Die Insel blieb in seinem Rücken, wurde kleiner und verschwand schließlich hinter ihm. Etwas Drohendes hatte sich in seine Seele verkrallt, um ihn nie mehr loszulassen. Dennoch musste ihn die Hölle einstweilen freigeben. Sirius Black verließ Askaban in Begleitung von Professor Myers, der ihn nun vertrat, wie im Trance.
In den letzten Tagen hatte er kaum verstanden, dass er wirklich eine reale Chance auf Gerechtigkeit hatte. „Mr. Black. Man erwartet Sie auf Malfoy Manor, dort ist alles für Sie vorbereitet. Wenn Sie sich ein paar Tage ausgeruht haben, können Sie sich natürlich bis zum Prozess frei bewegen.“ Erst wollte Sirius höflich ablehnen, aber dann wurde ihm klar wie erschöpft und verwirrt er tatsächlich war. Widerwillig gestand er sich selbst ein, dass er Hilfe brauchte.
Seit Lucius Besuch hatte sich seine Situation grundsätzlich gebessert. Myers überflutete das Ministerium mit Anträgen zur Verbesserung der Lebenssituation seines Mandanten, mit Anträgen für ein offizielles Ermittlungsverfahren und Beweisvorlage. Insgesamt stellte er 92 Anträge in 2 Wochen und erreichte schließlich die vorläufige Entlassung bis zu einem formellen Ermittlungsverfahren.
Sirius dämmerte vor sich hin, bis sie Malfoy Manor erreichten. Erst dort angekommen, sammelte er sich ein wenig. Narzissa empfing ihn kühl, aber höflich: „Herzlich Willkommen auf Malfoy Manor, Cousin.“ sagte sie, während sie angestrengt, vermied seine etwas schmuddelige Hand zu nehmen. „Narzissa, Du siehst zauberhaft aus“, erinnerte er sich der Trümmer seiner vornehmen Erziehung und deutete eine leichte Verbeugung an. Seine wirren, ungepflegten Haare, die zerrissenen Fetzen am Leib und der abgemagerte Körper bildeten eine erbärmliche Einheit, auf die man jedoch bestens vorbereitet war. „Danke“, antwortete sie lächelnd das Groteske der Situation ignorierend. „Professor Myers, kommen Sie doch gerne einen Moment mit herein.“ Der Professor lehnte dankend ab, er hätte noch eine Verabredung. Es war immerhin Sonntag. „Ich sehe Ihren Gatten dann am Dienstag. Mr. Black, wenn etwas sein sollte, stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung.“ Er verabschiedete sich und überließ die Verwandten sich selbst.
Dobby führte Sirius zunächst in ein vorbereitetes Gästezimmer im zweiten Stock mit Blick zum Tor. Das Zimmer befand sich in Nordtürmchen des Anwesens und entsprach dem üblichen Luxus. „Master Black, wünschen Sie ein Bad vor dem Essen?“ Sirius stockte einen Moment. Wie lange hatte er schon nicht mehr geduscht, geschweige denn gebadet. „Ja. Wo ist das Badezimmer?“ Der Hauself öffnete eine diskrete Seitentür. Sirius hatte sich noch nicht genau umgesehen. Er kämpfte mit seinen Gefühlen zwischen Abscheu und Bewunderung.
In der Mitte des in dunkelblau gehaltenen Bades stand eine Kupferwanne. Ein Elfenzauber füllte sie mit duftigem, warmem Wasser. Neben der Wanne lagen ein flauschiger Bademantel und ein breites Duschtuch auf einem Handhalter, der beides anwärmte. Sirius schickte den Hauselfen harsch fort, zog sich aus und kletterte etwas unsicher ins Wasser. Herrlich. Die magische Wanne wechselte unbemerkt das erste schmutzige Wasser gegen frisches. Die Temperatur blieb konstant entspannend. Sanfte Musik spielte im Hintergrund und lud zur Beruhigung ein. Auf dem Rand fand Sirius ohne Probleme feinen Waschschaum und ein exklusives Shampoo. Vor Askaban hatte ihm Luxus nichts bedeutet, aber jetzt konnte er ihn bestens genießen. Er wusch seine Haare und auch den Rest seines Körpers gründlich, spülte sich mit dem Schaum einen Teil seiner Selbstverachtung ab und stieg aus dem Wasser.
Er sah in einen Kristallspiegel über dem glänzenden Waschbecken, als Dobby eintrat. „Master Black, benötigen Sie noch etwas?“ Sirius überlegte nicht lange und wies den Diener an, ihn zu rasieren und die Haare zu schneiden. Dobby aktivierte zunächst den Spiegel mit einem Zauberstab. Auf der magischen Fläche konnte Sirius sich nun eine kleine Auswahl von Frisuren sehen. Er entschied sich für eine sehr einfache Variante, da er dem Hauselfen nichts Kompliziertes zutraute. Wenn es ihm sinnvoll erschien, könnte er in ein paar Tagen immer noch zu einem Friseur gehen. „Setzen Sie sich bitte, Sir“, sagte Dobby und wies auf einen kleinen Hocker, der neben dem runden, silbernen Waschbecken stand.
Mittels magischer Schere hatte Sirius in Nullkommanichts gut geschnittenes Haar. Die braunen Strähnen lagen weich und gepflegt auf den knochigen Schultern und wurden im Nacken zusammengebunden. Die verwilderten Bartzotteln fielen dem Rasierzeug fast gänzlich zum Opfer. Obwohl Sirius nun wesentlich zivilisierter aussah, blieb ihm die Person im Spiegel fremd. Er schickte Dobby nach einem frischen Kaffee und putzte sich die Zähne.
Dann ging er hinüber in das Schlafzimmer und sah sich gründlich um. Das Zimmer strotzte nur so vor uralten Reinblüterschick. Eine Tatsache, die bei Sirius Übelkeit erzeugte, aber auch eine seltsame Vertrautheit. Er empfand es bizarr, dass ausgerechnet ein früherer Todesser ihn aus Askaban holte. Keiner seiner Freunde hatte ihm mehr geglaubt. Sie hatten ihn aufgegeben und der Verdammnis ausliefert. Verdammnis, er grinste über sein eigenes Pathos.
Auf dem Bett fand er frische Kleidung. Sie war ihm etwas zu groß. Erst wollte er sich damit arrangieren, aber dann kam ein kleiner Teil seiner eigenen Eitelkeit wieder zum Vorschein. Dobby erschien mit dem verlangten Kaffee und musste ihm die Kleidung sofort anpassen. Jetzt schien die Verwandlung von einem verwilderten Strafgefangenen in einen wohlhabenden Mann aus der Oberschicht perfekt.
Vielleicht, dachte Sirius, war es an der Zeit nicht nur die alten Zöpfe abzuschneiden, sondern sich auch noch einmal eine neue Weltsicht zu zulegen. Er fühlte sich gut und entließ Dobby mit einer knappen Geste. Lucius Erzählungen von Harry hatten ihn nicht losgelassen. Er brannte darauf seinen Patensohn zu sehen und mit ihm zu sprechen. Wenn Lucius nicht log, was immerhin im Rahmen des Möglichen lag, würden ihm Albus Dumbledore und einige andere Rede und Antwort stehen müssen.