Am Ende des zweiten Tages konnten Draco und Harry tatsächlich eine Taschenuhr in eine Maus verwandeln. Damit hatten sie das Lernziel früher erreicht, als von ihnen erwartet wurde. Dennoch wurde der Unterricht auch am dritten Tag sehr konsequent weitergeführt. Marcus versuchte unter Severus Anleitung eine einfache Arithmantikaufgabe zu lösen. Er scheiterte kläglich. Es passierte ihm in Hogwarts oft, weshalb man ihn auch Slytherin gerne mal mit einem Troll verglich. Das einzige Ansehen, das er genoß, bekam er durch sein Quidditchtalent. Er war wirklich gut in Quidditch. Aber er wollte vor seinen neuen Freunden nicht blöd dastehen, also bemühte er sich dieses Mal mehr. Die beiden künftigen Erstklässler sollten sich ein Kapitel in Geschichte der Zauberei durchlesen und dann Fragen zum Text beantworten. „Heute Nachmittag besuchen wir den Dogenpalast in Venedig und erfahren dort mehr über den Einfluss mächtiger Hofzauberer auf die Kreuzzüge. Wir beschäftigen uns mit der Macht der Zauberelite über Muggel.“, sagte Severus, der einigermaßen verzweifelt auf den zwölften falschen Lösungsansatz von Marcus sah. Er hielt den Kapitän seiner Hausmannschaft nicht wirklich für den Inbegriff von Zauberelite. „Außerdem machen wir eine Bootsfahrt durch die Altstadt von Zaubervenedig.“
Zauberelite – schon der Begriff verursachte Marcus gründliche Übelkeit. Ständig musste er sich diesen Unsinn anhören. Draco dagegen freute sich wenigstens wiedermal in die Stadt zu kommen und Harry war ohnehin alles recht. „Außerdem werden uns mit einem Studienkollegen von Lucius treffen - Professor Giacomo Casanova di Stronzo. Daher machen wir hier jetzt Schluss, zieht Euch bitte um und seid pünktlich um halb eins im Foyer.“ Draco fragte nur noch kurz: „Muggel- oder Zauberkleidung?“ Nach der Antwort "Zauberkleidung – was sonst", flüchtete Draco in Richtung seines Zimmer. Marcus folgte ihm befreit und Harry blieb zurück. „Severus, wenn Zauberer Verbrechen begehen, müssen sie dann auch in Gefängnis?“ Seinen Lehrer überraschte die Frage und er wartete auf den Hintergrund, der jedoch nicht erklärt wurde: „Im Prinzip kommen sie dann zunächst vor das Gamot, das kennst Du schon, und nach Askaban, das Zaubergefängnis, oder werden hingerichtet. Manche Zauberer ziehen es vor, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln.“ Er blieb etwas vage.
Letztlich zogen Lucius und er es auch vor, die Dinge selbst zu regeln. „Was meinst Du mit, die Dinge selbst regeln?“, fragte Harry weiter. Diese Frage hatte sich Severus selbst eingebrockt: „Lucius hat Dich nach Hause geholt, ohne dass er eine Erlaubnis des Gamots hatte. Er hat die Verantwortung übernommen.“ Harrys Wissbegierde gefiel Severus mehr und mehr. „Warum möchtest Du das von mir wissen?“, fragte er nach, bekam aber keine Antwort. Harry hatte sich entschlossen, dass die Dinge selbst regeln, besser war. Er würde die Sache selbst regeln, sobald er die Möglichkeit dazu hatte. Die Sache Vernon Dursley würde er genauso regeln, wie die Sache Mr. Flint. „Nur so, Severus. Kann ein Halbblut zur Zauberelite gehören?“ Severus dachte an Lily Evans und an sich selbst: „Viele mächtige Hexen und Zauberer wachsen unter Muggeln auf. Reines Blut ist nur eine Metapher dafür. Es kommt mehr auf Disziplin und Entschlossenheit an und den Willen zur Macht. Diese drei Eigenschaften sind für die Elite maßgeblich. Professor di Stronzo kann Dir das sicher noch tiefer erklären. Er beschäftigt sich mit Eliteforschung. Jetzt geh´ Dich umziehen und essen.“ Harry lief den anderen Jungs hinterher. Marcus mochte die ruhige Stimmung bei den Malfoys sehr. Lucius und Narzissa waren auch streng, aber trotzdem wurden sie nie laut. Außerdem war Draco noch nie geschlagen worden, darüber hatten sie gestern Abend lange heimlich in Dracos Zimmer gesprochen.
