Seinen Ärger beherrschte Lucius nur mit Mühe. Jemand vom Personal musste Minerva McGonagall auf das Grundstück gelassen haben. Malfoy Manor hätte sich ihr nicht von selbst geöffnet, daran gab es keinen Zweifel. Wenn sie jedoch eingelassen wurde, wäre ihr juristisch nur schwer beizukommen. Es handelte sich dann nicht um unerlaubtes Eindringen. Aber sich für diese Frechheit würde er sich schon passend revanchieren, genauer gesagt Harry würde es für ihn übernehmen. Er musste dem Jungen die Sache nur erklären. Das Kind hatte eine natürliche Loyalität, die den Malfoys eher fremd war.
Jetzt galt es herauszufinden, wer sie eingelassen hatte. Eleven schied aus, der hatte die Sache aufgedeckt. Die Kinder hätten Minerva nur in der Katzengestalt mitgenommen. Harry schrieb allerdings, sie sei ihm zuerst im Park aufgefallen, während er im Unterricht saß. Draco wusste, dass er allein keine Tiere mitbringen durfte, weil sie gefährlich sein konnten. Narcissa würde solchen Unsinn keineswegs tun. Warum auch?
Es blieben nur die Hauselfen übrig, die er sich einzeln vornehmen würde. Scone war der Hauself, der als am gehorsamsten galt. Lucius hatte ihn vor drei Jahren von Zabini gekauft. Der jüngste Hauself kam aus einer halblegalen privaten Zucht aus Westschottland. Seine Papiere hatte Myers geprüft, der die Legalität des Kaufvertrages auch gleich notariell beglaubigt hatte. Die Beglaubigung und Registrierung hatten fast doppelt so viel gekostet, wie der Elf selbst. Scone empfand den Umgang der Malfoys mit Hauselfen positiv. Es ging ihm hier viel besser, wie bei dem Züchter. In gewisser Weise passte er damit zu Harry, aber das Thema stand auf einem anderen Blatt. Lucius läutete nach dem Personal. Elly erschien pflichtschuldig: „Sie haben geläutet, Master Malfoy?“ Er zeigte seine Ärger nicht, sondern sagte nur ruhig: „Schick mir Scone in das Erziehungszimmer.“ Elly verzog keine Miene, die verriet, was das Wort Erziehungszimmer bei ihr auslöste. Weniger kultivierte Zauberer hätten statt Erziehungszimmer wohl Folterkeller gesagt, aber Lucius Malfoy war der Inbegriff von Kultiviertheit.
Scone bebte schon, bevor er das Erziehungszimmer erreichte. Er wusste nicht, was er falsch gemacht hatte, um Master Malfoy zu derartigen Maßnahmen zu zwingen. Was immer es war, er bedauerte es bereits jetzt. Master Malfoy konnte sehr deutlich werden, wenn man Fehler machte. Auch Mistress Malfoy bestrafte das Personal, wenn es notwendig war. Sie konnte ausgesprochen anspruchsvoll sein. Trotz intensivem Nachdenken fiel ihm nichts ein, was er falsch gemacht hatte. Das war das Schlimmste, denn die erste Frage im Erziehungszimmer lautete stets gleich: „Weshalb sind wir hier?“
Der Master legte sein Buch aus der Hand, in dem er bei Scones Eintreten noch gelesen hatte. Der Raum veränderte sich nie, schon seit Abraxas Urgroßvater blieb die Zeit in diesem Zimmer grausam stehen. Man war sehr traditionsbewusst auch in dieser Hinsicht. Eines Tages würde der junge Master den Platz seines Vaters einnehmen. So war es schon immer. So würde es immer sein. Das Blut rauschte dem Hauself durch die großen Ohren. Sein Herz hämmerte in der Brust.
Scone kniete selbstverständlich vor seinem Herrn nieder: „Master Malfoy.“ Dann begann das Ritual: „Weshalb sind wir hier?“ Der Hauself richtete den Blick auf den Boden. „Ich weiß es nicht, Master.“ Sanft antwortete Lucius: „Jemand hat die Herrschaft verraten und Feinde hereingelassen. Eine Animagus hat uns ausspioniert.“ Wovon redete der Master, fragte sich der Elf. Dann fiel ihm diese Katze wieder ein. Aber er wusste nichts darüber, fast nichts. „Ich weiß nicht, wovon Sie reden, Master.“, versuchte er einen Ausweg zu finden. „Scone, ich möchte Dich nicht an Master Zabini zurückgeben müssen. Er stellt gerade eine Lieferungen für seine australischen Kunden zusammen.“ Lucius wählte seine Worte präzise. Er hatte nicht vor den Hauself zu foltern, würde aber auch nicht davor zurückschrecken. „Du bist doch ein guter Hauself. Du hast mit solchen Sachen nichts zu tun. Aber Du musst mir alles sagen, sonst muss ich Dich wieder verkaufen. Dann kann ich Dich nicht gebrauchen. Außerdem müsste ich Master Zabini sagen, dass Dich auch kein anderer Master gebrauchen kann.“
Scone war hauptsächlich verwirrt. Er hatte erwartet direkt geschlagen zu werden. Aber Master Malfoy gab ihm eine Chance. Dem Hauself war klar, dass er nur diese eine hatte. Er erzählte alles, was er wusste. Er redete von den heimlichen Kontakten, die Twenker pflegte, dass Twenker die Katze hineingelassen hatte und das Dobby dagegen gewesen war. Dobby sorgte sich um den jungen Master Potter, der immer so freundlich war. Master Malfoy hörte aufmerksam zu. Er hatte den stets rebellischen Dobby tatsächlich verdächtigt, Twenker wirkte so unauffällig. „Das hast Du gut gemacht, Scone. Trotzdem muss ich Dich bestrafen, weil Du erst jetzt geredet hast. Bring´ mir die Gerte. Du kennst die Regeln. 25 Schläge werden genügen. Du zählst mit und jammerst nicht.“ Genauso geschah es.
Scone jammerte nicht. Er war viel zu froh darüber, dass Master Malfoy ihm die Chance gegeben hatte. Sein Herr schlug nicht besonders fest zu, da kannte Scone anderes. Endlich beendete Master Malfoy die Bestrafung und strich ihm über den Kopf: „Du wirst den anderen nichts sagen, nicht wahr. Du bist ein braver Hauself und erzählst mir alles, was sie tun. Natürlich bekommst Du dann auch eine Belohnung. Du darfst Dich ab heute um Master Draco kümmern.“ Es handelte sich in der Tat um eine Belohnung, wenn man Scones bisherige Aufgaben betrachtete. Der junge Master Malfoy verlangte gehorsam, war aber nicht besonders streng.