Harry schrieb seinem Vater direkt nachdem Duschen am nächsten Morgen. Er vermißte Lucius und Narzissa wirklich, auch wenn es ihm in Hogwarts grundsätzlich gefiel. Er schrieb über die Slytherins, aber auch über Hermine und natürlich über Draco. Dann bedankte er sich ausdrücklich für die gelungene Überraschung mit dem Päckchen. Seine Eltern kümmerten sich so liebevoll um ihn, wie er es nicht nie hätte träumen lassen. Er fühlte sich wie in einem Muggelmärchen. Zum Schluß schrieb er noch von den ersten Hauspunkten, die er gewonnen hatte und von Dracos Ohnegleichen in Zauberkunst.
Er nahm ein zweites Pergament und richtete es an Dobby. Ihm schrieb er, dass er das Kochbuch bereits angeschaut hätte und gerne in den Ferien für Narzissa einen Apfelkuchen backen wolle. Das Rezept schien recht simpel. Er erzählte vom Zaubertränkeunterricht und das die Hauselfen in Hogwarts nicht so toll wären wie Zuhause. Harry verzauberte ein Pergament in eine winzige Schachtel und legte einen kleinen Rosenquarzsplitter hinein. Severus hatte ihm erlaubt den Splitter aus dem Labor mitzunehmen. Der Lehrer benötigte ihn nicht, warum hätte Harry ihn nicht haben sollen. Dobby liebte Mineralien, hatte er Harry anvertraut. Leider stand es einem Hauselfen nicht zu, das Haus seiner Herrschaft mit Müll und Gerümpel zu belasten – also zum Beispiel eine Mineraliensammlung anzulegen. Ein Geschenk der Herrschaft war selbstverständlich etwas anderes.
Kurz bevor Harry Hedwig die Briefe und das Schächtelchen an den Fuß band, fiel ihm sein Zauberexperiment ein. Besonders konzentriert und absolut akkurat vollzog er den Zauber. Hedwig stieß einen deutlichen Verärgerungsschrei aus, als sie in Slytheringrün ihren Besitzer anstarrte. Es hat funktioniert, freute sich der junge Zauberer. Schnell löste er die Verfärbung wieder. Hedwig schimpfte unwillig und ließ sich nur durch das zärtliche Kraulen ihres Köpfchens sowie einen Eulenkeks beruhigen.
Draco kam zu Harry hinüber. „Zwei Briefe und ein Päckchen für Hedwig. Wem schreibst Du?“, fragte er neugierig. „Dad und Dobby.“, antwortete Harry. „Dobby kann lesen?“, staunte Draco. Er hielt die Möglichkeit, dass der Hauself lesen und schreiben konnte, für unwahrscheinlich. „Ich weiß nicht genau. Notfalls können Mum oder Dad ihm vorlesen.“ Da hatte Harry auch wieder recht.
Beim Frühstück schwatzten alle wild durcheinander. Eigentlich war die Stimmung richtig gut, bis Vincent von seiner reinblütigen Abstammung anfing. Ein paar ältere Slytherins stimmten ihm zu. „Die Abstammung ist das wichtigste. Muggelstämmige oder Halbblüter können einfach nicht richtig zaubern. Aus diesem Grund hat Salazar unser Haus begründet.“ Millicent blickte genauso verkrampft auf ihren Teller wie Harry. Am liebsten wäre sie wohl geradewegs verschwunden. Sie aß nicht und starrte nur auf ihre verbliebene Brötchenhälfte. Unentschlossen bestrich sie die Unterseite mit Butter und Honig. Es fielen weitere Sätze über die Elite der Zauberwelt, die meisten davon waren sehr dumm. Millicents Wangen verfärbten sich dunkelrot. Tränen standen ihr in den Augen. Selbst der süße Honig schmeckte bitter.
Harrys Miene gewann an Kühle, aber er schwieg. Er war schließlich kein unbeherrschter Gryffindor – wie James Potter. Severus hatte ihm oft genug vom ungezügelten Temperament der Gryffindors, speziell von James erzählt.
Irgendwann verließ er den Tisch, um zu Verteidigung gegen die dunklen Künste zu gehen. „Ich komme gleich nach.“, sagte Draco. Unterwegs begegnete ihm Hermine, die ebenfalls mitgenommen aussah. „Hi Hermine.“, grüßte er freundlich. Sie überlegte einen Moment, ob sie ihn grüßen sollte. Dann sagte sie scheu: „Hallo Harry. Alles klar bei Dir?“ Er nickte leicht. Sie gingen zusammen zum Unterricht. Hermine faßte sich ein Herz: „Kannst Du mir ein paar Blätter Pergament leihen? Du bekommst sie nächste Woche wieder. “ Er wunderte sich über die Bitte: „Weshalb brauchst Du Pergament?“ Sie kämpfte mit den Tränen. „Ein paar Leute aus meinem Haus haben mein Pergament verschleppt und gestern Abend lagen hundert Kaulquappen in meinem Bett. Sie sagen, ich wäre keine echte Gryffindor.“ „Idioten“, dachte Harry laut. „Selbstverständlich gebe ich Dir Pergament. Brauchst Du noch etwas anderes? Zum Beispiel eine Feder oder so?“ Seine Eltern hatten Draco und ihn bestens ausgestattet. Außerdem hatte er genug Geld, um sich notfalls Material aus der Winkelgasse kommen zulassen. „Du bist richtig nett, Harry. Dein Bruder übrigens auch. Warum seid Ihr nicht in meinem Haus?“, seufzte sie.
Von Beginn der Doppelstunde VgddK an hatte Harry heftige Kopfschmerzen. Seine Narbe auf der Stirn brannte und der Schmerz pulsierte. Dem Unterricht zu folgen empfand er als schwierig, obwohl er die geforderten Zauber problemlos beherrschte. Professor Quirrel huschte hektisch durch den Klassenraum. Mal blieb er bei einem Platz stehen – mal beim anderen. Insgesamt vermißte Harry die ruhige Atmosphäre anderer Unterrichtsstunden.