Zwei breite, verzauberte Limousinen holten sie vor dem Palazzo ab und brachten sie unauffällig nach Venedig. Sie stiegen auf dem Markusplatz aus und wurden von den Touristen begafft. Man hielt sie wohl für Schauspieler auf dem Weg zu irgendeiner Aufführung oder sogar Straßenkünstler, nur dass Straßenkünstler in der Regel keine Limousinen fuhren. Abgesehen davon, das die beiden Fahrzeuge scheinbar aus dem Nichts kamen und der Markusplatz in einer Fußgängerzone lag. Lucius führte Narcissa galant am Arm und ignorierte die Schaulustigen. Draco, Harry und Marcus bewunderten den riesigen Platz mit den vielen Menschen und nach mehr Tauben. Sie trafen direkt am Eingang der Markuskirche Professor di Stronzo, einen sehr eleganten Mann mit langem dunklen Zopf und hellblauen Augen. Man begrüßte sich freundlich und betrat den mächtigen Dom.
Narzissa erzählte den Jungs eine Menge Sachen über den Bau des Doms und die Rolle der Venezianischen Republik bei der Hexenverbrennung. Draco bewunderte den Anmut der Renaissancearchitektur Venedigs. Sie gefiel ihm wirklich, denn er hatte von seiner Mutter den Blick für alles Schöne. Marcus hoffte, dass die Besichtigung bald enden würde, nickte jedoch eifrig. Auch weil er sah wie sehr es seinen zwei neuen Freunden gefiel und er sie nicht enttäuschen wollte.
Harry interessierte sehr für die Details, die Professor di Stronzo über die Vererbung der Magie erzählte. Er ging schweigend und unauffällig neben den Männern her. Kunst war nicht sein Thema. „Meine Kollegen und ich sind uns einig darüber, dass es biologisch gar nicht möglich ist, das Muggel magiebegabte Kinder bekommen können. Grundsätzlich haben alle magiebegabten Kinder mindestens einen magischen Elternteil. Die sogenannten muggelgeborenen Kinder sind in Wahrheit Kinder magischer Eltern, die ihren leiblichen Eltern entrissen wurden.“, sagte der Italiener. Lucius und Severus hörten ebenfalls genau zu. Lucius warf ein: „Dann geht der Blutsverrat viel weiter, als man in unseren Kreisen annimmt, Giacomo? Sie liefern magische Kinder gezielt Muggeln aus? “ Der Experte stimmte zu: „Genau. Wir sehen ja an Fall Harry Potter, dass selbst prominente Kinder davor nicht geschützt sind, an Muggel ausgeliefert zu werden. Der arme Junge übrigens. Gut, dass Du ihn aufgenommen hast.“ Sein Studienfreund betrachtete ein Abbild eines fürstlichen Beraters, den man unschwer als Magier erkennen konnte. „Harry hat unter Muggeln furchtbare Dinge erduldet und diese Muggel werden vom Gamot nicht zu Rechenschaft gezogen. Fudge redet in diesem Zusammenhang von den guten Beziehungen zu Muggelpolitikern, die nicht einer Einzelfall gefährdet werden dürfen. Meiner Meinung gehört der Mann selbst nach Askaban.“ Di Stronzo stimmte dem umfänglich zu.
Severus meinte dazu: „Harry Potter ist ausgesprochen begabt. Er wird eines Tages ein herausragendes Mitglied der Zaubergemeinde sein, vor allem weil er hart arbeitet. Draco ist ebenso begabt und mittlerweile angenehm ehrgeizig geworden. Die beiden Jungs werden es weit bringen, wenn man sie entsprechend anleitet.“ Es war Harry ein wenig unangenehm, dass so über ihn gesprochen wurde. Die Erwachsenen hatten ihn nicht bemerkt, aber das Draco und er es weit bringen würden, klang toll. Es war eine Art der Anerkennung die er bisher nicht kannte.