Mr. Flint sprach mit einem erfahrenen Sammler über ein zartes Aquarell von Black Scarlett. Sie hatte eine Banshee gezeichnet. Das wehende Haar der Todesfee ging fließend über in eine Teufelsschlinge. Die Teufelschlinge schien die Banshee zu vernichten. Das Aquarell kombinierte mit seiner feinen Ästhetik den unvermeidlichen Tod mit grausamer Schönheit. „Ein typischer Black Scarlett…“, meinte er und registrierte nebenbei, dass Narzissa sich zu ihnen gesellte. „Was meinen Sie zu diesem Werk, Narzissa? Was will die Künstlerin aussagen?“, fragte er mit einem falschen Lächeln. „Ich vermute, der Künstlerin ging es nur um die Schönheit der Dunklen Seite. Sie trägt immerhin das Synonym Black.“ Sie hatte das Bild ihrer verrückten Schwester Bellatrix gewidmet. Narzissa fürchtete sich vor Bellatrix Wahnsinn. Für Bellatrix war die Dunkelheit ein einziger Flirt mit der Zerstörung.
Narzissas Künstlername entsprang einem Muggelroman – ein Detail, dass nicht einmal Lucius wusste. Er hätte es nicht gutgeheißen, dass sie Liebesromane von Muggelautoren las. Wahrscheinlich hätte er es ihr sogar verboten. Sie floh oft in Kunst und Literatur, wenn ihr diamantener Käfig zu eng wurde. Flint fragte sich schon seit Jahren, wieso sie ihren Geburtsnamen verwendete. Scarlett sagte ihm nichts.
Lucius kehrte von einer Unterredung mit seinem Anwalt auf die Veranstaltung zu ihr zurück. Professor Myers bewunderte das Aquarell höflich. „Eine sehr gelungene Studie zweier Kinder der Nacht.“, merkte er an. Der Sammler hatte die veranlagten 5000 Galeonen für ziemlich hoch empfunden. Aber es gab scheinbar sehr reiche Interessenten, also konnte man von einer Wertsteigerung ausgehen. Er hatte seinen ersten Scarlett vor Jahren für 200 Galeonen erworben. Das Ölgemälde wurde mittlerweile auf fast 2000 Galeonen taxiert. Narzissa erklärte unbeteiligt einige winzige Schwächen des Aquarells, während Lucius seine Hände von hinten auf ihre Schultern legte. „Zissa, wenn Dir das Bild gefällt – kaufe ich es Dir. Es könnte in Deinen Salon gut passen.“ Sie lächelte ihn an. „Ach ich weiß nicht so genau. Lass uns noch ein wenig umschauen. Vielleicht sollten wir eher den Harlekin mitnehmen.“ Der Harlekin mit grünen Augen und einer breiten Narbe quer durch das Gesicht hing an den zarten Fäden eines Puppenspielers, von dem man nur die Hände sehen konnte. Er trug ein grün silbernes Kostüm und lächelte grotesk. Das Bild strahlte hintergründige Bedrohung aus. Das Gemälde hatte die Künstlerin auf Leinwand gemalt. Die Figur schien zufrieden zu sein, dass sie jemand führte. Sie hatte etwas Jungendliches und zugleich Düsteres. „Der Harlekin ist beeindruckend, da stimme ich Dir zu. Die Marionette will geführt sein.“ Er spielte schon immer gern mit Menschen, dachte sie. Trotzdem lag Lucius etwas an ihr. Es hätte sie wesentlich schlechter treffen können.
Der Sammler blieb mit Mr. Flint allein zurück, als die Malfoys weitergingen. Er kaufte das Aquarell direkt. „Liebling, bitte entschuldige. Ich muss mich dringend um Deinen Cousin kümmern.“, sagte Lucius beiläufig. Sie seufzte nicht und dachte angestrengt darüber nach, ob er die Wahrheit sagte. „Geh´ ruhig. Ich komme gut zurecht. Wenn die Party vorbei ist, werden Cecely und ich uns noch ein wenig unterhalten.“ Er brachte ihr noch ein Glas Elfenwein, dann verabschiedete er sich. Professor Myers empfahl sich ebenfalls. Die beiden Männer verabredeten sich diskret für drei Uhr nachts in Malfoy Manor.
Für Professor Myers waren so späte Termine nicht unangenehm. Auf dem Weg in seine Kanzlei begegnete ihm Yvette, jene Partnerin von Lucius Spielzeug Fabian. Sie kam von ihren Zweitjob in einer Bar unweit der Nocturngasse. Sie roch frisch und verführerisch für den Professor, obwohl sie einige Yards vor ihm die Straße überquerte. Er bedauerte nicht die Zeit zu haben, sie mitzunehmen, entschloss sich jedoch zumindest Kontakt aufzunehmen. Mit einem kleinen Trick gelang ihm vor ihr auf der anderen Straßenseite zu sein. „Guten Abend, Miss.“, sagte er mit einem dunklen Timbre in der Stimme. Sie blickte auf und sah in freundliche tiefblaue Augen. „Guten Abend.“, grüßte sie zurück. „Sie müssen jetzt keine Angst haben.“, sagte er sanft und beschwörend. „Ich sah Sie gerade hier herüber kommen und konnte nicht widerstehen. Ich musste Sie einfach ansprechen. “ Er hatte Erfahrung mit Frauen wie ihr. Er musste ihr nur Zeit geben. Sie würde von selbst kommen und sich ihm schenken. Das taten sie immer – schon seit über 300 Jahren. Er widerstand dem Impuls ihre Arterie zu streicheln. Dafür hätte er später genügend Zeit, wenn sie in seinem Haus wäre. Dort störte ihn nie jemand. Außerdem war dort alles für Damen wie sie vorbereitet. Er unterdrückte seine Erregung bei dem Gedanken – wie viel Spaß sie bedeuten konnte.
„Eigentlich würde ich gerne sofort mit Ihnen einen Drink nehmen. Natürlich weiß ich, dass es für eine so schöne Frau viel zu gefährlich ist, sich auf der Straße um diese Zeit einladen zu lassen. Nehmen Sie bitte meine Karte, wenn Sie mögen. Michael Myers ist mein Name. Ich bin Anwalt in Kensington. Vielleicht können wir uns mal tagsüber verabreden.“
Er gab ihr die Karte und ging weiter ohne sich noch einmal um zudrehen. Sie blieb verdutzt stehen. Das schwere Papier der eleganten Visitenkarte lag in ihrer Hand. Der Mann wirkte sehr seriös. Außerdem erinnerte sie sich daran den Namen erst kürzlich im Tagespropheten gelesen zu haben. Sie steckte die Karte ein. Mit Fabian und ihr lief es wirklich nicht gut. Vielleicht war es Zeit für eine grundsätzliche Veränderung. Dass der Mann sie nicht gedrängt hatte, sprach für ihn. Kurze Zeit später hatte er die Besuchserlaubnis für Askaban. Es hatte nicht viel Aufwand benötigt, um die nötigen Papiere zu bekommen.
Lucius kleidete sich um. Dobby hatte ihm von Severus Anruf erzählt, aber er hatte jetzt keine Zeit sich direkt um seinen Sohn zu kümmern. Morgen früh konnte er immer noch nach Harry sehen. Severus war bereits vor Ort. Das musste einstweilen genügen.