Endlich war die Flugstunde zu Ende, dachte Hermine erleichtert. Es lag ihr überhaupt nicht, vom festen Boden abzuheben. Kurz bevor sich Slytherin und Gryffindor trennten, sprachen Harry und Draco sie an. „Heute Nachmittag um vier kommt unser Privatlehrer Mr. Eleven. Wir machen Arithmantik und Zauberkunst. Willst Du mitmachen?“ Super. Sie musste also ihren Nachmittag nicht allein verbringen, wie sie befürchtet hatte. „Wenn ich darf gerne. Aber was sagen denn Eure Eltern, wenn ich am Unterricht teilnehme. Ich meine, sie bezahlen den doch.“ Draco zuckte entspannt mit den Schultern: „Unsere Eltern erlauben alles, solange wir unsere Familie stolz machen. Also gutes Benehmen zeigen und ordentliche Leistungen bringen ist ihnen wichtiger als ein paar Galeonen. Professor Snape und Mr. Eleven bezahlen sie sowieso. Außerdem bist Du unter Muggeln aufgewachsen, da kannst Du jede Hilfe brauchen.“
Hermine bemerkte, dass Draco nicht sagte, sie sei muggelstämmig. Die anderen Schüler sprachen von Muggelstämmigen, Halbblütern und Reinblütern. Aber er sprach nur davon, dass sie unter Muggeln aufgewachsen sei. Eigenartig. Weshalb brauchte sie denn besondere Hilfe, weil sie unter Muggeln aufgewachsen war. Allerdings wollte sie auf keinen Fall mit ihren beiden einzigen Freunden wegen einer solchen Lappalie diskutieren. „Wo treffen wir uns dann?“, wollte sie wissen. „Am besten treffen wir uns in der Großen Halle und gehen dann zusammen in den Übungsraum. Markus Flint kommt auch. Keine Angst, er ist voll okay. Unsere Väter sind Geschäftsfreunde.“ Dann zog Harry sie zur Seite: „Longbottom hat dieses Ding verloren. Gib es ihm zurück, vielleicht ist er dann nett zu Dir. Es ist ein Erinnermich – ziemlich teuer.“ Er drückte ihr die kleine magische Kugel in die Hand und ging in Richtung Slytherin, ohne sich noch einmal nach dem verdutzten Mädchen umzusehen.
Sie blickte noch eine Sekunde unentschlossen auf das kleine Artefakt und lief dann in den Krankenflügel. Immerhin hatten sie Mittagspause. Madame Pomfrey fing den Wuschelkopf an der Tür ab. „Zu wem möchten Sie, Miss?“ fragte die Krankenschwester freundlich. „Zu Mr. Longbottom. Er ist vorhin vom Besen gefallen.“, gab sie bereitwillig Auskunft. „Gut. Sie können ein wenig plaudern, aber nicht zu lange.“, bekam sie die Erlaubnis.
Neville Longbottom saß aufrecht in seinem Bett. „Hi Hermine. Super nett, dass Du mich besuchst.“, freute er sich ehrlich. „Hi Neville. Tut es sehr noch weh?“, wollte sie wissen. „Eigentlich nicht. Morgen komme ich auch schon wieder raus. Madame Pomfrey sagt, sie will nur sichergehen, dass alles gut zusammengewachsen ist.“ Dann schwiegen sie ein wenig verlegen, bis Hermine wieder einfiel, weshalb sie gekommen war. „Harry Potter hat Deine Kugel gefunden. Er wollte, dass ich sie Dir zurückgebe.“ In Nevilles etwas dicklichem Gesicht ging die Sonne auf. „Cool. Ich dachte, er wäre so ein arroganter Schnösel und Strebertyp.“, meinte er. „Es ist doch nichts Falsches daran, etwas lernen zu wollen.“, wandte Hermine etwas pikiert ein. Wieder schwiegen sie verlegen. „Was ist das eigentlich?“, versuchte sich das Mädchen etwas angestrengt in Konversation. „Mein Erinnermich. Es erinnert mich daran, wenn ich etwas vergesse. Dann verfärbt es sich rot.“ Sie sprachen noch ein wenig miteinander.
Mr. Eleven empfing die vier Schüler gut vorbereitet. Severus Snape hatte ihm die wesentlichen Schwerpunkte des aktuellen Unterrichts der vierten Klasse, in die Marcus ging, und der ersten Klasse vermittelt. Er hatte für jeden Schüler ein Arbeitsblatt mit Aufgaben und einen Bücherstapel bereit gelegt. „Ihr erarbeitet bitte das jeweilige Thema. In einer Stunde stellt Ihr bitte das Thema Euren Mitschülern vor.“ Markus brach unmittelbar der Schweiß aus. Er hasste es, vor anderen Schülern zu reden. Meistens lachten ihn sie aus. Er sollte sich wieder mal lächerlich machen, dachte er entmutigt. Lustlos und planlos blätterte er durch die Bücher und stellte nach fünf Minuten die Arbeit ein. Mr. Eleven setzte sich ruhig neben ihn und begann mit ihm gemeinsam die Aufgabe zu strukturieren.
Sie arbeiteten konzentriert, bis die Zeit für das Abendessen kam. Hauselfen brachten zur Pause einige Platten mit kalten Speisen, dazu Saft und Süßigkeiten. Sie brauchten keine Zeit verschwenden. Hermine wunderte sich über die perfekte Organisation. „Mr. Malfoy hat sich darum gekümmert, dass wir genug Zeit zum Arbeiten haben. Er richtet Ihnen übrigens herzliche Grüße aus, Miss Granger.“ Die Schülerin blickte überrascht auf. Draco grinste: „Ich habe Dad von Dir geschrieben. Er meint, begabte Hexen und Zauberer sollen sich gegenseitig helfen.“ Ein bißchen frustriert brummelte Marcus: „Da bin ich wohl nicht gemeint…“ Harry knuffte ihm in die Seite: „Quatsch. Du bist beim Quidditch begabt und spielst richtig gut Schach.“ Vielleicht, überlegte Hermine, wenn…eventuell…. „Du kannst gut fliegen?“, begann sie vorsichtig. „Marcus ist der Kapitän unserer Quidditchmannschaft. Er fliegt super.“, stimmte Draco ein Lob an. „Fliegen fällt mir richtig schwer. Der Besen ist bockig.“, gab sie zu.
Marcus bemerkte den fragenden und ein bißchen bewundernden Blick der kleinen Gryffindor. „Naja, vielleicht könnte Dir jemand aus Eurer Quidditchmannschaft helfen. Die Weasleyzwillinge sind recht gut.“ Hermines Gesicht verfärbte sich bis unter die Haarwurzeln. Ihr Freund Harry ersparte ihr eine peinliche Antwort: „Es wäre doch viel cooler, wenn wir Hermine helfen. Die Weasleys sind blöd. Die Eltern von denen wollten mich von zu Hause wegholen.“ Marcus und Hermine starrten ihn entsetzt an. „Ehrlich?“ Mr. Eleven schaltete sich ein: „Familie Weasley hatte fehlerhafte Informationen erhalten, aber wir sollten jetzt weitermachen. Uns bleiben noch 2 Stunden.“
Nach dem Unterricht nahm der Quidditchkapitän das Mädchen zur Seite: „Keine Angst. Ich bringe Dir fliegen bei.“ Die Gryffindor wunderte sich sehr. Sollte dieser Umgang untereinander nicht in jedem Haus genau so sein? Sollten die Häuser nicht für ihre Schüler ein Stück Familie sein? Ein wenig traurig kehrte sie in ihren Turm zurück.