meisten Sachen schon lange her waren. Dudley hatte einmal Schnupfen gehabt. Petunia war nicht von seiner Seite gewichen und Harry hatte die Hausarbeit allein verrichten müssen. Er konnte deshalb 2 Tage nicht zur Schule, aber diese Sache erwähnte er nicht.