Severus bereitete den Unterricht unwillig vor, die bevorstehende Entlassung von Sirius Black verärgerte ihn sehr. Jedoch sah er keine Möglichkeit die Sache wirksam zu verhindern. Blacks Unschuld interessierte ihn eigentlich nicht. Er hasste den Mann einfach. Immer noch hörte er dieses gehässige Lachen in der Klasse, während Black seinen Liebesbrief an Lily vorlas. An dem Brief hatte er mehrere Tage formuliert. Zum Ausgleich, so empfand er es, hatte das Schicksal ihm die Zuneigung von Lilys Sohn geschenkt. Er würde sich Harry nicht nehmen lassen, daher hatte er sich vorgenommen, mit dem Jungen zu sprechen. Pünktlich klopfte es an der Tür seines Quartiers. Er ließ Harry herein. Grüne Augen strahlten ihn vertrauensvoll an. „Guten Abend, Professor“, sagte Harry mit echtem Respekt. Nachdem er aus dem Krankenflügel zurückgekommen war, waren sie wieder zur formalen Anrede zurückgekehrt. Der Junge wirkte etwas angespannt und erschöpft. Dieses Detail entging dem Professor nicht.
Die Malfoybrüder verfügten zwar über jeden Luxus, aber über keinerlei Freizeit. Selbst Severus, der ein großer Freund von Leistung war, fand das Programm ziemlich hart. Vor allem seit das Quidditchtraining hinzugekommen war, blieb ihnen an sieben Tagen in der Woche von 07:00 – 21:30 außer dem Essen keine echte Pause mehr. Natürlich hatten sie mal eine Freistunde, aber planmäßig hatten ihre Eltern den Tag komplett durchstrukturiert.
Er bot Harry einen Kakao mit Ingwer und Zimt an. „Sehr gerne, Sir“, lächelte Harry schüchtern. Auch wenn Lucius sein Favorit war, liebte er Severus fast genauso innig. Der Lehrer nahm ihm gegenüber Platz: „Wie ist der Unterricht heute gewesen?“, fragte er zunächst. „Draco hat in Verwandlung ein Streichholz in einen blühenden Kirschzweig verhext, damit war er sogar besser als Hermine. Bei mir lief das Quidditchtraining ziemlich gut. Ich freue mich schon auf das erste Spiel.“
Hermine, Draco, Blaise und Marcus bildeten eine eigene Truppe, die sich gegenseitig anspornte. Mittlerweile hatte Marcus ein paar Mal „annehmbar“ bekommen, der Junge entwickelte eigenen Ehrgeiz. Über die Vier wurde oft getratscht. Vor allem seit Marcus dabei gesehen wurde, wie er Hermine Flugstunden gab. „Harry, Sirius Black – dein Pate wird in den nächsten Tagen aus dem Zaubergefängnis entlassen. Er wurde scheinbar zu Unrecht für den Mord an mehreren Muggeln und für den Verrat an Lily und James eingesperrt.“ Severus versuchte verbal sachlich zu bleiben. Dennoch betonte er das „scheinbar zu Unrecht“ gekonnt.
Unwillentlich spielte Harry ihm in die Hände: „Was ist er für ein Mensch?“ Severus spielte mit einem kleinen roten Ball, den er irgendwo hergezaubert hatte. Der Junge verfolgte den Ball, der nun in der Luft stehen blieb, mit den Augen. „Sirius Black war ein enger Freund von James Potter. James und er zeigten sich anderen gern überlegen. Zu ihnen gehörte Pettigrew und ein gewisser Remus Lupin. Wir mochten uns nicht. Dafür, dass sie alle so gute Freunde deiner leiblichen Eltern waren, haben sie sich erstaunlich wenig um dich gekümmert.“ Harry nickte aufmerksam. Er hatte dunkle Ränder unter den Augen, wie Severus auffiel. Sie redeten eine Weile miteinander. Am Ende wusste Harry weitaus mehr über die Rumtreiber und war sich sicher, dass er sie auch nicht mögen würde.
Draco saß immer noch über einer Ausarbeitung für Geschichte der Zauberei. Zum Glück half ihm Blaise dabei. Außer ihnen waren nur noch die älteren Slytherins im Gemeinschaftsraum. „Warum macht Ihr eigentlich immer so viel für den Unterricht? Ihr beide habt doch voll den Durchblick“, fragte Blaise nachdenklich. „Mein Vater möchte, dass wir die Besten sind – die Allstars“, sagte Draco leicht resigniert und gähnte dabei. „Du kennst doch die Sätze. Mach` deine Familie stolz! Strebe nach dem Ruhm und der Macht! Beherrsche sie durch deine Überlegenheit! Und den ganzen anderen Kram.“
Blaise nickte mitfühlend: „Meine Mutter sagt immer: Umgarne sie mit Deinem Charme! Erkenne ihre Sehnsüchte und nutze sie zu Deinen Vorteil! Und den ganzen anderen Kram.“ Draco rollte das Pergament zusammen: „Klingt auch nicht besser. Du musst doch immer zum Tanzen, oder?“ Seufzend rollte Blaise mit den Augen. „Seitdem ich vier bin, trainiere ich diesen Mist. Eigentlich würde ich lieber Quidditch spielen, aber das ist nicht elegant genug.“ Harry kam zu ihnen und gähnte ebenfalls. „Draco, Dad besucht uns morgen am Vormittag. Außerdem hat Professor Snape morgen keine Zeit für den Zusatzunterricht. Wir sollen uns selbst beschäftigen und früh ins Bett gehen.“ Sie zuckten mit den Schultern, bis Blaise sagte: „Morgen ist Sonntag. Dann habt Ihr mal frei und wir können irgendwas spielen oder so.“ Sie planten eifrig, was sie machen wollten. Zunächst war Draco eines wichtig – ausschlafen können.
Einen ganzen Tag frei haben – daraus würde wohl nichts werden, dachte Harry. Ab nächster Woche erhielten Draco und er Duellunterricht, allerdings fiel dafür dann Arithmantik erst mal weg. Er freute sich über den Wegfall von Arithmantik. Es lag ihm nicht und band eine Menge Zeit, die er eigentlich auch für andere Dinge gebrauchen konnte.